Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Biotechnologie gegen Schweinegrippe

Das Schweinegrippe-Virus hat sich innerhalb weniger Wochen von Mexiko aus über die ganze Welt verbreitet. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Das Schweinegrippe-Virus hat sich innerhalb weniger Wochen von Mexiko aus über die ganze Welt verbreitet. Quelle: Manuel Schuster / pixelio.de

Die Schweinegrippe hält die Welt in Atem. Seit in Mexiko ein neuer Grippeerreger auftrat, der in seinem Erbgut Elemente von menschlichen, Schweine- und Vogel-Grippeviren aufwies, hat sich die "Schweinegrippe" überraschend schnell über den ganzen Erdball verbreitet. Auch in Deutschland sind schon erste Infektionen aufgetreten. Was das neue Virus ausmacht, wie Deutschland darauf reagiert und wann mit einem Impfstoff zu rechnen ist: in all diesen Fragen steckt Biotechnologie drin.

Das Virus

Schon seit jeher ist das Immunsystem der Lebewesen mit immer neuen Mutationen von Viren konfrontiert. Eine besondere Herausforderung in diesem ewigen Kampf sind allerdings Infektionskrankheiten, die von Tieren auf den Menschen übergehen (Zoonosen). Besonders begabt dafür sind Influenzaviren, die Grippe auslösen. Grippeviren kommen sowohl bei Vögeln und Schweinen als auch beim Menschen vor. Springen Sie über die Artengrenze, nehmen sie oft Erbgut anderer Virusstämme in sich auf. Das macht den Virus für das menschliche Immunsystem erst einmal zu einem Unbekannten.

"Mexikanische Grippe" oder "Neue Grippe"

Nach Angaben der US-Seuchenschutzbehörde "Centers for Disease Control and Prevention" (CDC) sind die zuerst in Mexiko beobachteten Viren des Typs H1N1 ein solcher Fall. Der geläufige Begriff "Schweinegrippe" ist eigentlich nicht ganz korrekt, da das aktuelle Virus vorher noch nie in Schweinen beobachtet wurde, sondern eine neue Mischung aus verschiedenen Grippeviren darstellt. Es enthält nicht nur genetisches Material aus Virenstämmen, die Schweine befallen, sondern auch solches aus Viren, die Menschen und Geflügel anstecken. Wie das Virus entstanden ist, weiß bisher noch niemand.

Die WHO geht mittlerweile davon aus, dass ein menschliches Grippevirus offenbar Elemente artfremder Grippeviren eingebaut hat. Die Mutation könnte allerdings in einem Schwein passiert sein. Die Tiere können sich als "mixed vessels" nämlich auch mit Erregern der menschlichen Grippe und der Geflügelgrippe anstecken.

Ein Grippevirus unter dem Elektronenmikoskop. Deutlich zu sehen ist der einzelne RNA-Strang, auf dem das Ergbgut des Virus liegt. Lightbox-Link
Ein Grippevirus unter dem Elektronenmikoskop. Deutlich zu sehen ist der einzelne RNA-Strang, der das Erbgut des Virus darstellt. Quelle: Cynthia Goldsmith / CDC

Wegen seines menschlichen Grundgerüsts überträgt sich das Virus offenbar auch so problemlos von Mensch zu Mensch, was der Vogelgrippe des Typs H5N1 nicht so einfach gelang. Mittlerweile gibt es mehrere Vorschläge für eine Neubenennung des Virus: "Neue Grippe" oder Mexikanische Grippe" werden immer wieder als korrekte Bezeichnung ins Spiel gebracht. Noch aber ist die "Schweinegrippe" weltweit ein Begriff.

A und B befallen den Menschen

Schon bei der Vogelgrippe tauchten Buchstaben-Zahlen-Kombinationen wie H5N1 auf. Das rührt von dem Ordnungssystem her, mit dem Mediziner der verwirrenden Vielfalt von Grippeviren Herr zu werden versuchen. Die sogenannte "echte" Grippe, die im Fachjargon auch Influenza genannt wird und schwerer verläuft als ein grippaler Infekt oder eine normale Erkältung, kann beim Menschen von den Influenzavirustypen A und B ausgelöst werden (Typ C gibt es auch, dieser ist aber nicht für schwere Infektionen verantwortlich). Während Typ B-Viren nur Menschen befallen, wird Typ A vor allem in Wasservögeln gefunden und besitzt viele Untertypen, von denen einige Formen für den Menschen sehr ansteckend sind. Um die vielen verschiedenen Subtypen voneinander zu unterscheiden, orientieren sich Experten an den Oberflächeneiweißen. So gibt es für das Influenzavirus A 15 Varianten des Hämagglutinins und neun der Neuraminidase. Je nachdem, welche Variante auf der Oberfläche des Erregers zu finden ist, gibt es Bezeichnungen wie H1N1 oder H9N2.

