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Weltweites 1000-Epigenome-Konsortium formiert sich

Kleine chemische Anhängsel an der Erbsubstanz DNA, sogenannte Methylgruppen, bestimmen darüber, ob Gene überhaupt abgelesen werden können. Forscher wollen diese epigenetischen Markierungen nun in allen Zelltypen des Menschen vermessen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Kleine chemische Anhängsel an der Erbsubstanz DNA, sogenannte Methylgruppen, bestimmen darüber, ob Gene überhaupt abgelesen werden können. Forscher wollen diese epigenetischen Markierungen nun in allen Zelltypen des Menschen vermessen. Quelle: Max-Planck-Institut für Informatik/Bock

23.02.2010  - 

Die Entzifferung des menschlichen Genoms gilt als Meilenstein der Menschheitsgeschichte. Doch der genetische Code erzählt nur wenig darüber, welche besonderen Eigenschaften eine Zelle im Körper ausmachen. Vielmehr bestimmen chemische Markierungen auf der DNA und den sie umgebenden Proteinen, nach welchem Muster Gene im Zellkern überhaupt aktiv werden. Mit der Erforschung dieser programmierbaren An- und Abschalt-Automatik beschäftigt sich die Epigenetik. Vielen Forschern gilt die Disziplin als Schlüssel für das Verständnis der Biologie des Menschen. Nun haben sich Forscher in Paris auf die Bildung eines „International Human Epigenome Consortiums (IHEC)“ verständigt. Das Ziel ist ehrgeizig: In den kommenden Jahren wollen die Forscher 1000 epigenetische „Fingerabdrücke“ von jedem Zelltypen des Menschen anfertigen.  Auch deutsche Forscher wollen sich an dem Mammutprojekt beteiligen.

Sieht man die komplette Erbsubstanz, das Genom, als genetische Hardware einer Zelle an, so ist das Epigenom die Software, die den Computer zu unterschiedlichen Leistungen antreibt. Die epigenetische Programmiersprache besteht aus kleinen chemischen Markierungen, wie etwa Methylgruppen, die auf der DNA oder den sie umgebenden Proteinen angebracht sind. Von den chemischen Markierungen hängt es ab, ob ein Gen im Zellkern überhaupt abgelesen werden kann oder nicht. Jeder Zelltyp besitzt ein charakteristisches An- und Abschaltmuster für seine Gene im Erbgut. In den letzten Jahren hat das Fachgebiet Epigenetik einen wahren Boom erlebt. Immer mehr Forschern gilt sie als der eigentliche Schlüssel zum Verständnis von normalen und krankhaften Prozessen im Leben einer Zelle. Gleichzeitig werden die Sequenzier-Roboter zur Entschlüsselung des Epigenom-Codes von Zellen immer schneller und günstiger.

Boom der Epigenom-Forschung

Um die Epigenom-Forschung voranzutreiben, haben Forschungsfördereinrichtungen weltweit millionenschwere Förderprogramme aufgelegt. Die US-Gesundheitsbehörde NIH machte im September 2008 den Anfang: In dem 190 Millionen-US-Dollar schweren „Roadmap Epigenomics Program“ sollen amerikanische Teams bis 2014 gefördert werden. Im Juni dieses Jahres will auch die Europäische Kommission 30 Millionen für ein Epigenetik-Konsortium bereitstellen.

Doch um die ungeheure Vielfalt bei der Entschlüsselung epigenetischer Programme überhaupt in den Griff zu bekommen, gibt es nun Bestrebungen, sich für dieses Ziel weltweit zu vernetzen und sich so die Arbeit sinnvoll untereinander aufzuteilen. Auf Initiative von internationalen Spitzenforschern auf dem Gebiet der Epigenetik, darunter der Forscher Thomas Jenuwein vom Max-Planck-Insitut für Immunbiologie in Freiburg, formiert sich derzeit das „Internationale Human Epigenome Consortium“, kurz IHEC.  Ende Januar trafen sich die Experten zusammen mit nationalen Forschungsförderorganisationen in Paris, um das globale Projekt aus der Taufe zu heben.

