Wochenrückblick KW 37

14.09.2009

Drei neue Risiko-Gene für Alzheimer entdeckt

Massen-Gentests von mehreren tausend Alzheimer-Patienten haben drei bislang unentdeckte Risikogene für das Hirnleiden zutage gefördert.

Alzheimer ist die häufigste Demenzform in Deutschland. Sie betrifft etwa zwei Drittel der rund eine Million Demenzpatienten. Erstmals seit der Entdeckung des APOE4-Gens im Jahr 1993 ist es zwei internationalen Forscherteams mit deutscher Beteiligung gelungen, weitere Erbanlagen aufzuspüren, die das Risiko von Alzheimer erhöhen. Der Fund ist das Ergebnis mit insgesamt 19 000 Probanden bisher größten Suche nach Alzheimer-Genen.

Im Gehirn von Alzheimer-Patienten gehen Nervenzellen nach und nach zugrundeLightbox-Link
Im Gehirn von Alzheimer-Patienten gehen Nervenzellen nach und nach zugrundeQuelle: Quelle: MPI für Entwicklungsbiologie/ Jürgen Berger

Man sei dabei auf drei Erbanlagen gestoßen, die bei Alzheimer-Patienten in einer bestimmten Variante gehäuft aufträten, berichten die Forscherteams um den Franzosen Philippe Amouyel vom Institut Pasteur de Lille und um die Britin Julie Williams von der Cardiff University in zwei unabhängigen Studien im Fachblatt Nature Genetics (Online-Vorabveröffentlichung, 6.September 2009). Williams sprach vom "größten Fortschritt in der Alzheimer-Forschung seit 15 Jahren". An einer der beiden Studien waren auch deutsche Arbeitsgruppen beteiligt, die in dem vom BMBF- geförderten „Kompetenznetz Demenzen“ zusammengeschlossen sind (mit Standorten in Bonn, Essen, Erlangen, Freiburg und München). Die Wissenschaftler erhoffen sich von ihrer Entdeckung Fortschritte in der Diagnose und Therapie von Alzheimer.

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Wochenrückblick: Alzheimer erstmals in Echtzeit beobachtet

Menschen: Tobias Hartmann - Alzheiimer aufhalten

Förderbeispiel: KMU-innovativ: Neue Therapien für Alzheimer

Bei den Erbanlagen handelt es sich um das Gen CLU, das beide Forscherkonsortien unabhängig voneinander aufgespürt haben, sowie um die Gene CR1 und Picalm, die von je einem Team entdeckt wurden. Das CLU-Gen enthält die Bauanleitung für das Protein Clusterin, das schon früher in den für Alzheimer typischen Plaques entdeckt wurde. Experten gehen davon aus, das es am Abbau der Amyloid-beta-Proteine beteiligt ist, aus denen die Plaques bestehen. Eine ähnliche Rolle schreiben die Wissenschaftler dem Produkt des CR1-Gens zu. Das Picalm-Protein ist den Forschern zufolge am Stofftransport zwischen den Nervenzellen des Gehirns und damit an Gedächtnisfunktionen beteiligt.

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NRW investiert 40 Millionen Euro in Biotechnologie

Nordrhein-Westfalen investiert 40 Millionen Euro, um in den nächsten vier Jahren die Entwicklung neuer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für Volkskrankheiten wie Diabetes oder Krebs zu fördern.

Innovationsminister Andreas Pinkwart gab am 10. September den Startschuss für die zweite Runde des Wettbewerbs "Bio.NRW".

Startschuss für den 40 Millionen Euro schweren Förderwettbewerb: NRW Innovationsminister Andreas PinkwartLightbox-Link
Gab den Startschuss für den 40 Millionen Euro schweren Förderwettbewerb: NRW Innovationsminister Andreas PinkwartQuelle: Bio.NRW

Das Geld stammt aus dem NRW-EU Ziel 2-Programm. Die Mittel sollen helfen, Projekte an der Schnittstelle zwischen Biotechnologie und molekularer Medizin zu fördern, um beispielsweise neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für Volkskrankheiten wie Diabetes oder Krebs zu entwickeln. "Wir investieren in die Biotechnologie, um Nordrhein-Westfalen in diesem Bereich zur ersten Adresse für Forscher und Unternehmen in Europa zu machen", sagte Pinkwart in Düsseldorf.Bewerben können sich Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Hochschulen sowie Kommunen und Kommunalverbände. Die Gewinner werden im nächsten Frühjahr ermittelt.

