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Enormes Tempo der Evolution überrascht Pflanzenforscher

Jede dieser sechs Arabidopsis-Pflanzen trägt eine andere Mutation in ihrem Erbgut. Tübinger Forscher haben erstmals gemessen, wie schnell sich diese vererbbaren Veränderungen entwickeln. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Jede dieser sechs Arabidopsis-Pflanzen trägt eine andere Mutation in ihrem Erbgut. Tübinger Forscher haben erstmals gemessen, wie schnell sich diese vererbbaren Veränderungen entwickeln. Quelle: Detlef Weigel

05.01.2010  - 

Tübinger Entwicklungsbiologen haben in einer aufwendigen Genomstudie bei Pflanzen erstmals das Tempo der Evolution gemessen. Schrittmacher der Evolution sind Mutationen, Buchstabenveränderungen im Text der Erbsubstanz DNA. Das Team um Detlef Weigel untersuchte die genetische Entwicklung der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana über 30 Generationen hinweg und entzifferte das Erbgut aus Pflänzchen vom Anfang und Ende dieser Ahnenreihe. Ergebnis: Jeder x-beliebige Baustein in der DNA der Pflanze mutiert innerhalb einer Generation mit einer Wahrscheinlichkeit von sieben Milliardsteln. Das sei eine extrem hohe Geschwindigkeit, schreiben die Forscher in Science (1. Januar, Bd. 327, S.92). Dieses Tempo erkläre, weshalb Unkrautvernichtungsmittel oft bereits innerhalb weniger Jahre ihre Wirkung verlieren.

Sie ist das Lieblingsgewächs der Pflanzengenetiker: Die kleine Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Die Modellpflanze wächst in knapp acht Wochen vom Samen zur erwachsenen Pflanze heran, was einer Generation entspricht. Dazu ist die Ackerschmalwand recht genügsam und hat ein Erbgut, das insgesamt aus überschaubaren 120 Millionen Doppel-Bausteinen, sogenannten Basenpaaren (bp) besteht. Sie ist zudem die erste höhere Pflanze, deren Genom vollständig analysiert wurde, so dass heute ein sehr exakter genetischer Bauplan des kleinen Gewächses verfügbar ist. Gerade das machten sich nun ein deutsch-amerikanisches Team um Leibniz-Preisträger Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen zunutze:

MPI für Entwicklungsbiologie

Am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen werden die molekularen Grundlagen der Entwicklung von tierischen und pflanzlichen Modellorganismen erforscht.

Mehr Infos zum Institut: hier klicken

Die Forscher wollten erstmals unmittelbar nachverfolgen, wie schnell Arabidopsis im Laufe der Generationen Veränderungen in ihrem Erbgut ansammelt.

Frisch entstandene Mutationen aufgespürt

Sie ließen fünf Arabidopsis-Linien des Wildtyps je 30 Generationen, also etwa vier Jahre lang, wachsen und verfolgten, wo während dieser Zeit Mutationen im Erbgut ihrer Studienobjekte entstanden waren. Dazu wurden die kompletten Genome der Ausgangspflanzen und der Pflanzen der letzten Generation mit modernsten Sequenziertechnologien entschlüsselt und miteinander verglichen.

Am Ende waren in nur wenigen Jahren in jeder der fünf Linien im Durchschnitt 20 einzelne DNA-Bausteine verändert, berichten die Forscher. „ Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein beliebiger Buchstabe des Genoms innerhalb einer Generation verändert wird, liegt demnach bei rund sieben Milliardsteln“, so Weigel. Das erscheine zwar auf den ersten Blick nicht gerade beeindruckend, zeige aber, dass das Genom flexibler sei als gedacht: Es seien lediglich 60 Millionen Pflanzen nötig, damit im Schnitt an jeder Stelle des Erbguts eine Mutation vorkommt. Bei einer Pflanzenart, die Tausende Samen pro Generation produziert sind solche Zahlen relativ schnell erreicht.

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Bedenke man, wie viele DNA-Bausteine jedes einzelne Individuum hat und wie viele Individuen es von einer Art gibt, ergebe sich insgesamt ein enormes Tempo, schreiben die Wissenschaftler.

Hohe Mutationsrate beschleunigt Resistenzen

Laut den Forschern sind die neuen Daten für viele Bereiche der Biologie wichtig. So erklärt die relativ große Geschwindigkeit etwa, wie Pflanzen schon nach wenigen Jahren resistent gegen die Wirkung von Unkrautvernichtungsmitteln werden können. Die Ergebnisse sind auch für Evolutionsforscher von Interesse. Denn sie erlauben, die Abstammungsverhältnisse der Pflanzen besser zu charakterisieren.

So hat sich die Art Arabidopsis thaliana nach den Analysen der Forscher vermutlich nicht wie bislang angenommen vor 5, sondern schon vor 20 Millionen Jahren von der ihrer Schwesterart Arabidopsis lyrata getrennt. Durch ähnliche Genom-Analysen bei Nutzpflanzen oder Haustieren könnten Forscher ihre molekularen Datierungswerkzeuge neu justieren, um zum Beispiel Abstammungen oder etwa den  Zeitpunkt der Domestikation besser zu verstehen.

Alles wird genetisch durchgetestet

Schließlich helfe die neue Science-Studie auch, die genetische Entwicklung des Menschen zu verstehen. Übertrage man die Pflanzen-Ergebnisse auf die sechs Milliarden Menschen weltweit, so gebe es für jede Stelle im Erbgut Dutzende Erdbewohner, bei denen diese Position mutiert ist. Die Menschen sind somit für Weigel ebenfalls ein ständiges Experimentierfeld der Evolution: „Alles, was genetisch möglich ist, wird innerhalb recht kurzer Zeit durchgetestet.“

 

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