Grünzeug im Flugzeugtank
02.09.2011 -
Biodiesel für das Auto gibt es seit Jahren, seit E10 wissen die meisten, dass auch bei Benzin ein Teil des Sprits aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird. Die Luftfahrt hat bisher immer auf rein fossile Treibstoffe gesetzt. Nur sie besaßen bisher die notwendige Energiedichte. Das wird sich jedoch in Zukunft ändern: Seit Mitte Juli fliegt ein Airbus A321 der Deutschen Lufthansa AG mit Biosprit – zumindest ein bisschen: Ein Triebwerk der zweistrahligen Maschine wird mit Treibstoff betrieben, dem zur Hälfte Biokerosin beigemengt ist. „Einen höheren Anteil erlauben die Zulassungsorganisationen derzeit nicht“, sagt Joachim Buse, Leiter Aviation Biofuels beim größten deutschen Luftfahrtkonzern.
Die Biotreibstoffe für Autos oder Flugzeuge unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt: Biodiesel und E10-Sprit sind Stoffe beigemengt, die es im konventionellen fossilen Kraftstoff nicht gibt: entweder Rapsmethylester (Diesel) oder Bioethanol (Benzin). Beim Flugzeugkerosin ist das anders. Egal ob biogenen oder fossilen Ursprungs, die molekulare Zusammensetzung der Inhaltsstoffe ist gleich. Für Jet-Treibstoffe legen internationale Standardisierungsorganisationen die Eigenschaften des Sprits – und damit indirekt auch seine Zusammensetzung – genau fest. Der international übliche Jet-A1-Treibstoff enthält vor allem Alkane, Cycloalkane und aromatische Kohlenwasserstoffe mit etwa acht bis 13 Kohlenstoff-Atomen je Molekül. „Der sogenannte Biokraftstoff ist ja gar kein Biokraftstoff, sondern nur biogenen Ursprungs – und am Ende des Tages ein vollsynthetisches Produkt“, so Buse.
Im Augenblick gibt es zwei Verfahren mit denen sich das neue Flugzeugbenzin herstellen lässt: Entweder werden Pflanzenöle so destilliert, dass ihre Zusammensetzung dem des gewöhnlichen Treibstoffes gleicht. Bei dem sogenannten „Biomass-to-Liquid“-Verfahren können nicht nur Öle, sondern auch andere Arten von Biomasse eingesetzt werden. Um die fest miteinander verknüpften langkettigen Strukturen aufzubrechen, wird die Biomasse zunächst vergast. Aus dem entstandenen Synthesegas werden dann Kohlenwasserstoffketten mit genau der gewünschten Kettenlänge wieder aufgebaut.
Industrie will Klimafußabdruck verkleinern
Hintergrund |
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Der Durst der Luftfahrtunternehmen ist riesig: Experten schätzen den derzeitigen weltweiten Verbrauch von fossilem Jet-Kerosin auf etwa 238 Millionen Tonnen pro Jahr – Tendenz steigend. Nach Berechnungen des Weltluftfahrtverbandes IATA bliesen die Flugzeuge im Jahr 2010 insgesamt 642 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre.
Schon vor sechs Jahren haben die IATA-Mitglieder sich deshalb darauf verständigt, den Klimafußabdruck der Luftfahrt zu verkleinern. Neben Effizienzsteigerungen geht es vor allem um die Reduktion des Klimagases CO2. „Ab 2020 wollen wir CO2-neutral wachsen, also von diesem Zeitpunkt an keine zusätzlichen CO2-Emissionen mehr verursachen“, sagt Buse. Im Jahr 2050 wollen die IATA-Mitglieder die Gesamtemission des Weltluftverkehrs auf 50 Prozent des Ursprungswertes aus dem Referenzjahr 2005 reduziert haben. Gelingen soll das vor allem durch den Einsatz von Biotreibstoffen, die als besonders klimafreundlich gelten. Um die deutschen Forschungsbemühungen in diesem Bereich zu koordinieren, haben sich im vergangenen Juni 20 Partner aus allen Bereichen der Wertschöpfungskette in der Aviation Initative for Renewable Energy in Germany (AIREG) zusammengeschlossen.
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Die Lufthansa setzt bei ihrem Langzeitversuch auf ein Gemisch von tierischen Fetten sowie Pflanzenölen, vor allem aus der Purgiernuss (Jatropha curcas) und Leindotter (Camelina sativa). Sechs Monate lang, will die Lufthansa den Einsatz des Biokraftstoffes nun testen.“Wir hatten große Probleme, genügend Treibstoffe für den Langzeitversuch zu finden“, räumt Buse ein. Bisher gibt es nur relativ wenige Anbieter für den neuen Sprit, der Markt muss sich erst noch bilden. Die nachhaltige Produktion liege dem größten deutschen Luftfahrtunternehmen am Herzen, betont Buse: „Für Lufthansa wird kein Regenwald gerodet, und wir gehen nicht auf Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden.“
Kritiker der Biokraftstoffe überzeugt das nicht. Gerade Jatropha gilt ihnen als zu anspruchsvoll, wenn es darum geht hohe Erträge zu erzielen. Der WWF Deutschland bemängelt zudem die Ende Juni von der EU-Kommission zugelassenen sieben Zertifizierungssysteme. „Leider hat die EU-Kommission die Systeme im Alleingang ausgewählt“, sagt Martina Fleckenstein, Leiterin EU-Politik des WWF Deutschland. So sei vollkommen unklar, auf welcher Basis die Entscheidung getroffen wurde. Auch inhaltlich sind die Umweltschützer mit den Regelungen unzufrieden. Sie befürchten, dass die steigende Nachfrage nach Biokerosin zu Landnutzungsänderungen führt. Vor allem die „indirekte Landnutzungsänderung“ gilt als problematisch, weil schwierig nachzuverfolgen. Dabei werden die Energiepflanzen zunächst auf Flächen angebaut, die der Nahrungsmittelproduktion dienen. Die Lebensmittelproduktion wird dann möglicherweise auf frisch gerodete Regenwaldflächen verlegt. „Über kurz oder lang werden die Sprit-Hersteller auf die fruchtbaren Anbauflächen für Nahrungsmittel ausweichen, um die Erträge zu steigern - und für beide ist schlichtweg nicht genug Platz da“, klagt Gesche Jürgens, Waldexpertin bei Greenpeace.
Keine Alternative zu Biokraftstoffen
Trotzdem sind Biokraftstoffe für die Luftfahrt auf absehbare Zeit die einzige Alternative. Andere Konzepte, wie Wasserstoff- oder Elektroantrieb, lassen sich in der Luftfahrt nicht realisieren. Ein Patentrezept haben auch die Umweltschützer nicht. Sie hoffen vor allem auf eine Verhaltensänderung. Wenn es nach Jürgens ginge, müsste es weniger Flugverkehr geben, vor allem auf Kurzstrecken.
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