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Wenn Bakterien chemische Kampfstoffe einsetzen

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Bakterien schließen sich oft zu Biofilmen zusammen und wehren sich gegen Feinde mit chemischen Waffen. Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

23.07.2008  - 

Bakterien sind gesellige Organismen: Sind hinreichend viele auf einem Fleck versammelt, dann schließen sie sich zu Lebensgemeinschaften zusammen. Für den Menschen sind solche Biofilme mitunter sehr gefährlich – weil man sie kaum bekämpfen kann, bilden sie sich ziemlich schnell auf Kathetern oder Implantaten und lösen Infektionen aus. Wissenschaftler um Carsten Matz vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung haben jetzt entdeckt, dass Biofilme nicht nur ein Problem, sondern womöglich auch eine Quelle für neue Arzneiwirkstoffe sind. Wie sie im Fachmagazin PLoS ONE (2008, 23. Juli) berichten, wehren sich die Bakterien in Gemeinschaft mit chemischen Waffen, die sie allein nie herstellen könnten.

Wer sich mit Biofilmen beschäftigt, der entdeckt ziemlich schnell: Ein Bakterium kommt selten allein. Wenn sich viele dieser Mikroorganismen zusammengeschlossen haben, dann bezeichnen Wissenschaftler das als Biofilm. Diese entstehen überall dort, wo sich die Bakterien anheften können. Tückisch ist, dass weder Desinfektionsmittel und Antibiotika noch unser Immunsystem diese Biofilme vernichten können. Für Krankenhäuser ist das ein besonderes Problem. Biofilme entstehen sehr oft auf Kathetern oder Implantaten. Weil man ihrer aber nicht habhaft werden kann, lösen sie dort schwere Infektionen aus.

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Wehrhafte Biofilme: Sie wollen selbst in die Welt der Biofilme eintauchen? Dann lassen sie sich von Carsten Matz einfach mitnehmen.

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Woher kommt standhafte Abwehr der Bakterien in Biofilmen?

Schon seit langem wollen Wissenschaftler deshalb herausfinden, wie sich Biofilme so standhaft gegen Angreifer wehren können – etwa gegen Fresszellen des Immunsystems. Dieser Prozess war bisher nämlich kaum verstanden. Wissenschaftler um Carsten Matz vom  Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben nun gemeinsam mit Kollegen aus Australien, Großbritannien und den USA nach einer Erklärung gesucht. Als Untersuchungsmodell wählten sie Meeresbakterien, die ständig von anderen Eizellern wie Amöben bedroht werden. Amöben funktionieren dabei ähnlich den Fresszellen des menschlichen Immunsystems: Sie suchen nach Bakterien und fressen sie. Aber wie bei den menschlichen Fresszellen können sie nur einzelne Bakterien vernichten, gegen Biofilme sind Amöben machtlos. „Das Erstaunliche ist, dass die Einzeller, die die Biofilme attackieren, inaktiviert oder sogar getötet werden. Offenbar bauen Bakterien nicht nur eine Wagenburg, die schießen auch zurück“, erläutert Carsten Matz die Untersuchungsergebnisse.

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Chemischer Kampfeinsatz als neues Potenzial für Wirkstoffe

Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er herausgefunden, wie das "Schießen" abläuft. Ihre Entdeckung: Die Bakterien setzen regelrecht chemische Kampfstoffe ein. Ein bei den Meeresbakterien verbreitetes und hochwirksames Molekül ist das Pigment Violacein. Ist die Wagenburg fertig, schimmert der Biofilm zart violett. Fressen die Angreifer dann nur eine einzige Zelle des Biofilms – und damit auch das Pigment in dieser Zelle – lähmt das den Angreifer augenblicklich und das Violacein startet in den angreifenden Amöben ein Selbstmordprogramm. 



„In dem Ergebnis sehe ich die Chance für einen Perspektivwechsel“, sagt Carsten Matz. „Biofilme sind damit nicht länger nur ein Problem, sondern möglicherweise auch eine Quelle für neue Wirkstoffe. Sie produzieren in der Gemeinschaft hochwirksame Substanzen, die in einzelnen Bakterien nicht vorkommen.“

Und die Wissenschaftler sehen in diesen Substanzen das Potenzial, eine besondere Sorte Krankheitserreger zu bekämpfen: Einzellige Parasiten, die Infektionen wie die Schlafkrankheit oder Malaria verursachen. Diese Erreger sind den Amöben sehr ähnlich – und mit den Biofilm-Waffen möglicherweise behandelbar.

 

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