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Vom Tier zum Mensch: Neue Wege der Organtransplantation

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Schweine bieten sich am ehesten als Organspender für Menschen an. Seit Jahren arbeiten Forscher an der Umsetzung solcher Verfahren. Quelle: pixelio/Kunstherz

11.06.2008  - 

Es ist paradox: Die Deutschen befürworten mehrheitlich Organtransplantationen, aber nur etwas mehr als zehn Prozent haben einen Spendeausweis. Für Patienten hat das mitunter dramatische Folgen: Jeden Tag sterben durchschnittlich drei Menschen, weil für sie ein Organ nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Um mehr Transplantationen zu ermöglichen, arbeiten Wissenschaftler schon seit Jahren daran, Tierorgane für einen solchen Einsatz zu nutzen. Bis solche Verfahren angewendet werden, sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen - vor allem um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. Auf einem Expertentreffen in Berlin, das vom 5. bis 6. Juni beim Robert-Koch-Institut stattfand, wurde nun der neueste Stand diskutiert und - nach jahrelanger Grundlagenforschung - von einem ersten klinischen Versuch mit Diabetespatienten berichtet.

Deutschland schöpft sein Spendenpotential nicht aus, darüber sind sich Experten einig. So befürworten zwar nach Angaben der Deutschen Stiftung für Organtransplantion (DSO) 80 Prozent der Deutschen Organtransplantationen, und fast 70 Prozent geben an, sie würden einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmen. Doch nur 12 Prozent haben einen Spenderausweis. Dies schlägt sich auch in den Statistiken nieder: 2007 erhielten mehr als 4000 Menschen ein Organ eines hirntoten Spenders, doch drei Mal so viele Patienten warten noch immer. Jeden Tag sterben durchschnittlich drei Menschen, weil für sie ein Organ nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Auch im europäischen Vergleich steht Deutschland schlecht da: 2007 wurden pro Million Einwohner 16 Organe gespendet - halb so viel wie im führenden Land Spanien.

Xenotransplantation...
...heißt, dass Zellen oder Organe über verschiedene Arten hinweg übertragen werden, also etwa von Tieren auf den Menschen.

Kanzerlin Merkel als Schirmherrin einer neuen Kampagne

Mit Großflächenplakaten in 17 großen Städten will die DSO nun die Aufmerksamkeit für das Thema Organspende wecken – und erhält prominente Unterstützung von Kanzlerin Angelika Merkel, die als Schirmherrin aktiv ist. „Die Entscheidung für eine Organspende ist die Entscheidung für das Weiterleben eines Mitmenschen. Das Thema geht alle an“, sagte sie anlässlich der Vorstellung der Kampagne am 7. Juni.

Viele Wissenschaftler sehen die nachlassende Bereitschaft der Deutschen, rettende Organe für Transplantationszwecke zu spenden, in politischen Gründen. „In allen EU-Ländern, die eine sogenannte Widerspruchsregelung eingeführt haben, sehen wir eine wachsende Zahl an Organspenden“, sagte der Münchener Herzspezialist und Sprecher der DFG-Forschergruppe Xenotransplantation Bruno Reichart vom Klinikum Großhadern beim 11. Minisymposium Xenotransplantation Mitte Juni am Robert-Koch-Institut in Berlin. „Nur in Deutschland und den Niederlanden fehlt offenbar der Mut, alle Menschen als Organspender zu behandeln, die einer Organspende auf Nachfrage nicht widersprochen haben.“ Eine entsprechende Erweiterung des deutschen Transplantationsgesetztes hatte bereits im April 2007 der Nationale Ethikrat der Bundesregierung empfohlen. Solange die Zahl an geeigneten Organspenden den Bedarf nicht decken könne, ist es laut Reichart ethisch geboten, an Behandlungsalternativen für die Zehntausenden Patienten auf den Wartelisten zu forschen.

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Sie wollen mehr über das Expertentreffen zur Xenotransplantation erfahren? Das Robert-Koch-Institut informiert über die Inhalte des Minisymposiums.

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Transplantationen von Tierorganen als ethische Alternative

Eine dieser Alternativen ist die Xenotransplantation, also die Übertragung von Tierzellen oder Tierorganen auf den Menschen. "Die Fortschritte der vergangenen Jahre zeigen, dass die neue Technologie einmal eine wichtige Rolle spielen könnte, um mehr kranken Menschen mit Transplantationsbedarf zu helfen", sagte Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts, auf dem Minisymposium in Berlin. "Aber die Übertragung krankmachender Erreger vom Tier auf den Menschen muss verhindert werden" unterstreicht Hacker.