Hämagglutinin Neuraminidase, beide Nr.1

So unterscheidet man zunächst drei Grundtypen von Grippeviren: A, B und C. Vor allem der bei Menschen als auch Tieren vorkommende Typ A ist es aber, der immer wieder Schlagzeilen macht. Denn er verändert sich ständig. Das recht einfach auf einer RNA angeordnete Genom des Virus ist sehr anfällig für spontane Mutationen. Durch die ständige Veränderung sind einmal erworbene Immunitäten oft schon in der nächsten Grippesaison wieder veraltet und schützen nur noch begrenzt vor einer Neuinfektion. Deshalb wird auch der Grippeimpfstoff jedes Jahr neu angepasst.

Grippeviren - Schön aber gefährlich.Lightbox-Link

In unserem Dossier zu Grippeimpfstoffen erfahren Sie alles über die Revoluton hinter den Kulissen in der Impfstoffherstellung - mit biotechnologischen Methoden

hier klicken

Grippeviren vom Typ A werden gemeinhin nach zwei Molekülen auf ihrer Oberfläche klassifiziert. Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N). Von diesen Molekülen gibt es wiederum Variationen, bisher sind 16 H-Subtypen und 9 N-Subtypen bekannt. Ein Virus kann verschiedene Variationen der Subtypen auf seiner Oberfläche tragen. Bei dem Schweinegrippen-Virus handelt es sich um eine neue Variation der Virusart, die Hämagglutinin Nr. 1 und Neuraminidase Nr. 1 auf ihrer Hülle vorweisen. Dieselbe Kombination trat auch in der gerade zu Ende gegangenen europäischen Grippesaison auf, ebenso wie bei der verheerenden "Spanische Grippe" von 1918, der weltweit Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Extreme Verwandlungsfähigkeit sichert Grippeviren Überleben

Das Erbgut der Viren ist sehr einfach aufgebaut. Das Erbgut befindet sich in Form von acht einzelnen RNA-Strängen mit einer Länge zwischen 890 und 2341 Buchstaben im Zentrum des Virus. Die RNA-Stränge beinhalten den genetischen Code für elf Proteine, von denen acht im Virus selbst und die restlichen drei dann in der befallenen Zelle hergestellt werden. Dieser reduzierte Aufbau bedeutet, dass Veränderungen große Auswirkungen haben können. Daher stammt die extreme Wandlungsfähigkeit der Grippeviren, die Patienten in jeder Saison wieder leidvoll erfahren müssen. Grippeviren verändern ihr Erscheinungsbild so oft, dass der Körper sie nicht wieder erkennt. Diese Veränderungen erfolgen zum einen kontinuierlich, zum anderen sprunghaft und werden von Experten als Drift und Shift bezeichnet.

Genetischer Drift: Kleine Fehler im Kopierapparat

Der genetische Drift der Grippeviren hat folgende Ursache: Das Virus zwingt die Wirtzellen, die es befällt, sein Erbgut 1000fach zu kopieren. Jedoch ist der Kopiervorgang nicht perfekt. Bei jedem 10.000sten bis 100.000sten neu hergestellten Virus schleicht sich ein Fehler ein. Der Grund dafür ist, dass das Enzym, welches die RNA kopiert, nicht so genau arbeitet. So verändert sich das Erbgut der Viren ständig ein wenig, wodurch sich auch die Eiweiße auf den Hüllen der Erreger ändern. Dies wiederum verhindert, dass das Immunsystem schnell und effektiv gegen das Virus kämpfen kann und aus diesem Grund sind immer wieder regional begrenzte Grippewellen (Endemien) möglich, die sich zu einer Epidemie ausweiten können. Da das Virus sich meist aber nicht sehr stark geändert hat, besitzt ein Teil der Bevölkerung zumindest eine partielle Immunität, so dass sich eine solche Grippewelle dann nicht länderübergreifend ausbreitet (Pandemie).

Informationen im Internet

Weitere Informationen und Hinweise zur Schweinegrippe finden Sie auf folgenden Seiten:

Robert-Koch-Institut

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Bundesgesundheitsministerium

Centers for Disease Control and Prevention

Institut für Virologie der Universität Marburg

Genetischer Shift: Austausch ganzer Genomteile

Grippeviren haben jedoch noch eine zweite, viel gefährlichere Strategie: Beim sogenannten Shift tauscht das Virus mit anderen Grippeviren ganze Stücke seines Genoms aus. Dabei kann es dem Erreger sogar gelingen, auf einen anderen Wirt überzuspringen, z.B. vom Vogel zum Menschen. Die Vorraussetzung dafür: Ein Mensch steckt sich gleichzeitig mit Vogelgrippe und menschlicher Grippe an. In einer einzigen Zelle wird dann das Erbgut zweier unterschiedlicher Viren kopiert – beim Zusammenbau der Viren kann es dann zur genetischen Vermischung kommen. Das ist offenbar beim aktuellen Virus der "Schweinegrippe" geschehen.

