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Hans-Ulrich Demuth: Mit Hartnäckigkeit gegen Diabetes

Hans-Ulrich Demuth ist seit 2001 Forschungsvorstand der von ihm gegründeten Probiodrug AG in Halle und seit 2006 Professor für Pharmabiotechnologie an der Hochschule Anhalt. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Hans-Ulrich Demuth ist seit 2001 Forschungsvorstand der von ihm gegründeten Probiodrug AG in Halle und seit 2006 Professor für Pharmabiotechnologie an der Hochschule Anhalt. Quelle: Probiodrug AG

15.09.2009  - 

Mitten im Tumult der Wendezeit habilitierte Hans-Ulrich Demuth 1990 in Halle-Wittenberg im Fach Biochemie. Damals sah es düster aus für seine akademische Laufbahn. Doch dann unterstützte das BMBF seine Nachwuchsgruppe an der Universität Halle. Heute ist Demuth Forschungsvorstand der von ihm gegründeten Probiodrug AG. Den Wirkstoffkandidaten für Diabetes wird das Potenzial für einen Blockbuster zugesprochen.


Als Dr. Hans-Ulrich Demuth 1992 in Halle an der Saale seine Arbeitsgruppe zur Diabetes- Wirkstoffforschung mit Hilfe der Nachwuchsförderung „Neue Bundesländer“ gründete, war es sein einziges Ziel, gute Forschung zu machen. Heute kämpft er mit den Großen der Pharmabranche um Patente, Nutzungsrechte und Lizenzen. „Ihre Entwicklungen sind für die wissenschaftliche Gemein- schaft von zu geringem Interesse“, bedauerte im Jahr 1996 das renommierte Fachblatt „Nature“ und lehnte eine Veröffentlichung der Hallenser Nachwuchsgruppe „Wirkstoffforschung. Peptidwirkstoffe als Pharmaka-Proteineffektoren“ um den Biochemiker Hans-Ulrich Demuth ab.

Probiodrug AG
Die ProbioDrug AG in Halle hat sich neben Diabetes auch der Erforschung von Wirkstoffen gegen neurodegenerative Erkrasnkungen wie Alzheimer oder Autoimmunkrankheiten wie Rheuma verschrieben. Das BMBF fördert die grundlegenden Forschungen.
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Wirtschaftliches Potenzial schnell erkannt
„Stellen sie sich das einmal vor!“ Professor Dr. Demuth, heute Vorstand Forschung der Probiodrug AG in Halle, beugt sich vor, die Unterarme - noch immer entrüstet - auf den Tisch gestützt. Dann huscht ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht: „Seit zwei Jahren rennt mir eine Zeitschrift aus dem gleichen Hause hinterher, ich möge doch bitte einen Übersichtsartikel über unsere Entdeckungen schreiben“, sagt Demuth und beteuert schnell, dass er diesen auch fast fertig habe, für den endgültigen Schliff aber einfach die Zeit fehle. Kein Wunder: Der einstige Leiter der Nachwuchsforschergruppe ist heute ein gefragter Geschäftsmann. „Wir haben sehr schnell erkannt, dass unsere Entdeckung nicht nur wissenschaftlich, sondern auch ökonomisch wertvoll ist“, erklärt Demuth energisch, und ein Hauch des Tempos, das die Dinge damals bestimmt haben muss, liegt spürbar im Raum: die Entdeckung, der erste Patentantrag, die Firmengründung. Demuth packt die Dinge an, wo sie anfallen, und lässt sich auch von den Großen der Branche nur ungern die Butter vom Brot nehmen. Und tatsächlich: Die damals gering geschätzten Entdeckungen bieten heute innovative Ansätze zur Behandlung einer Volkskrankheit.
Hatte Demuths Team doch nichts Geringeres als einen neuen Ansatz zur Therapie der Alterszuckerkrankheit Diabetes mellitus Typ 2 gefunden und einen Wirkstoff entwickelt, der das Zeug zu einem pharmazeutischen Blockbuster hat. Geschätztes Marktpotenzial weltweit: bis zu zwei Milliarden Euro. Eine Tablette soll dann schaffen, was mit Insulinspritzen nicht gelingt: die Zuckerkrankheit an einer ihrer Ursachen zu bekämpfen.

