Christine Peinelt: Tango aktiviert Tausendsassas
30.04.2009 -
Ein ausgeklügeltes Immunsystem schützt unseren Körper vor schädlichen Krankheitserregern. Milliarden von Immunzellen wachen unablässig darüber, dass Erreger sich nicht im Körper festsetzen können. „Eine wichtige Rolle nehmen dabei die T-Zellen ein,“ erklärt Juniorprofessorin Christine Peinelt. Letztes Jahr wurde die Biologin für ihre Arbeiten mit dem 8000 Euro dotierten Pfizer-Forschungspreis der Medizin geehrt. Die 34jährige fand heraus, durch welche Mechanismen die T-Zellen aktiviert werden – und legte damit den Grundstein für neue Behandlungsmöglichkeiten nach Organtransplantation.
T-Zellen sind mikroskopisch kleine Tausendsassas: In ihrer Funktion als T-Helferzelle leiten sie andere Zellen bei der Immunabwehr-Abwehr an, als Killerzelle machen sie unerwünschten Mikroorganismen den Garaus und als Gedächtniszelle sorgen sie für schnellen Schutz bei wiederholten Angriffen. Peinelt fand heraus, wie die T-Helferzellen zu Hilfe gerufen werden. "Die T-Helferzellen werden durch einen wichtigen Ionenkanal in der Zellmembran aktiviert“; erläutert die Wissenschaftlerin. Ionenkanäle sind wie kleine Türchen in der Zellmembran. Sie bestimmen unter anderem, welche Moleküle innerhalb der Zelle eine Wirkung erzielen und welche nicht. Auch wirken einige Medikamente durch gezielte Interaktion mit Ionenkanälen.
Himmlische Pforte im Visier
Im Fokus von Peinelts Forschung steht ein Kalzium-Ionenkanal. Er trägt den poetischen Namen „Bewahrer der himmlischen Pforte“ - oder kurz Orai (CRACM) genannt. Hoch kompetitiv suchten viele internationale Forscherteams nach diesem Ionenkanal - Peinelt und ihre ehemaligen Kollegen am Center of Biomedical Research in Honolulu fanden ihn vor drei Jahren als eine der Ersten. Bei der Aktivierung des Orai-Kanals gilt: „It takes two to tango – zum Tango braucht man zwei“.
Während einer Immunantwort werden die intrazellulären Kalziumspeicher entleert, die Sensorproteine STIM lagern sich in Clustern zusammen und aktivieren die Orai- Kanäle in der Plasmamembran. Als Folge davon strömt Kalzium in die Zelle ein und aktiviert wichtige Gene der Immunabwehr. „Diese Entdeckung bescherte uns nicht nur Publikationen in den renommierten Zeitschriften Nature Cell Biology und Science, sondern öffnete auch mir neue, berufliche Perspektiven“, erinnert sich die gebürtige Berlinerin.
Lebenslauf |
2009 Pfizer-Forscherpreis, Junioprofessorin Institut für Biophysik an der Universität des Saarlandes & Nachwuchsgruppenleiterin Emmy Noether-Programm 2005-2007 Universität Hawaii: Center for biomedical Research 2000-2004 Universität Konstanz, Studium der Biologie & Diplom 1974 geboren in Berlin |
So kehrte Peinelt 2006 von Hawaii nach Deutschland zurück – als Juniorprofessorin des Instituts für Biophysik an der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes in Homburg. „Deutschland machte mir damals ein herausragendes Angebot,“ schwärmt die Wissenschaftlerin. „Das Stipendium aus dem Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft bescherte mir 1,3 Millionen Euro“. Ein Angebot, das man nicht ausschlägt – zumal Peinelt frische Brezeln und die deutsche Pünktlichkeit in der Ferne sehr vermisst hat.
Orai: Großes Potenzial bei Organtransplantation
„Menschen mit defekten Orai-Gen sind stark immundefizient“, erklärt Peinelt. Für Patienten nach einer Organtransplantation könnte also die Entdeckung von Orai einen Segen bringen. Die Idee der Forscher: Durch eine Blockade des Kanals könnte die Immunantwort ausgeschaltet werden, um die Abstoßung eines transplantierten Organs zu verhindern. Das neu gewonnene Wissen lässt sich also gezielt nutzen. Jetzt müssen die Forscher neue Moleküle finden und prüfen, die diesen Ionenkanal blockieren, und somit die ungewollte Abstoßung eines neuen Organs verhindern.
Zukunftsplan: Familie und Wissenschaft vereinen
Derzeit charakterisieren die Juniorprofessorin und ihr dreiköpfiges Team die Ionenkanäle in verschiedenen Zellen des Immunsystems. „Bevor wir an Organtransplantation denken können, steht erst einmal die pharmakologische Charakterisierung des Kanals an,“ erklärt Peinelt. Die Wissenschaftlerin ist sehr stolz auf ihr kleines, aber feines Forscherteam. „Alle sind auf ihrem Gebiet sehr kompetent und arbeiten extrem zuverlässig und akkurat,“ freut sie sich. Somit kann sich Christine Peinelt jetzt etwas zurücklehnen und ihr frisches Mutterglück genießen. „Das Kinderlachen von meinem Sohn ist unbezahlbar,“ sagt Peinelt. „Wenn ich den Kleinen anschaue, dann geht mir das Herz auf.“ Auch der Leiter des Instituts für Biophysik, Markus Hoth, geht in puncto Vereinbarkeit von Familie und Arbeit mit bestem Vorbild voran. Peinelt: „An meinem ersten Arbeitstag hat er mir gleich nach Vorstellung der Forschungseinrichtung den Kindergarten gezeigt.“
Autorin: Andrea van Bergen