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Wochenrückblick: "The Scientist" mit Sonderausgabe zur Biotechnologie in NRW

Förderung: Spitzencluster-Wettbewerb: Drei Finalisten aus der Biotechnologie

Gefördert werden Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie wirtschaftsnahe Infrastrukturvorhaben, wie beispielsweise Kompetenz- und Anwenderzentren. Das Bewerbungsverfahren verläuft zweistufig: In der ersten Stufe müssen die Bewerber ihre Idee in einer Projektskizze darstellen, die von einer unabhängigen Jury bewertet wird. Die positiv begutachteten Skizzen erhalten in der zweiten Stufe einen Aufruf zu einem konkreten Forschungsantrag. Die Bewerbungsfrist beginnt ab sofort und endet am 16. November 2009. Eine neunköpfige Jury entscheidet im nächsten Frühjahr über die Bewerbungen.

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Wie Wachstumsfaktoren in Geweben räumliche Karten aufbauen

Forscher aus Dresden haben erstmals genau beobachtet, wie bestimmte Signalstoffe durch lebende Gewebe reisen und den Zellen dadurch Orientierung verschaffen.

Wie sie in der Fachzeitschrift Nature (Online-Vorabveröffentlichung, 9.September 2009) berichten, haben sie mit einem neuen Verfahren nachgewiesen, wie sich ein wichtiges Signalmolekül im Gewebe verteilt. Der Stoff diffundiert offenbar frei durch die Zellzwischenräume und wird an einem Zielort quasi geschluckt.

Die Vorkommen des Botenstoffs Fgf8 sind grün gefärbt, an den markierten Stellen haben die forscher die Konzentration gemessen.Lightbox-Link
Die Vorkommen des Botenstoffs Fgf8 sind grün gefärbt, an den markierten Stellen haben die forscher die Konzentration gemessen.Quelle: TU Dresden

Konzentrationsgefälle von Signalmolekülen sind ein biochemischer Trick, mit dem einzelne Zellen ihre Position im Gewebe ablesen können. Je nach Konzentration des Signalstoffs werden in unreifen Zellen bestimmte Genprogramme angeschaltet. Sie bestimmen darüber, in welchen Typ sich die Zellen entwickeln werden. Die Signalmoleküle werden Morphogene genannt. Entwicklungsbiologen rätseln schon seit längerem, wie genau sich die Morphogene im Gewebe verteilen.

Die Forscher um den Entwicklungsbiologen Michael Brand vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und Biophysikerin Petra Schwille vom Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTECH) waren nun mit einer neuen Messtechnik dem Wachstumsfaktor Fgf8 auf der Spur .

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Wochenrückblick: Zellkommunikation im lebenden Organismus gemessen

Menschen: Petra Schwille- Liveshow in der Zelle

Mithilfe der hochempfindlichen Fluoreszenz-Korrelationsspektroskopie wiesen die Forscher nach: Die Konzentrationsverteilung entsteht durch einfache Diffusion. Das Signalprotein Fgf8 wird demnach von bestimmten Zellen gebildet und nach außen abgegeben. Dort ist der Fgf8-Gehalt dann am höchsten. Im Gewebe breitet sich das Molekül offenbar frei und ungerichtet aus. An einem bestimmten Ort im Gewebe dockt es an Zielzellen an und wird von den Zellen aufgenommen. Dadurch ist die Konzentration hier dann minimal. Insgesamt baut sich auf der Strecke ein Gefälle auf. Die neuen Erkenntnisse sind neben der Grundlagenforschung auch für die Entwicklung regenerativer Therapien von Bedeutung.


 

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Lasertechnik sortiert Würmer blitzschnell nach Entwicklungsstadien

Forscher aus Berlin und New York haben eine Technik entwickelt, mit der sich zehntausende Fadenwürmer im exakt gleichen Entwicklungsstadium sammeln lassen.

Wie Forscher des Max-Delbrück-Centrums  in Berlin und der New York University im Fachjournal „Nature Methods“ berichten (Online-Vorabveröffentlichung, 6. September 2009) eignen sich die so massenhaft gewonnenen Tiere für Genom-Analysen im Hochdurchsatzverfahren. Mit dem neuen Sortierungsverfahren konnten die Forscher bereits neue Einblicke in die Regulation der Gene in einer sehr frühen Entwicklungsphase erhalten.

