Alle Eiweiße der Hefe im Visier
09.10.2008 -
Schon seit 30 Jahren versuchen Forscher, die Gesamtheit der Eiweiße in einem Organismus zu erfassen. Doch technologische Grenzen machten dies bisher nicht möglich. Nun ist es Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried gelungen, insgesamt 4399 verschiedene Eiweiße der Bäckerhefe zu identifizieren. Wie die Forscher im Fachmagazin Nature (Online-Vorabveröffentlichung, 29. September 2008) berichten, verändert sich offenbar das Protein-Set der Hefe im Laufe ihres Lebenszyklus.
Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 beschäftigen sich Wissenschaftler nicht nur mit Genen, sondern auch mit den Eiweißen. Sie sind die molekularen Arbeitstiere eines jeden Organismus und ihre Baupläne sind auf den Genen gespeichert. Protemforscher beschäftigen sich nun damit, die Gesamtheit der Eiweiße eines Organismus - das Proteom - zu identifizieren. Davon erhoffen sie sich, die Entwicklung und Lebensfähigkeit von Organismen sowie die Entstehung von Krankheiten besser zu verstehen und zielgerichtete Therapeutika zu entwickeln.
Bäckerhefe als ideales Versuchsobjekt
Neben Fruchtfliege, Zebrafisch und Maus zählt die Hefe zu den wichtigsten Modellorganismen der Zellbiologen. Wie menschliche Zellen besitzen auch Hefen doppelte Chromosomensätze. Da ihre Eiweiße denen in Säugerzellen sehr ähnlich sind, wird die Hefe unter anderem dazu benutzt, biotechnologische Wirkstoffe herzustellen.
Hintergrund |
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Vor zwölf Jahren wurde das Erbgut der Hefe entschlüsselt – als erster zellkernhaltiger Organismus überhaupt. Nun haben sich Forscher um Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie das Proteom der Hefe vorgenommen. Wie die Forscher im Fachmagazin Nature berichten, haben sie insgesamt 4400 Eiweiße identifiziert. Dafür setzten die Forscher eine spezielle Massenspektrometrie ein, die sogenannte SILAC-Technik (Stable Isotope Labeling by Amino Acid by Cell Culture). Damit lassen sich nicht nur alle Eiweiße ermitteln, die sich gerade in einer Hefezelle befinden, sondern auch ihre exakte Menge.
Für Proteomiker ist die Hefe besonders interessant, weil ihre Zellen in zwei Formen vorkommen: als Körperzellen und als Sperma. Beide Zellarten (diploid und haploid) besitzen identische Gene, benötigen jedoch für ihre unterschiedliche Lebensweise und Funktion ein völlig unterschiedliches Eiweiß-Set. Im Vergleich konnten die Wissenschaftler nun jene Eiweiße aufspüren, die bei der Fortfplanzung eine besondere Rolle spielen. Ein solcher Vergleich hilft auch beim Menschen weiter: So weisen Leber- und Muskelzellen eines Menschen ebenfalls eine gleiche genetische Zusammensetzung auf, obwohl sie völlig unterschiedliche Funktionen im Körper ausüben.
"Wir haben bewiesen, dass es mit unserem Forschungsansatz möglich ist, dass gesamte Proteom eines Organismus aufzuklären. Jetzt müssen wir die Methoden verfeinern und unsere Analysen ausdehnen, um weitere Proteome zu entschlüsseln", sagt Matthias Mann. "Das ist ein echter Durchbruch", kommentiert Zellbiologe Alfred Nordheim von der Univeristät Tübingen die Ergebnisse. "Vielleicht fehlt noch das ein oder andere Protein, aber im Großen und Ganzen wurde das gesamte Proteom erfasst."
MPI-Forscher Mann will nun auf europäischer Ebene stärker mit anderen Proteomforschern zusammen arbeiten. Dazu wurde erst kürzlich ein internationales Konsortium (PROSPECTS: PROteomics SPECification in Time and Space) gebildet, das seit diesem Jahr von der Europäischen Kommission mit 12 Millionen Euro für fünf Jahre unterstützt wird. Das PROSPECTS-Konsortium plant, aktuelle Proteom-Forschung durch Entwicklung neuer Technologien und Instrumente voranzubringen. So ist neben zahlreichen Forschungseinrichtungen auch das Unternehmen Thermo Fisher beteiligt.