In Berlin diskutierten Forscher der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation und der Deutschen Transplantationsgesellschaft über neueste Fortschritte auf diesem Gebiet, insbesondere von Arbeiten mit Schweinen. Da deren Stoffwechsel dem menschlichen sehr ähnlich ist, sind diese Tiere besonders für Xenotransplantationen geeignet.

In Deutschland warten viele Patienten umsonst auf eine Organspende.Lightbox-Link
In Deutschland warten viele Patienten umsonst auf eine Organspende.Quelle: pixelio/Gerd Altmann

Am weitesten fortgeschritten ist nach Experteneinschätzung derzeit die Behandlung von Patienten, die an juvenilem Diabetes (Typ 1) leiden. Ihnen könnten Insulin-produzierendene Zellen von Schweinen transplantiert werden, die von einer speziellen Kapsel aus einer Algensubstanz (Alginat) umschlossen werden. Dadurch soll eines der größten Probleme der Xenotransplantion – nämlich die Abstoßung tierischer Zellen durch die menschliche Immunabwehr – vermindert werden.

Erste Zwischenergebnisse von klinischer Studie bei Diabetes-Patienten

Erst im Oktober 2007 März hat die australisch-neuseeländischen Firma Living Cell Technology (LCT, Auburn/Auckland) eine weltweit erste Studie mit sechs Diabetes Typ1-Patienten gestartet (Phase I/IIa). Wie RKI-Experte Joachim Denner in Berlin berichtete, sind erste Zwischenergebnisse offenbar vielversprechend. Obgleich nur eine niedrige Dosis von tierischen Zellen verabreicht worden war, konnte die Menge des benötigten Insulins in allen Patienten um mehr als 25% gesenkt werden. Zugleich wurde eine Abstoßung der Tierzellen durch das Einschließen der Schweinezellen in Kapseln verhindert.

Gestützt werden diese Ergebnisse durch präklinische Untersuchungen mit weitaus höheren Dosen an Schweinezellen. Wie Pierre Gianello von der von der Katholischen Universität Louvain aus Belgien in Berlin berichtete, haben Primaten (Cynomolgus-Makaken) bis zu 27 Wochen keinerlei Insulin-Injektion gebraucht, nachdem sie mit in Alginatkapseln eingebettete Inselzellen von Schweinen behandelt wurden. Gleichzeitig hätten sie keine Anzeichen einer Abstoßungsreaktion gezeigt, obwohl ihnen keinerlei Immun-unterdrückende Medikamente verabreicht wurden, so Gianello. Zudem normalisierten sich der Blutzuckerspiegel und andere Laborparameter. Durch Einsetzen eines zweiten Transplantates konnte Gianellos Forschergruppe den Zeitraum, innerhalb dessen die Tiere keine Insulin-Spritzen benötigten, um weitere 20 Wochen verlängern. Ähnliche Ergebnisse hatten bereits im Vorjahr Forscher um Bernhard Hering von der Mayo-Klinik in Minneapolis in Berlin präsentiert. Damals kündigte Hering an, im Jahr 2010 mit klinischen Studien beginnen zu können.

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Zur Arbeit von Prof. Bruno Reichart am Klinikum Großhadern: hier klicken

Zur Arbeit von Prof. Reinhard Schwinzer an der MHH: hier klicken

Gentechnisch veränderte Schweine als Organspender

Was die Transplantation von ganzen tierischen Organen betrifft, so befinden sich die meisten Studien noch weit weg vom Menschen. Im nächsten Jahren soll in Deutschland erstmals ein Schweineherz in einen Affen transplantiert werden, wie Reichart in Berlin ankündigte. Um transplantationsfähige Zellen und Organe von Schweinen zu erhalten setzen diese Forscher auf die Züchtung gentechnisch veränderter Schweine. Nach Aussage des Münchner Experten sind solche maßgeschneiderten Tiere wichtig, um beispielsweise die Gefahr von Infektionen mit sogenannten Porcinen Endogenen Retroviren (PERV) auszuschließen. Aber auch immunologische und blutserologische Unverträglichkeiten zwischen Mensch und Schwein können auf diese Weise minimiert werden, so Reichart.

Noch müssen hierbei jedoch einige Probleme überwunden werden. Reinhard Schwinzer von der Mediznischen Hochschule Hannover berichtete in Berlin über Strategien, ein spezielles Enzym bei Schweinen auszuschalten, um auf diese Weise eine hyperakute Abstoßung in den Griff zu bekommen. Auf der anderen Seite arbeiten Forscher daran, bei den Tieren eine Reihe von Genen einzuschleusen, die für die Produktion menschlicherEiweiße sorgen. Dies soll die Gefahr von Blutgerinnungen senken sowie verschiedenen Abstoßungsreaktion der menschlichen Immunabwehr verhindern oder minimieren.

 

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