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Aufgedeckt: Zebrafinken mit speziellem Gendefekt lernen schlechter singen

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Zebrafinken, bei denen das FOXP2-Gen stumm gestaltet wurde, lernten schlechter singen. Quelle: MPG

05.12.2007  - 

Wenn Menschen Worte und Sätze bilden, geschieht dies durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Nervenzellen im Gehirn. Schon seit einiger Zeit verdichten sich die Hinweise, dass das Gen FOXP2 in diesem Netzwerk eine entscheidende Rolle spielt: Personen, bei denen dieses Gen defekt ist, haben Artikulationsstörungen und ein mangelndes grammatikalisches Verständnis. Was genau durch FOXP2 beeinflusst wird, ist allerdings nach wie vor unklar. Um dieses Rätsel zu lüften, haben sich Neurobiologen um Constance Scharff von der Freien Universität Berlin schon seit einigen Jahren den Zebrafinken als Modellorganismus zugewandt, weil diese Vögel das Singen auf ähnliche Weise lernen wie Menschen das Sprechen. In einem ersten Schritt konnten sie nachweisen, dass diese Vögel ebenfalls das FOXP2-Gen besitzen. Nun sind die Wissenschaftler wieder ein Stück vorangekommen: Sie haben bei den Tieren erstmals einen kausalen Zusammenhang zwischen Gendefekt und korrektem Erwerb von Lautäußerungen gezeigt. Wie das Team um Scharff im Fachmagazin PLoS Biology (4. Dezember 2007, online) berichtet,  lernen junge Zebrafinken ohne FOXP2 deutlich schlechter singen als Artgenossen mit inaktem Gen.

Die menschliche Sprache ist ein Gemeinschaftsprodukt, das durch das Zusammenwirken verschiedenster Nervenzellen zustandekommt: Bestimmte Gehirnschaltkreise weisen Worten Bedeutungen zu. Andere verknüpfen sie zu sinnvollen Sätzen. Dritte wiederum sorgen dafür, dass die Zunge und der Mund diesen Sätzen Klang verleihen. Das alles lernt der Mensch in seiner Kindheit, indem er anderen zuhört und sie imitiert.

2001 entdecken Forscher ersten Hinweis auf Gendefekt

Die ersten Hinweise, dass das Gen FOXP2 diese Prozesse beeinflusst, wurden im Jahr 2001 aufgedeckt. Damals machten Wissenschaftler der Universität Oxford dieses Gen bei Mitgliedern einer Familie mit einer auffälligen Sprachstörung ausfindig (Nature, 4. Oktober 2001, S. 519-523). Diese hatten Schwierigkeiten bei der Artikulation. Die Forscher machten dabei eine Mutation im FOXP2-Gen verantwortlich, auf dem der Bauplan für einen speziellen Transkriptionsfaktor abgespeichert ist. Transkriptionsfaktoren steuern die Ableserate anderer Gene und beeinflussen somit, welche Eiweiße die Zelle schließlich produziert. 

Im Jahr 2002 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe um Svante Päabo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig Untersuchungen über die molekulare Evolution von FOXP2 beim Menschen (Nature, 22. August 2002, S. 869-72). Sie verglichen dabei die DNA-Sequenz des intakten FOXP2 Gens beim Menschen mit der Sequenz von Menschenaffen sowie Mäusen. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass das menschliche FOXP2 Gen eine ganz spezifische Sequenzvariation aufweist, die sie bei den anderen Spezies nicht nachweisen konnten. Diese geringfügige Änderung könnte im Zuge der Evolution eine ganze Kette von weiteren Änderungen nach sich gezogen haben, so die Vermutung der Forscher. Die Leipziger fanden Hinweise dafür, dass die menschliche Form von FOXP2 für seinen Träger vorteilhaft gewesen sein muss und daher vermutlich maßgeblich mit der Entwicklung der menschlichen Sprache verknüpft ist.