Vorbild HUGO und Krebsgenomkonsortium

Das Ziel von IHEC ist ehrgeizig: „Wir wollen in den kommenden Jahren 1000 Referenz-Epigenome entziffern“, sagt der Epigenetiker Jörn Walter von der Universität des Saarlandes, der die Veranstaltung in Paris besucht hat.  Möglichst von jedem gesunden Zelltyp des Menschen soll also ein epigenetisches Profil erstellt werden. „Solche Vergleichswerte sind als Goldstandard extrem wichtig, um unsere Experimente überhaupt sinnvoll interpretieren zu können“, so Walter. Bislang herrsche auf diesem Gebiet noch zuviel Wildwuchs.

Finanziert werden soll das gewaltige Vorhaben von den Förderorganisationen der jeweiligen Partnerländer, ganz nach dem Vorbild des öffentlichen Humanen Genomprojektes (HUGO) und dem Internationale Krebsgenomkonsortium (ICGC) (mehr...). Hier haben sich die Epigenetiker gleich hohe Maßstäbe gesetzt: In den Internationalen Epigenom-Club schaffen es nur Förderer, die im Minimum zehn Millionen US-Dollar in den Topf werfen. Insgesamt sollen so in einer ersten Phase 130 Millionen US-Dollar zusammenkommen.  Auf der Tagung in Paris signalisierten Vertreter von Förderorganisationen aus den USA, Kanada, Frankreich und asiatischen Ländern dazu bereits Bereitschaft. Auch ein Vertreter der deutschen Forschungsförderung erklärte bei dem Meeting ein „wohlwollendes Interesse“ an einem solchen Beitrag.

Klar ist schon jetzt: alle im Rahmen vom IHEC ermittelten Daten sollen öffentlich sein. Sie werden in zwei bis drei Bioinformatik-Zentren ausgewertet und verwaltet. Laut Jörn Walter sieht der weitere Fahrplan für die Epigenom-Kartierer so aus: bis Juni will das von Wissenschaftlern besetzte Leitungskommittee die Statuten des Konsortiums festlegen und diese mit einer Publikation dokumentieren. An diesem Dokument können sich die Förderer dann für ihre Fördervergabe orientieren.

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Das Leitungskomittee wird anschließend festlegen, welche Nation sich auf welche Zelltypen bei der Epigenom-Kartierung konzentrieren soll. Jörn Walter betont: „Wir müssen uns dann schnell Gedanken machen, was wir in Deutschland gut können und wo wir die geeignete Infrastruktur für solche Arbeiten haben“.

Deutschland stark in der Epigenetik

Deutschland ist im Forschungsfeld der Epigenetik sehr gut aufgestellt. Viele hochkarätige Arbeitsgruppen forschen etwa in München, Berlin, Heidelberg, Dresden oder Freiburg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat bis zum Jahr 2012 bereits etwa 50 Millionen Euro in die epigenetische Grundlagenforschung investiert, ein Sonderforschungsbereich in München gehörte zu den weltweit ersten Epigenetik-Konsortien überhaupt. Deutsche Epigenetiker waren auch vor wenigen Jahren bei einem ersten Anlauf für ein humanes Epigenomprojekt beteiligt, darunter das Berliner Unternehmen Epigenomics. Zwar gelang den Partnern 2006 immerhin die Veröffentlichung der Methylierungmuster dreier menschlicher Chromosomen (Nature Genetics, Bd.38, S.1378). „Trotzdem kam diese Initiative damals von den technischen Möglichkeiten her vielleicht etwas zu früh“, sagt Achim Plum, Sprecher von Epigenomics. Das Unternehmen will sich nun lieber auf seine eigenen Produkte konzentrieren, beobachtet aber aufmerksam die aussichtsreichen Entwicklungen von IHEC.

„Es ist unheimlich wichtig, dass Deutschland bei dem globalen Konsortium von Anfang an mitzieht“, sagt der Saarbrücker Forscher Jörn Walter, „es wäre eine Katastrophe, wenn wir den Einstieg wie damals beim Humanen Genomprojekt verschlafen“.

 

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