Die Fadenwürmer oder Nematoden gehören zu den artenreichsten Stämmen des Tierreichs. Bislang wurden mehr als 20.000 Arten beschrieben.Lightbox-Link
Die Fadenwürmer oder Nematoden gehören zu den artenreichsten Stämmen des Tierreichs. Bislang wurden mehr als 20.000 Arten beschrieben.Quelle: Ralf Baumeister/ Universität Freiburg

Der Fadenwurm C. elegans ist einer der wichtigsten Modellorganismen in der Biologie. Trotz seiner vielen Vorzüge ist die Arbeit mit dem millimetergroßen Wurm bisweilen sehr mühsam. Besondere Fleißarbeit ist es, die Würmer nach bestimmten Entwicklungsstadien zu sortieren. Die winzigen Embryonen von C. elegans werden gängigerweise mit einer Mundpipette aufgelesen. Das sei ein zeitraubendes Verfahren, erläutert  Marlon Stoeckius, Doktorand am Berlin Institute for Medical Systems Biology, „wir hatten immer zu wenig exakt gleiche Entwicklungsstadien, um sie mit Hilfe moderner Hochdurchsatzmethoden zu vergleichen.“ Für solche Analysen sind mehrere zehntausende Embryonen in synchronen Entwicklungsstufen nötig.

Der Fadenwurm in der Forschung

Dossier: Nobelpreis für Chemie 2008

News: Nobelpreise 2006 im Zeichen der RNA

Wochenrückblick: Neue Rolle des Insulins beim Altern entdeckt

Das Berliner Team um den Systembiologen Nikolaus Rajewsky (mehr...) hat nun zusammen mit Fabio Piano in New York eine automatisierte Methode entwickelt, mit der sie innerhalb weniger Stunden zehntausende Wurm-Embryonen exakt nach Entwicklungsstufen sortieren und sammeln können. Dafür nutzten die Forscher das grün fluoreszierende Protein GFP, mit dem sie die Zellen in einem spezifischen Stadium markieren. Wenn der Embryo das Entwicklungsstadium erreicht hat, leuchtet er und kann genau dann mit einem Zellsortierer (FACS) ausgewählt werden.

Die Forscher benutzten ihre Technik, um die Rolle von kleinen RNA-Molekülen, die für die Genregulation wichtig sind, besser zu verstehen.  Es zeigte sich, dass diese Genregulatoren schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium des Fadenwurms genau aufeinander abgestimmt an- und abgeschaltet werden.Das kürzlich eingerichtete Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) des Max-Delbrück-Centrums wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit bis 2010 mit 7,5 Millionen Euro gefördert.


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Signalweg zur Therapie von Herzmuskelschwäche im Visier

Ein kürzlich entdeckter Signalweg in der Zelle liefert Biomedizinern womöglich einen neuen Ansatzpunkt für die Behandlung von Herzmuskelschwäche.

Das berichten Forscher der Medizinischen Fakultäten in Mannheim und Heidelberg im Fachmagazin PNAS (Online–Vorabveröffentlichung, 4. September 2009). Thomas Wieland und seine Mitarbeiter experimentierten mit bestimmten Eiweißen, sogenannten G-Proteinen.

Ein neu entdeckter Signalweg in der Zelle liefert Medizinern womöglich einen Therapieansatz für Herzmuskelschwäche.Lightbox-Link
Ein neu entdeckter Signalweg in der Zelle liefert Medizinern womöglich einen Therapieansatz für Herzmuskelschwäche.

Diese kleinen Enzyme spielen in der Zelle eine wichtige Rolle als „Kommunikationsstrategen“, sie regeln also die Weitergabe von Signalen.  Bisher nahmen Zellbiologen an, dass ein bestimmtes Signal von außen an die Zelle andockt und über Rezeptoren in der Membran ins Zellinnere weitergegeben wird. Dort werden dann als erstes Glied einer Signalkette die G-Proteine aktiv, die dann wiederum die Produktion eines zentralen Botenstoffs (cAMP) ankurbeln. Bei Herzzellen steuert diese Substanz die Geschwindigkeit und die Kraft des Herzschlags.