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DP-4 -Hemmer können Insulinproduktion in Gang setzen
Neun von zehn Diabetikern leiden unter dem Typ 1 Diabetes. Die Erkrankung ist durch einen Verlust der insulinproduzierenden Zellen bedingt. Die Folge: Dem Körper steht nur noch wenig bis gar kein eigenes Insulin zur Verfügung. Beim Typ 2 Diabetes produziert der Körper – zumindest in der Anfangsphase – noch viel Insulin. Allerdings ist die Empfindlichkeit der Körperzellen auf das Hormon herabgesetzt; das heißt die Zellen sind insulinresistent. Insulinresistenz bedeutet, dass die Zellen nicht mehr richtig auf Insulin reagieren. Das will Demuth mit seiner Firma ändern.
Grundlage des Hallenser Wirkprinzips ist das Enzym Dipeptidylpeptidase kurz: DP-4. Das Enzym baut Hormone (so genannte Inkretine) ab, die nach der Nahrungsaufnahme in der Bauchspeicheldrüse die Insulinbildung in Gang setzen. 1996 bewies Demuth den therapeutischen Wert von DP-4-Hemmern an diabetischen Ratten und meldete ein Patent an. Das legte den Grundstock für die ein Jahr später gegründete Firma, die seit 2001 Probiodrug AG heißt und der Demuth gemeinsam mit seinem Studienfreund Konrad Glund vorsteht.

Raus aus der Universität, rein in die industrielle Forschung
Heute verfügt das Unternehmen über ein großes Portfolio an weiteren Patenten und setzt auch auf die Entwicklung von Pharmazeutika gegen andere metabolische, autoimmune und neuronale Erkrankungen. Pharmakonzerne aus aller Welt beobachten die Forschungen von Probiodrug auf Schritt und Tritt. Allüren kennt Demuth dennoch nicht. Gerne erinnert er sich an die Zeit als Nachwuchsgruppenleiter. An die „Diabetologen dieser Welt, die sich wie eine Mauer“ gegen das neue Prinzip stellten und an ein Team, das exzellent zusammenarbeitete. Die Gruppe war Demuths Sprungbrett raus aus der Universität, rein in die industrielle Forschung. Ein erster Schritt in die Selbstständigkeit also.
Dabei deutete zunächst alles auf eine wissenschaftliche Laufbahn hin: 1990 habilitierte Demuth an der Universität Halle-Wittenberg im Fach Biochemie. Es fehlte nur noch eine Berufung zum ordentlichen Professor, als die Nachwehen der Wende und die neue Strukturpolitik der Universität Demuths akademische Entwicklung erst einmal beendeten. An der Universität wurde umstrukturiert und umbesetzt. „Ich hätte allenfalls noch eine Chance als akademischer Rat gehabt.“ Für Demuth war das unvorstellbar, schließlich wollte er wissenschaftlich unabhängig sein. 1991 stellte sich Demuth daher der Jury des Bundesforschungsministeriums. Und gewann.

"Wer ausbildet, bildet sich weiter"
Als eine von zehn Biotechnologie-Nachwuchsgruppen in den neuen Bundesländern konnten die Hallenser nun ihre Arbeit fortsetzen und sich zwei Jahre später gar von der Universität emanzipieren. „Meine Arbeitsgruppe wurde zu einer Exklave des Hans- Knöll-Instituts in Jena, des heutigen Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie“, erzählt Demuth und betont den enormen wissenschaftlichen Freiraum, den die Gruppe durch diesen Wechsel erhielt. Wenige Jahre später, das Wissen um die Funktion der DP-4-Hemmer in der Tasche, emanzipiert sich Demuth noch einmal. Diesmal von seiner eigenen Arbeitsgruppe.

Aus dem Forscher wird ein Unternehmer. Dem Nachwuchs bleibt Demuth dennoch treu. Er selbst erfüllt als Hochschullehrer Lehraufträge an der Universität Jena und der Fachhochschule Anhalt; und bei Probiodrug arbeiten jedes Jahr bis zu sechs Diplomanden, vier Praktikanten und drei Doktoranden. „Wer ausbildet, bildet sich weiter“, sagt Demuth, „und hat außerdem ein interessantes Mitarbeiterpotenzial.“ Und wenn er Zeit findet, wird er auch den Übersichtsartikel für Nature Drugdiscovery schreiben. Bestimmt.

 

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