Mit Vögeln als Modellorganismen Rolle von FOXP2 aufklären

Im Gegensatz zu Mäusen und Menschenaffen lernen zahlreiche Vogelarten ihre Gesangsmuster ähnlich wie Menschen das Sprechen. Um der Rolle von FOXP2 beim Spracherwerb genauer auf den Grund zu gehen, hat sich die Neurobiologin Constance Scharff, damals Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, den Gesang lernenden Vögeln zugewandt – in der Hoffnung, dort einen dem Menschen ähnlichen Modellorganismus zu finden, an dem sich die genetischen Ursachen für Sprachdefekte näher untersuchen lassen. Zusammen mit Sebastian Haesler sowie Wissenschaftlern von der amerikanischen Duke-Universität, Erich Jarvis und Kazuhiro Wada, verglich sie zunächst die Aktivität von FOXP2 im Gehirn Gesang lernender Vögel – wie  Zebrafinken, Kanarienvögeln, Sittichen, Spatzen, Meisen und Kolibris – sowie nicht Gesang lernender Vögel, wie zum Beispiel Ringeltauben. Darüber hinaus studierten die Forscher das Gen bei den nächsten Verwandten der Vögel, den Krokodilen. Wie das Team um Scharff 2004 berichtete (Journal of Neuroscience, 31. März 2004), ähnelt das FoxP2-Gen beim Zebrafinken dem des Menschen am meisten, weist allerdings nicht die beim Menschen gefundenen charakteristischen Sequenzvariationen auf. Die Gehirnregionen, in denen FOXP2 aktiv ist, sind jedoch bei Vögeln und Menschen vergleichbar. Bei den Gesang lernenden Vögeln ist es im Areal X überdurchschnittlich oft aktiv, das den sogenannten Basalganglien beim Menschen entspricht.

RNA-Interferenz
Einst wurde die Ribonukleinsäure (RNA) als arme Verwandte der Desoxyribonukleinsäure (DNA) verspottet: Forscher wollten ihr kaum mehr als Boten-Dienste bei der Eiweißherstellung zugestehen. Inzwischen hat sich das Bild gewandelt, weil sich immer mehr herausstellt, dass RNA-Moleküle eine weitaus wichtigere Rolle im komplexen Zellsystem übernehmen. Mehr

Mit RNA-Interferenz der Rolle des Sprachgens auf der Spur

Auf der Basis dieser Ergebnisse haben sich die Forscher um Constance Scharff intensiver den Zebrafinken zugewandt, um der Rolle von FOXP2 noch genauer zu entschlüsseln. Zebrafinken lernen Gesänge, die der menschlichen Sprache ganz ähnlich sind – mit unterschiedlichen Silben, die strukturierte Reihenfolgen ergeben. Auch der Lernvorgang an sich ist bei Vögeln und Menschen ähnlich. Beide eignen sich ihre Lautfolgen an, indem sie ältere Artgenossen imitieren.

Für ihre Experimente haben sich die Wissenschaftler nun erstmals des RNA-Interferenz-Verfahrens bedient, mit dem sich einzelne Gene gezielt ausschalten lassen und für das im Jahr 2006 der Medizin-Nobelpreis verliehen wurde (mehr...). Auf diese Weise reduzierten sie die Aktivtät von FOXP2 in Teilen des Areals X im Vogelhirn und senkten dort das Level an sonst üblicherweise produzierten  Transkriptionsfaktoren.  "Wir haben jeden Zebrafinken dann zusammen mit einem erwachsenen Zebrafinken-‚Tutor’ in einem schallisolierten Käfig gehalten", erklärt Scharffs Mitarbeiter Sebastian Haesler. Nach etwa 70 Tagen gaben Vögel mit intaktem FOXP2 die Gesänge der älteren Artgenossen exakt wieder. "Zebrafinken, bei denen das Gen stumm geschaltet worden war, imitierten die Silben ihrer Lehrer weniger präzise", sagt Haesler. Zudem ließen sie Silben aus.

Genau solche Symptome zeigen auch die vom FOXP2-Defekt betroffenen Menschen, die an der Sprachstörung Developmental Verbal Sypraxia leiden. "Wir wissen zwar immer noch nicht, was FOXP2 genau macht", sagt Scharff. Aber offenbar st FOXP2 nicht nur an der Entwicklung von Gehirngegenden beteiligt, die für das Sprechen und Singen notwendig sind, sondern beinträchtigt womöglich auch motorische Funktionen wie die Kehlkopfbewegung oder das Abspeichern der zu lernenden Gesänge. "Wir vermuten jedoch, dass es die zellulären Mechanismen des Lernens beeinflusst", so Scharff weiter. Welche genau, das müssen nun weitere Experimente zeigen.

 

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