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200 Experten diskutieren in München über Personalisierte Medizin

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200 Experten tauschten sich in München zu aktuellen Forschungsprojekten in der Personalisierten Medizin aus. Quelle: DxS

18.11.2009  - 

Ein Medikament als Massenware, das könnte in der Pharmaindustrie bald ein Auslaufmodell sein. Im Zeitalter der Gendiagnostik und der molekularen Medizin liegt ein anderes Behandlungskonzept im Trend, das wie kein anderes auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sein soll: Die personalisierte Medizin. Kombiniert mit passenden Diagnose-Verfahren soll die Arzneientwicklung verbessert werden, damit Kranken ein möglichst maßgeschneidertes Medikament zur Verfügung steht. Doch wie können alle Beteiligten von diesem Medizinkonzept profitieren? Ist individualisierte Medizin bezahlbar? Bei einem Symposium in München tauschten sich am 17. November Vertreter von Pharma, Biotechnologie und Wissenschaft über aktuelle Trends und Risiken aus.

 

Die Entwicklung eines Medikaments dauert bis zur Marktreife etwa ein Jahrzehnt, immer begleitet von einem hohen Risiko, dass das Präparat auf dem Weg zur Zulassung scheitert. Kein Wunder, dass Pharmaunternehmen deshalb vor allem auf sogenannte Blockbuster setzen, Medikamente also, die für eine breite Gruppe in der Bevölkerung passen sollen, damit deren Verkauf die Entwicklungskosten wieder einspielt. Doch dieses Konzept beginnt allmählich zu wanken - mit dem Konzept der personalisierten Medizin, das in jüngster Zeit immer wieder diskutiert wurde. Erst im Mai fand ein Expertengespräch zum Thema im Bundestag statt (mehr...). Nun trafen sich rund 200 Experten aus der Biotechnologie auf dem Symposium zur „Personalisierten Medizin“ in München. Wissenschaftler aus Industrie und Klinik präsentierten aktuelle Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten: Sie entwickeln zielgerichtete Therapien sowie molekulare und bildgebende Diagnoseverfahren, mit denen medizinische Behandlungen einmal fein auf den Patienten abstimmt werden sollen.

Neuartiger Test zur Früherkennung von Darmkrebs

So berichtete Silke Martin vom Blutspendedienst des Bayrischen Roten Kreuzes, wie eingelagerte Blutproben derzeit genutzt werden, um einen Früherkennungstest für Typ2-Diabetes zu entwickeln. Matthias Ebert vom Klinikum rechts der Isar der TU München stellte ein Testverfahren vor, bei dem der Methylierungszustand bestimmter Gene für eine Früherkennung von Dickdarm-Krebs genutzt wird. In einer BMBF-geförderten Studie soll nun getestet werden, ob ein solcher epigenetischer Test ergänzend zur Darmspiegelung eingesetzt werden kann (mehr...). Professor Martin Ungerer von der Corimmun GmbH, ein aus dem BMBF-Wettbewerb GO-Bio hervorgegangenes Unternehmen, stellte neueste klinische Studienergebnisse zu zyklischen Peptiden vor, die einmal Patienten mit einer bestimmten Form der chronischen Herzschwäche helfen sollen.

Biomarker: Verräterische Gene und Eiweiße

Neben den aktuellen Forschungsprojekten ging es bei der vom regionalen Biotech-Verbund Bio-M organisierten Veranstaltung auch um allgemeine Fragen zur Wirtschaftlichkeit: „Das Konzept der Personalisierten Medizin stellt das Blockbuster-Konzept in Frage“,  sagte Bio-M-Geschäftführer Horst Domdey. „Viele Medikamente sind wegen mangelnder Zielgenauigkeit nicht wirksam und sicher genug. Durch lange Entwicklungszeiten, hohe Ausfallraten und Fehlbehandlungen entstehen hohe Kosten für die Unternehmen und das Gesundheitswesen“, erläuterte Domdey das Dilemma vieler heutiger Therapien. Hierfür zeigt die personalisierte Medizin aus Sicht der Experten neue Wege auf. Ihre Basis sind dabei Verfahren der molekularen Diagnostik. Verräterische Erbgutabschnitte oder mit der Krankheit im Körper auftauchende Eiweiße, sogenannte Biomarker, sollen Krankheiten idealerweise schon aufzeigen, bevor sie auftreten oder bestimmte Therapieoptionen ermöglichen. Mithilfe von Biomarkern erhoffen sich die Verfechter der personalisierten Medizin mehr Effizienz in der Entwicklung und im Einsatz der Arzneien, insbesondere durch die Reduktion von Nebenwirkungen. Die Patienten sollen nur noch diejenigen Medikamente erhalten, von denen vorher klar ist, dass sie auch davon profitieren.