Oseltamivir und Zanamivir scheinen zu wirken

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Eine Infektion mit dem Schweinegrippe-Virus lässt sich offenbar mit den vorhandenen Arzneimitteln behandeln. Sie könnten die Zeit zwischen dem Ausbruch und der Entwicklung des Impfstoffes überbrücken und zur Prophylaxe eingesetzt werden, damit sich das Virus nicht weiter ausbreiten kann. Bei früheren Tests waren die sogenannten Neuraminidasehemmer (antivirale Medikamente gegen Influenzaviren) bei unterschiedlichen Influenzavirus-Subtypen wirksam. Wie die CDC meldet, schienen die handelsüblichen Neuraminidasehemmer Oseltamivir (erhältlich als "Tamiflu" von Roche) und Zanamivir (Relenza von GlaxoSmithKline) bei dem Virus gut zu wirken.

Nicht sicher ist bisher, ob der derzeit aktuelle H1N1-Impfstoff, der für die eben zu Ende gegangene Grippsaison entwickelt wurde, gegen das neue Virus schützt. Das Wirkprinzip von Tamiflu oder Relenza beruht darauf, spezielle Eiweißstrukturen (Neuraminidase) auf der Oberfläche von Grippeviren zu hemmen. Dadurch kann die Wirtszelle keine neuen Viren produzieren, allerdings werden sie nicht eliminiert. Einen langfristigen Schutz vor einem Pandemie-Virus bieten solche Medikamente daher nicht und gerade in dieser Saison hat sich eine Mehrzahl der neuen Grippestämme als resistent gegen Tamiflu erwiesen. Dennoch haben sich bereits viele Länder dafür entschieden, ein gewisses Tamiflu-Lager für den Notfall anzulegen.

 

Hintergrund

Aktuelle Informationen und Hinweise zur Schweinegrippe finden Sie auf folgenden Seiten:

Bundesgesundheitsministerium
Die Lage in Deutschland, Maßnahmen und Empfehlungen, Bürger-Hotline

Robert-Koch-Institut
Umfassende, täglich aktualisierte Informationen zum Stand der Ausbreitung, zum Wissen über das Virus und zur medizinischen Vorsorge.

Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Tägliche Meldungen mit Opferzahlen, Einschätzungen und Informationen

Centers for Disease Control and Prevention
Fakten über das Virus und Empfehlungen für die Bevölkerung

Institut für Virologie der Universität Marburg
Nachrichtensammlung und Linklisten zum Thema Schweinegrippe

Der Nationale Influenzapandemieplan wrde nach den Erfahrungen mit der Vogelgrippe ausgearbeitet. Er koordiniert die Anstrengungen in den Bundesländern.

Zum Reinlesen: hier klicken

Fokus Weiße Biotechnologie

Weiße Biotechnologie – Chancen für eine bio-basierte Wirtschaft

Ob im Waschmittel oder in der Hautcreme – in vielen industriellen Produkten steckt Biotechnologie. Der Griff in die Werkzeugkiste der Natur hilft vielen Branchen, ressourcenschonender zu arbeiten. Erfahren Sie in unserer kostenlosen Broschüre, wo „Weiße Biotechnologie“ schon heute drinsteckt.


Zur Rubrik Publikationen

Broschüre Regenerative Medizin

Regenerative Medizin -  Selbstheilungskraft des Körpers verstehen und nutzen

Die Regenerative Medizin will mithilfe von Zellen heilen, Krankheiten erforschen oder Wirkstoffe testen. Einen Überblick zur Forschung in Deutschland bietet die Broschüre "Regenerative Medizin".


Zur Rubrik Publikationen

Rohstoff Pflanze

Junges Mädchen hält Pflanze in den Händen

Ob Biokraftstoff, Arzneimittel oder Biokunststoff - Pflanzen liefern wichtige Rohstoffe für die biobasierte Wirtschaft. Eine allgemein-verständliche Broschüre gibt einen Überblick über die verschiedensten Anwendungen moderner Pflanzenforschung in Landwirtschaft, Ernährung, Industrie, Medizin und Energie.


Zur Rubrik Publikationen

Glykobiotechnologie

Forscherin im Labor

Was haben Biotechnologen mit Zucker zu tun? Die Broschüre "Die Zukunft ist süß - Möglichkeiten der Glykobiotechnologie" gibt darauf eine Antwort und informiert über neueste Trends der Zuckerforschung in Medizin, Biomaterialwissenschaft und Lebensmittelentwicklung. Sie kann kostenlos bestellt oder als PDF heruntergeladen werden.


Zur Rubrik Publikationen

Broschüre

Pärchen

Sie wollen mehr darüber wissen, wie Mikroorganismen in der Industrie genutzt werden? Einen umfassenden Überblick liefert die Broschüre "Weiße Biotechnologie" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), die im Bestellservice kostenlos angefordert und heruntergeladen werden kann. 


Zur Rubrik Publikationen