Wie Herzschwäche und Bluthochdruck zusammenhängen
30.04.2008 -
Meist entwickelt sich eine Herzschwäche über einen längeren Zeitraum und tritt bei älteren Menschen auf. Das Herz kann dann nicht mehr genug Blut in den Körper pumpen und der Herzmuskel vergrößert sich, um diesen Mangel auszugleichen. Häufig kommt es vor, dass das Herz die erhöhte Pumpleistung nicht mehr schafft und es zum Herzstillstand kommt. Ein Hauptrisikofaktor ist dabei Bluthochdruck. Wissenschaftler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch haben nun gemeinsam mit Kollegen von Charité und Helios sowie von Boehringer Ingelheim und Hoffmann-La Roche ein Gen aufgespürt, das in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielt. Wie die Forscher im Fachmagazin Nature Genetics (2008, Vol. 40, S. 529-537) berichten, führen genetische Variationen dieses Gens offenbar dazu, dass bei Bluthochdruck schützende körpereigene Substanzen fatalerweise abgebaut werden und auf diese Weise eine Herzschwäche entstehen kann.
Im Jahr 2006 sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes über 47.000 Menschen in Deutschland an Herzschwäche gestorben. Damit liegt diese Erkrankung nach der Verengung der Blutgefäße im Herzen (ischämische Herzkrankheit) und dem Herzinfarkt auf Platz drei der häufigsten Todesursachen.
Meist entwickelt sich die Herzinsuffizienz über einen längeren Zeitraum und tritt beim Menschen erst im Alter auf. Das Herz kann dann nicht mehr genug Blut in den Körper pumpen. Der Herzmuskel vergrößert sich, um diesen Mangel auszugleichen. Häufig kommt es vor, dass das Herz die erhöhte Pumpleistung nicht mehr schafft und es zum Herzstillstand kommt. Ein Hauptrisikofaktor ist dabei Bluthochdruck. „Dennoch führt Bluthochdruck nicht bei allen Patienten zu einer Herzschwäche“, erläutert Jan Monti, Kliniker an der Charité, das Phänomen. „Bluthochdruck verursacht eine Vorschädigung des Herzens und erhöht lediglich das Risiko an Herzschwäche zu erkranken. Ein weiterer Faktor muss eine Rolle spielen.“
Genetische Rasterfahndung: „SNPs“ (ausgesprochen als „snips“) sind unter Wissenschaftlern derzeit in aller Munde – bei Fachleuten als single nucleotide polymorphisms bekannt. Hinter diesem Begriff verbergen sich winzige genetische Abweichungen im Erbgut, die für eine Reihe von Krankheiten von Bedeutung sein können. mehr |
Wenn schützende Substanzen fatalerweise abgebaut werden
Es gibt einen Rattenstamm (SHRSP), dessen Tiere zwar unter Bluthochdruck leiden, aber keine Herzschwäche ausbilden. Bei Ratten eines zweiten Stammes (SHHF) hingegen tritt die Herzschwäche als Folge des Bluthochdrucks auf. Ein Vergleich beider Stämme ergab, dass SHHF-Ratten bestimmte genetische Variationen besitzen, die den SHRSP-Ratten fehlen, die nicht an Herzschwäche erkranken. Wissenschaftler nennen diese Variationen kurz SNPs – einzelne DNA-Bausteine, die in einem Gen verändert sind, das die Bauanleitung von Enzymen enthält. „Die SNPs in dem Gen Ephx2 führen in den SHHF-Ratten zu einer vermehrten Produktion des Enzyms Epoxidhydrolase“, erklärt Norbert Hübner vom MDC. Der Genomforscher hat maßgeblich dazu beigetragen, das sich genetische Veränderung bei Ratten leichter aufspüren lassen. In der gleichen Ausgabe des Fachmagazins Nature Genetics (2008, Vol. 40, S. 560-566) stellt er gemeinsam mit japanaischen Forschern eine Genomkarte mit über 300 verschiedenen Rattenstämmen vor, mit deren Hilfe sich drei Millionen SNPs des Rattengenoms lokalisieren lassen.
Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Herzschwäche und Bluthochdruck haben die Wissenschaftler mithilfe der Untersuchungen an den Ratten folgendes herausgefunden: Im gesunden Körper baut das Enzym Epoxidhydrolase körpereigene Substanzen (Epoxide) ab, die in Gefahrensituationen das Herz schützen. Tritt wie bei Bluthochdruck eine Überlastung des Herzens auf, blockiert der Körper das Enzym und die Epoxide können ihre unterstützende Wirkung entfalten. „Die von uns beobachtete Genvariation verhindert jedoch die Blockade des Enzyms“, führt Hübner weiter aus. Durch die Variation ist die Epoxidhydrolase auch bei Überlastungen des Herzens aktiv und baut fatalerweise die helfenden Epoxide ab. „Die Selbsthilfe des Körpers fällt damit weg“, sagt er. Ohne Epoxide kann jetzt bei Bluthochdruck eine Herzschwäche entstehen.
Noch ein weiter Weg bis zur Umsetzung in die Klinik
Die Epoxidhydrolase stand schon lange im Verdacht, eine Rolle bei der Entstehung der Herzinsuffizienz zu spielen. „Doch ein Kandidatengen ist noch kein Beweis“, sagt Friedrich Luft, ebenalls Forscher am MDC und einer der Koautoren der Publikation. Es hat mehr als vier Jahre gedauert, bis die Wissenschaftler das dazugehörige Gen identifizieren konnten. Kliniker wie Forscher hoffen jetzt auf die Entwicklung neuer Diagnose- und Therapiemöglichkeiten. „Erste Tests mit Epoxidhydrolase-Hemmern werden an Tieren bereits durchgeführt“, so Monti. „Der Weg in den Klinikalltag ist jedoch noch lang.“