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News: Wie Herzmuskelschwäche und Bluthochdruck zusammenhängen

Menschen: Stefan Engelhardt - Netzwerken fürs Herz

Dossier: Proteomforschung

Wie die Forscher berichten, gibt es aber offenbar noch eine andere Möglichkeit, als die Produktion des zentralen Botenstoff cAMP über Signale von außen anzukurbeln. Ein Enzym mit dem Kürzel NDPK schafft es direkt vom Zellinnern heraus, den cAMP-Gehalt und damit die Kontraktionskraft von Herzzellen zu beeinflussen. Die Wissenschaftler untersuchten nun die Bedeutung des neuen Signalwegs im Tierexperiment. Dabei zeigte sich bei Zebrafischen, dass NDPK nicht nur die Aktivität der cAMP-Enzyms, sondern auch den Gehalt an anderen G-Proteinen reguliert. Die Folge: Bei Fischen mit einer gestörten NDPK Balance nahm die Herzfunktion drastisch ab. Die Wechselwirkung der NDPK mit G-Proteinen scheint nach Ansicht der Forscher von grundlegender Bedeutung für eine intakte Zell-Zell-Kommunikation zu sein.  Da in früheren Untersuchungen eine stark erhöhte Menge an NDPK in Herzzellen von Patienten mit schwerer Herzmuskelschwäche festgestellt wurde, könnten die Ergebnisse Ausgangspunkt für neue Therapieansätze von Herzmuskelschwäche und anderen Erkrankungen mit veränderter Zell-Zell-Kommunikation über G-Proteine sein.

Astrozyten unterstützen Gehirnzellen beim Lernen

Sternförmige Zellen im Gehirn, die so genannten Astrozyten, greifen aktiv in den Informationsaustausch zwischen Nervenzellen ein und helfen damit beim Lernen.
Das haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried herausgefunden. Wie sie im Fachjournal Nature Neuroscience (Online-Vorabveröffentlichung 6.September 2009) berichten, kommt den Sternzellen eine wichtige Rolle beim Aufbau von Zellkontakten zu.

Einige Kontaktpunkte zwischen Nervenzellen (rot) sind von sternförmigen Zellen umgeben (grün), den Astrozyten.Lightbox-Link
Einige Kontaktpunkte zwischen Nervenzellen (rot) sind von sternförmigen Zellen umgeben (grün), den Astrozyten.Quelle: MPI Martinsried

Die neuen Erkenntnisse helfen, Lernvorgänge und die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) besser zu verstehen.  Lernvorgänge gehen einher mit einer besseren Verdrahtung von Nervenzellen im Gehirn. Dabei werden die Synapsen, die Kontaktstellen zwischen zwei Neuronen, durch das Lernen verstärkt.  Das geschieht über die vermehrte Ausschüttung des Botenstoffs Glutamat in den synaptischen Spalt zwischen den beiden Nevenzellen.

Lange Zeit galten die Astrozyten als passive Nährzellen, die die Gehirnneuronen umgeben und sie reifen lassen. Die MPI-Forscher um Rüdiger Klein fanden nun: Die sternförmigen Zellen greifen aktiv in den Informationsaustausch ein, indem sie den Botenstoff Glutamat aus dem synaptischen Spalt entfernen. Für diese Aufgabe besitzen die Astrozyten bestimmte Transporter in ihrer Zellmembran, die „wie kleine Glutamat-Staubsauger“ funktionieren, so Klein. Überschüssiges Glutamat in der Synapse läuft mit ihrer Hilfe nicht Gefahr, zu einer benachbarten Neuronenkontaktstelle überzuschwappen. 

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News: Wie neue Nervenzellen das Lernen ankurbeln

News: Wie das Ohr mit dem Gehirn spricht

Menschen: Peter Jonas - Auf der Suche nach den Gedanken

Die Forscher konnten nun zeigen, dass die nachgeschaltete Nervenzelle und der Astrozyt miteinander kommunizieren und so die Menge der Glutamat-entfernenden Transporter regulieren. An dem Kommunikationsprozess ist offenbar das Signalmolekül EphrinA3 und sein Rezeptor, das EphA4 beteiligt. Das Team möchte nun herausfinden, über welche Mechanismen die beiden Moleküle die Bildung der Glutamat-Transporter beeinflussen, wo dieser Transporter genau liegt und wie er funktioniert. Fehlfunktionen der Astrozyten-Transporter spielen auch eine Rolle bei neurologischen und neurodegenerativen Krankheiten wie der Epilepsie und der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

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