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Carola Griehl: Alleskönner aus dem Meer

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Carola Griehl ist Leiterin der Arbeitsgruppe Algenbiotechnologie am Institut für Lebensmitteltechnik, Biotechnologie und Qualitätssicherung der Hochschule Anhalt. Quelle: BMBF / Zukunftsjahr der Energie

20.04.2010  - 

Während Algen in Asien traditionell zur guten Küche dazu gehören, werden sie hierzulande bisher noch unterschätzt. Carola Griehl ist biotechnologische Algenexpertin an der Hochschule Anhalt. Am Standort Köthen züchtet sie große und kleine Exemplare der Wasserpflanzen, um deren Bestandteile für den Menschen nutzbar zu machen. So schützen die in ihnen enthaltenen Carotinoide unsere Netzhaut vor schädlichen UV-Strahlen oder färben Lippenstifte in ein dunkles Rot. Und: Aus den Reststoffen kann sogar noch Energie gewonnen werden.


 

Wenn Carola Griehl unterwegs ist, findet sich in ihrem Rucksack immer ein Reagenzglas mit Nährlösung, um einen zufälligen Algen-Fund sicher nach Hause transportieren zu können. Zufallsfunde gibt es in der Disziplin genug. Weltweit gibt es schätzungsweise 500.000 Algenarten, davon sind bisher lediglich 40.000 bekannt. Nur ein Bruchteil davon, rund zehn Arten, werden wirtschaftlich genutzt. Neue Algenstämme sind also überall zu entdecken – wie zum Beispiel auf der Konferenz in Paris vor einigen Jahren, als Carola Griehl und ihre Doktorandin Claudia Grewe vor dem Louvre auf eine Wasserlache aufmerksam wurden: „Eine rote Pfütze lässt jeden Algenforscher sofort aufmerken“, erklärt sie. Zu Hause im Labor wurde in dem rötlichen Wasser eine Mikroalge entdeckt, dieser Haematococcus-Stamm trägt seitdem den Beinamen louvre.

Die Makroalgen werden in speziellen Photobioreaktoren herangezogen und sind dann so vielseitig wie kleinere Mikroalgen.Lightbox-Link
Die Makroalgen werden in speziellen Photobioreaktoren herangezogen und sind dann so vielseitig wie kleinere Mikroalgen.Quelle: Carola Griehl/Hochschule Anhalt
 

Fünf bis zehn Mal mehr Biomasse

An der Hochschule Anhalt in Köthen (Sachsen-Anhalt) züchtet die Arbeitsgruppe von Carola Griehl sowohl Mikro- als auch Makroalgen. Die Makroalgen kennt man als Tang aus dem Meer, sie werden in großen Algenfarmen an der Küste vermehrt. Griehl und ihren Kollegen ist es allerdings gelungen, Makroalgen weitab vom Meer in Form von Zellkulturen in sogenannten Photobioreaktoren zu kultivieren. Damit sind die Großalgen fast so praktikabel wie Mikroalgen: sie wachsen schnell und liefern unabhängig von der Saison bestimmte Wirkstoffe. Erst kürzlich haben Carola Griehl und ihr Team aus zwei Algen Extrakte gewonnen, die unter Umständen im Kampf gegen Alzheimer eingesetzt werden können.

Genau wie Landpflanzen betreiben Algen Photosynthese: Wenn sie wachsen, binden sie unter Nutzung von Sonnenlicht klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in ihrer Biomasse. Diese kann dann in Biogasanlagen wiederum zur Stromgewinnung genutzt werden. Dabei haben gerade Mikroalgen gegenüber Landpflanzen einen großen Vorteil: „Sie produzieren im gleichen Zeitraum fünf bis zehn Mal mehr Biomasse als Landpflanzen und brauchen dabei gleichzeitig weniger Wasser“, erklärt die Chemikerin.

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Hochwertige Nebenprodukte

Griehl ist eine Wissenschaftlerin, die ein gutes Gespür für die Wirtschaftlichkeit ihrer Projekte hat. Als sie 1997 von der Uni in Halle-Wittenberg als Professorin nach Köthen kam, waren dort anwendungsorientierte Projekte gefragt: Die möglichst reibungslose Gewinnung von Biogas aus Biomasse war eines ihrer ersten Projekte. Heute denkt Carola Griehl am liebsten in Kreisläufen, in denen die Algen an mehreren Punkten eine Rolle spielen: Biogas enthält neben dem eigentlichen Energieträger CH4 auch CO2, das bisher nicht genutzt wurde. Führt man Mikroalgen Biogas zu, verwerten sie den darin enthaltenen CO2-Anteil. Nach dieser „Aufreinigung“ kann das Gas mit einem höheren Wirkungsgrad in Strom umgewandelt werden. Gleichzeitig kann die Biomasse der dank CO2  gewachsenen Algen wiederum als Substrat in die Biogasanlage eingespeist werden. „Diese Art der Energiegewinnung lohnt sich allerdings nur, wenn den Algen gleichzeitig Hochwertprodukte entzogen werden. Nur so wird ein Schuh draus“, erklärt Griehl. Deswegen legt sie mit ihrem Team ein besonderes Augenmerk auf bisher noch vernachlässigte Bestandteile der Algen.

Das Bild beschreibt die Kultivierung vom Mikroalgen, die unter Stress Carotinoide akkumulieren. Lightbox-Link
Das Bild beschreibt die Kultivierung vom Mikroalgen, die unter Stress Carotinoide akkumulieren. Quelle: Carola Griehl / Hochschule Anhalt

Wie eine innere Sonnenbrille

Viele Algen produzieren zum Beispiel Carotinoide wie Astaxanthin, wenn sie Stress ausgesetzt werden. Genau aus diesem Grund war auch die Pfütze vor dem Pariser Louvre rot gefärbt. Solche Algen werden zum Beispiel als Futtermittel eingesetzt, weil sie das Fleisch von Lachsen und Hummern so schön rot färben, und in entsprechender  Konzentration geben sie auch Lippenstiften ihre dunkelrote Farbe. Menschen können diese Carotinoide, zu denen auch das Lutein gehört, nicht selbst produzieren, sondern nur über ihre Nahrung aufnehmen. Diese Stoffe sind wichtig für den gelben Fleck der Netzhaut, der unsere Auge vor kurzwelligem blauen Licht schützt. „Sie wirken wie eine innere Sonnenbrille“, erklärt Griehl. Als Nahrungsergänzung können die aus den Algen gewonnen Carotinoide so vor grauem Star oder anderen Augenerkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) schützen. Ein Geschäft mit Zukunft. Gerade hat sich Carola Griehl einige besonders schnell wachsende carotinoidhaltige Algenstämme aus ihrer Sammlung patentieren lassen.

Inzwischen kommen viele Anfragen von Firmen, die sich für die Energiegewinnung mit Hilfe von Algen interessieren. Das liegt auch daran, dass Carola Griehl als Botschafterin des Wissenschaftsjahrs 2010 fungiert, das vom BMBF der „Zukunft der Energie“ gewidmet wurde. Die Professorin ist begeistert von ihrem Forschungsgebiet und damit eine ideale Botschafterin. „Manche nennen mich schon eine Alge“, erzählt sie lachend. Den jüngeren ihrer beiden Söhne hat sie schon für ihr Metier begeistert. In den Schulferien schaute er immer wieder mal im Labor vorbei. Mit zwölf Jahren hat er nun entschieden, dass er einmal Algenforscher werden will. Es bleibt ihm noch einiges zu entdecken.


Autorin des Textes: Ute Zauft

 

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