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Nervenkrankheit ALD erstmals mit Gentherapie geheilt

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Zwei Jahre nach der Gentherapie bilden die Blutstammzellen der behandelten Kinder immer noch das ALD-Protein (rosa eingefärbt) Quelle: Patrick Aubourg/INSERM

12.11.2009  - 

Zum ersten Mal haben Mediziner die Nervenkrankheit ALD mittels einer Gentherapie stoppen können. Französische Ärzte reparierten den Gendefekt in den Blutstammzellen zweier Kinder und setzten dabei als Gentransporter erstmals inaktivierte Viren aus der HIV-Familie ein. Das ist riskant. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg hatten deshalb die Aufgabe, die Sicherheit der Genfähren zu überwachen. Bisher mussten sie keinen Alarm schlagen. Den beiden kleinen Patienten geht es ein Jahr nach der Behandlung gut, wie die Forscher in der Fachzeitschrift Science (6. November, Ausg. 5954, S. 818-823) berichten.




Es war im Jahr 1992, als die Nervenkrankheit Adrenoleukodystrophie  (ALD) für einen kurzen Moment eine gewisse Berühmtheit erlangte. Im US-Streifen "Lorenzo Öl", der damals herauskam, macht sich eine Familie auf die Suche nach einer Therapie für ihren an ALD erkrankten Sohn Lorenzo. Die Eltern stoßen bei ihrer Recherche auf ein polnisches Experiment, das ungesättigtes Rübsamen-Öl als Heilmittel empfiehlt. Und tatsächlich kann "Lorenzös Öl" den Krankheitsverlauf verlangsamen. Der Film wurde von wahren Begebenheiten inspiriert, und auch die Rübsamen-Theorie ist nicht ganz aus der Luft gegriffen. Noch ist umstritten, ob die Gabe der langkettigen, einfach ungesättigten Fettsäuren die schädliche Anhäufung von überlangen Fettsäuren bei den Patienten reduziert. Sicher ist dagegen, dass es bisher nur eine Therapieoption für die jungen ALD-Patienten gibt: die Übertragung gesunder Blutstammzellen von Spendern. Nicht immer jedoch werden Spender mit den passenden Gewebemerkmalen gefunden, außerdem kommt es oft zu Transplantatabstoßung und anderen Komplikationen.

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg soll klinische Patientenversorgung mit aktueller Krebsforschung  verknüpfen. Das Zentrum ist ein Kooperationsprojekt des DKFZ, der Universitätsklinik Heidelberg, der Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe.

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Isolierung des Gehirns wird zerstört
Im Jahr 2009 macht ALD wieder Schlagzeilen, zumindest in der medizinischen Welt. Denn zum ersten Mal konnten der Gendefekt bei zwei Kindern repariert werden. Der Krankheitsverlauf kam zum Stillstand. ALD-Patienten leiden im fortgeschrittenen Stadium an Muskelkrämpfen, Demenz und schließlich dem Ausfall lebenswichtiger Körperfunktionen. Als Ursache gilt ein angeborener genetischer Defekt, durch den ein Transporteiweiß in der Membran der Blutzellen verändert wird.  Dadurch kommt es zu einer Anhäufung von bestimmten Fettsäuren vor allem in der Nebennierenrinde und in der weißen Gehirnsubstanz. Offenbar wird dadurch das Myelin abgebaut, die fettartige Isoliersubstanz im Gehirn, was nach und nach zu den beschriebenen Symptomen führt.
Nathalie Cartier und Patrick Aubourg vom Hôpital Saint Vincent de Paul in Paris erprobten nun erstmals eine Gentherapie gegen ALD. Die Ärzte entnahmen zwei siebenjährigen Jungen, die beide den für ALD verantwortlichen Gendefekt tragen, Stammzellen des blutbildenden Systems aus dem Knochenmark. Diese Blutstammzellen wurden in der Kulturschale mit dem intakten Gen ausgestattet und den beiden Kindern zurücktransplantiert. Da der Effekt dieser Gentherapie über Jahre anhalten soll, mussten als Gentransporter solche Viren verwendet werden, die ihr Erbgut fest in das Genom der Zelle einbauen. Das führte zur zweiten wissenschaftlichen Premiere. Zum ersten Mal verwendeten die Mediziner eine inaktivierte Form des Aidsvirus eingesetzt, das sehr gut Zellen infiziert, die sich nicht teilen.

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Ständige Überprüfung der veränderten Blutstammzellen
Allerdings ist der Einbau des Viruserbguts in die DNA der Zelle ein kritischer Schritt, je nach Position können etwa Krebsgene dauerhaft aktiviert werden. "Bei einer früheren Gentherapie zur Behandlung eines Immundefekts war genau das geschehen", erklärt Christof von Kalle vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. Zusammen mit seinem Kollegen Manfred Schmidt bauter er deshalb ein Tumor-Frühwarnsystem auf. "Wir mussten mit Hilfe neuer technischer Verfahren in regelmäßigen Abständen überprüfen, ob das Virus einen bleibenden Schaden in den Blutstammzellen angerichtet hat, der später zu Komplikationen führen kann", sagt Kalle. Bisher mussten die beiden Forscher keinen Alarm schlagen. Den beiden behandelten Kindern geht es gut: Einige Monate nach der Zellübertragung stoppte der Myelin-Abbau im Zentralnervensystem, körperliche und geistige Beeinträchtigungen traten bis 14 bzw. 16 Monate nach der Zellübertragung nicht auf, auch gab es kaum unerwünschte Nebenwirkungen, melden die behandelnden Ärzte.

Das bedeutet Fortschritt auf zwei wichtigen Gebieten der Gentherapie, betont Kalle. "Das ist das erste Mal, dass eine Krankheit des Zentralnervensystems mit einer Gentherapie erfolgreich behandelt wurde. Außerdem haben die HI-Viren ihre erste Bewährungsprobe im Dienste der Menschheit bestanden. Nun will der Heidelberger Tumorforscher das Einsatzgebiet der neuen Technik Schritt für Schritt ausweiten. "Wir hoffen, dass mit diesen neuartigen Gentransportern noch weitere erbliche Gendefekte behandelt werden können."

 

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