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Mit Pilzen zum Biosprit

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Pleurotus sapidus, eine Seitlingsart, kultiviert auf Rapsstroh. Der Pilz ist möglicherweise ein Schlüssel zur Gewinnung von Biosprit. Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen

28.02.2011  - 

Biokraftstoffe der zweiten Generation konkurrieren nicht mehr mit der Nahrungsmittelindustrie, sondern nutzen unter anderem Cellulose. Die Zuckerverbindung ist auch in Stängeln, Stämmen und Bioabfall enthalten, und lässt sich in Bioethanol umwandeln – mit den richtigen Enzymen. Denen ist seit Januar 2011 auch eine deutsch-russische Forschungskooperation auf der Spur. Ihr Forschungsobjekt: Pilze. Denn die unauffälligen Waldbewohner haben effektive Mechanismen entwickelt, um aus einem toten Stück Holz noch das Beste herauszuholen. Das Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie (LCB) der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und das Bach-Institut für Biochemie an der Akademie der Wissenschaften Moskau wollen in den kommenden zwei Jahren mehr als 250 Pilzarten auf ihre Verwendbarkeit für die Biospritgewinnung überprüfen. Die Kooperation wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 100.000 Euro gefördert.

„Ziel unserer Kooperation ist es, aus Pilzen neue Enzyme für den Aufschluss von Lignocellulosen zu identifizieren“, präzisiert LCB-Institutsleiter Holger Zorn. Lignocellulose ist der Stoff, der die Zellwand holziger Pflanzen bildet und ihnen Struktur gibt - oder einfach gesagt, das Gerüst in Holz und Stroh. Mit Hilfe von Enzymen lässt sich die Lignocellulose in Cellulose, Hemicellulose und Lignin aufspalten. Während das Bindemittel Lignin zu Klebe- und Kunststoffen weiter verarbeitet werden kann, entstehen aus den Kohlenhydraten Hemicellulose und Cellulosen fermentierbare Zucker – am Ende steht Cellulose-Ethanol, der Grundstoff für Biosprit.

In den Tank statt ins Körbchen

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Die Enzyme sind auch der Schlüssel für das Aufspalten der Lignocellulose, Wissenschaftler haben mögliche Kandidaten unter anderem im Magen von Kühen und Termiten gefunden. Für eine Enzymgewinnung im industriellen Maßstab sind aber andere holzverarbeitende Lebewesen wirtschaftlicher: Die Pilze. Mit ihrer Hilfe wollen auch die Wissenschaftler am LCB und am Moskauer Bach-Institut einen markttauglichen Weg zur Gewinnung von Ethanol aus Lignocellulose finden.

Im Visier haben Zorn und seine Kollegen dabei Basidiomyceten, umgangssprachlich Ständerpilze genannt. Die Gruppe umfasst die meisten Speisepilze – Pilzgeflechte, die zur Vermehrung einen Fruchtkörper mit Hut und Stiel ausbilden, der bei einigen Sorten gern im Körbchen eifriger Pilzsammler landet. Am LCB werden 250 verschiedene Spezies kultiviert, um ihren Nutzen für die Lebensmittelindustrie zu untersuchen. Für den Lignocellulose-Aufschluss besonders interessant ist dabei die Gruppe der Weißfäulepilze. Die Pilze wachsen auf Holz und hinterlassen einen weißen Rückstand – ein klares Zeichen, dass vom Pilz gebildete Enzyme die Lignocellulose zerlegt und verarbeitet haben. Weißfäule wird durch Baumpilze und Schwämme verursacht, aber auch durch den bei Pilzkennern beliebten Kräuterseitling, den das deutsch-russische Team jetzt genauer unter die Lupe nimmt.

Pleurotus eryngii auf einem Block aus Holzsubstrat. Der auch als Kräuterseitling bekannte Speisepilz baut Lignin aus Holz ab.Lightbox-Link
Pleurotus eryngii auf einem Block aus Holzsubstrat. Der auch als Kräuterseitling bekannte Speisepilz baut Lignin aus Holz ab.Quelle: Justus-Liebig-Universität Gießen

Der richtige Cocktail

„Mit unserem Projekt wollen wir die Enzyme finden, die vergessen wurden“, erklärt Zorn weiter. Das seien Peptidasen und Esterasen, Enzyme die unter anderem die Umwandlung von Lignocellulosen in Alkohol unterstützen. Das deutsch-russische Team verfolgt einen biomimetischen Ansatz. Anders als mit einem einzelnen Enzym vorzugehen, suchen sie nach „Cocktails“ - Kombinationen, die in den Pilzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten umweltabhängig gebildet werden: Es gilt also, den optimalen Tag für die optimale Enzymkombination im richtigen Pilz zu finden. Und anschließend „das Konzept der Natur in die Technik zu bringen“, wie Zorn formuliert.

Die Arbeitsgruppe hat Erfahrung mit der Thematik. Der Wissenschaftler Martin Rühl hat 2009 über ligninabbauende Enzyme in Ständerpilzen promoviert und wirkt jetzt in dem Forscherteam mit. Seine Expertise ist für das Projekt ebenso wichtig wie die Forschungen von Arkadi Sinitsyn, Professor am Moskauer Bach-Institut, der ebenfalls seit Jahrzehnten Fermentationsprozesse sowie die Enzym-Extraktion aus Pilzen erforscht.

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Austausch von Daten und Arbeitsweisen

Der Kontakt zwischen Zorn, damals noch an der Universität Dortmund tätig, und Sinitsyn entstand auf einer Netzwerkveranstaltung des Cluster Industrielle Biotechnologie (CLIB 2021) in Nordrhein-Westfalen, welcher ebenfalls vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Der Cluster hat das Ziel, mit Hilfe der Biotechnologie die Transformation der chemischen Industrie weg von petrochemischen hin zu nachwachsenden Rohstoffen zu unterstützen (mehr...). Ein internationales Thema:  „Für dieses Vorhaben braucht man einen starken Partner“, erklärt Zorn die Idee, mit dem Bach-Institut zu kooperieren. So habe das russische Institut die zur Forschung nötigen mechanischen Geräte bereits optimiert und bei einem ersten Treffen im Januar schon Holzsubstrat-Proben für das Kultivieren der Pilze im Gepäck gehabt: Zerkleinert mit speziell angefertigten Holzmühlen, die in Deutschland ihresgleichen suchen. Neben der fachlichen Expertise schätzt Zorn an den russischen Kollegen auch ihre pragmatische Arbeitsweise: „Sie gehen manchmal einfach drauf los, während wir noch theoretisieren.“

                                                       

 

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