Diagnostik und Medikament als Paket

„Zwar hat das Konzept der personalisierten Medizin bereits große Aufmerksamkeit in Fachkreisen erlangt, breit etabliert ist es aber noch nirgends“, betonte Domdey. Wenn es nach Domdey geht, soll sich das gerade in der Münchner Region bald ändern. Mit der sogenannten m4-Initiative wollen sich alle dortigen Akteure der Medikamentenentwicklung aus Wissenschaft, Kliniken, Pharma und Biotechnologie enger und möglichst frühzeitig miteinander vernetzen. Mit diesem Konzept aus rund 100 Kooperationspartnern hat es der Cluster bereits unter die zehn Finalisten der zweiten Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geschafft (mehr...). Im Rahmen des Wettbewerbs werden Ende Januar 2010 bis zu fünf Spitzencluster als Gewinner ausgewählt. Ingesamt stehen 200 Millionen Euro zur Verfügung, den Gewinnern winken also jeweils Förderungen um die 40 Millionen Euro.

Dass sich soviele Unternehmen im Münchner Cluster engagieren, zeigt die Relevanz des Themas für die Industrie. Hier wird der Trend vor allem unter dem Begriff der „companion diagnostics“ aufgegriffen: Ein Diagnosetestverfahren und das passende Medikament für die Behandlung werden parallel entwickelt und diese Lösung nach der Zulassung im Doppelpack vertrieben. Vorreiter auf diesem Gebiet ist der Schweizer Pharmakonzern Roche. Als eines der wenigen Pharmaunternehmen entwickelt es Medikamente und die zugehörigen Diagnostik-Verfahren komplett im eigenen Haus. Um die Möglichkeiten der personalisierten Medizin zu beschreiben, wählte Hagen Pfundner aus dem Vorstand der Roche Pharma AG in München einen Vergleich aus der Bekleidungsindustrie: „Der Trend bei den Medikamenten geht weg von der „Einheitsgröße für alle“ in Richtung Konfektionsgrößen." Denn von wirklich maßgeschneiderten Behandlungen könne man noch nicht sprechen, so Pfundner.

 

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Großes Potenzial trotz kleinerer Märkte

Aber sind Pharmaunternehmen an sich verkleinernden Absatzmärkten interessiert? „Für die Pharmaunternehmen bietet sich dann eine Chance, wenn der klinischen Nutzen stärker zunimmt als die Zielgruppe der Patienten sinkt“, erläuterte Pfundner die Chancen. Die personalisierte Medizin eröffne zudem die Möglichkeit, wesentlich früher im Entwicklungsprozess Entscheidungen zu treffen. „Wir können gezielter Patienten für Studien auswählen und so Zeit und Kosten in späten Phasen sparen“. Trotzdem ist aus seiner Sicht klar: „Personalisierte Medizin wird teuer, aber auf lange Sicht wird der bessere und nachhaltigere Behandlungserfolg zum Schlüsselfaktor für eine Erstattung durch die Kostenträger.“ Pfundner beklagte jedoch auch, dass die Zulassungs- und Erstattungsmechanismen für dieses Gebiet noch nicht richtig funktionieren würden. Gleichzeitig müsse die gesellschaftliche Aktzeptanz der Gendiagnostik in Deutschland wachsen, um der personalisierten Medizin den Weg zu ebnen. 

Auf die molekulare Diagnostik ist mit Qiagen auch eines der größten deutschen Biotech-Unternehmen spezialisiert. In München sprach Peer Schatz, Vorstandsvorsitzender von Qiagen, über die Strategien seines Unternehmens bezüglich der Entwicklung von „companion diagnostics“. Qiagen hat sich in den letzten Jahren zunehmend auf Testverfahren für molekulare Diagnostik ausgerichtet und hat dies mit der Übernahme von DxS für 95 Millionen Euro im September erst jüngst untermauert (mehr...). Langfristig will das Unternehmen weiter auf Partnerschaften mit Pharma-Firmen setzen, so Schatz. Bereits mit mehr als 16 solcher Partner wurden Kooperationen eingegangen, weitere sollen dazukommen, wie er in München unterstrich.

 

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