Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Springende Gene als molekulares Werkzeug

Springende Gene wurden zuerst in Maispflanzen entdeckt, die Mutationen in den für die Pigmentierung der Maiskörner zuständigen Gene versursacht haben. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Springende Gene wurden zuerst in Maispflanzen entdeckt, die Mutationen in den für die Pigmentierung der Maiskörner zuständigen Gene versursacht haben. Quelle: Sam Fentress

20.03.2008  - 

Gut die Hälfte des menschlichen Genoms besteht aus sehr beweglichen Abschnitten, die Transposons genannt werden. Wie Flöhe springen, bewegen und vermehren sich diese molekularen Parasiten im Genom ihrer Wirte. Viele sind inaktiv und haben keine spezielle Aufgabe, aber einige können Krankheiten auslösen oder sind an der Ausbildung des Immunsystems beteiligt. Aufgrund ihrer Mobilität haben sich Wissenschaftler um Zoltán Ivics vom Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch zum Ziel gesetzt, die Transposons als Werkzeuge in der Forschung mit menschlichen Zellen zu nutzen. Bereits in den 90er Jahren haben sie dafür ein künstliches Transposon konstruiert. Wie die Forscher nun im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, 2008, 13. März Online) berichten, haben sie aus einer der größten Transposon-Familien ein weiteres künstliches springendes Gen entwickelt, mit dem sich andere Gene in ihrer Aktivität ausschalten lassen. Langfristig wollen die Forscher Transposons für Gentherapie-Ansätze nutzen.

Transposons sind heutige Überbleibsel der evolutionären Geschichte. Sie sind mehrere Millionen Jahre alt und haben sich in die Erbanlagen aller Organismen, vom Bakterium über Maispflanzen bis hin zu Säugetieren eingeschlichen. Erstmals entdeckt wurden sie von der US-amerikanischen Botanikerin Barbara McClintock in Maispflanzen (siehe Foto oben), die darüber 1950 im Fachmagazin PNAS berichtete und dafür 1983 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Bis McClintocks Entdeckung hatte die Wissenschaft angenommen, dass Gene an bestimmen Orten fest im Chromosom verankert sind. Diese Theorie brachte die Amerikanerin zu Fall und später wurden immer mehr Transposons in den unterschiedlichsten Organismen entdeckt.

Die Entdeckerin der Transposons
Sie wollen mehr über die Entdeckerin der springenden Gene erfahren? Dann schauen Sie auf auf den Webseiten des Nobelpreis-Kommitees vorbei.

Mehr Informationen

Beim Menschen machen Transposons knapp die Hälfte des Genoms aus, ihre Funktion ist zum großen Teil noch unklar. Von einigen dieser Genbereiche ist bekannt, dass sie die Grundlage für wichtige zelluläre Mechanismen wie dem Immunsystem bilden, andere können auch Krankheiten auslösen. Die meisten sind jedoch Überreste einst aktiver Transposons, die zuvor erfolgreich die Genome verschiedener Spezies kolonisiert haben. Ihre Aktivität haben diese Transposons durch Mutationen verloren.

Mobile Genomeinheiten in der Grundlagenforschung

Für die Wissenschaft sind die mobilen Genomeinheiten sehr interessant: Die Fähigkeit, sich wie springende Flöhe durchs Genom zu bewegen und durch die Integration die Aktivität von Genen zu beeinflussen, eignet sich prinzipiell ideal für die Grundlagenforschung – vorausgesetzt das Springen lässt sich steuern und gezielt einsetzen. Bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster ist dies bereits seit Jahrzehnten möglich, weshalb transposon-basierte Verfahren zur gentechnischen Veränderung der Tiere zum Standardrepertoire vieler Entwicklungsbiologen und Genetiker gehören. Und auch in der Pflanzenforschung wird daran gearbeitet, Transposons bei der Entfernung von Markergenen aus transgenen Pflanzen zu nutzen (mehr...)

Mehr Informationen zu Umweltauswirkungen von gentechnisch veränderte OrganismenLightbox-Link
Sie wollen wissen, wie Transposons in der Pflanzenforschung genutzt werden? Die Webseite www.biosicherheit.de informiert darüber.

Mehr Informationen

Der ungarische Biologe und Genetiker Zoltán Ivics  - seit 1999 am MDC in Berlin – arbeitet nun bereits seit den 90er Jahren daran, die Transposons als molekulares Werkzeug für Wirbeltiere zu etablieren. In einem ersten Schritt hatte er 1997 gemeinsam mit seiner Kollegin Zsuzanna Izsvák aus Transposons von Fischen, die vermutlich vor rund 20 Millionen Jahren aktiv gewesen waren, ein künstliches Transposon zum Einsatz in Säugetierzellen entwickelt (1997, Cell, Vol. 91, S. 501-510). In Anlehnung an das Grimmsche Märchen nannten sie es "Dornröschen" (Sleeping Beauty), da sie es buchstäblich "wachgeküsst" hatten. Die Forscher schafften es, dass sich das Transposon wieder in die DNA anderer Organismen einbauen kann – eine Fähigkeit, die die Fischtransposons längst verloren hatten.

In mehreren Publikationen konnten Ivics und Izsvák zeigen, dass sich Dornröschen sehr gut dazu eignet, die Mechanismen der DNA-Reparatur in menschlichen Zellen zu erforschen. Diese Prozesse sind für die Gesundheit jedes Menschen unerlässlich, um die Stabilität des Genoms zu gewährleisten – schließlich wird die DNA täglich auf verschiedene Art und Weise geschädigt, unter anderem auch durch Transposons. Mithilfe von Dornröschen hatten die Forscher nun erstmals ein Werkzeug, mit dem sich aufklären ließ, wie die Maschinerie menschlicher Zellen solche Schäden wieder repariert. (2004, Molecular Cell, Vol. 13, Nr. 2, S. 279-290)

Gentherapie und Doping

Gendoping ist keine Science-Fiction mehr. Zu diesem Fazit kommt ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) des Deutschen Bundestages, der Mitte März veröffentlicht wurde.


Mehr Informationen

Langfristiges Ziel: Springende Gene für Gentherapie nutzen

Langfristig wollen die Forscher die springenden Gene aber auch für die Gentherapie einsetzen. Bei einer solchen Behandlung geht es prinzipiell darum, genetisch bedingte Krankheiten an der Ursache zu bekämpfen und ein fehlerhaftes, krankheitsauslösendes Gen durch ein intaktes zu ersetzen. Für einen solchen Ersatz werden natürliche Vehikel gebraucht, die das gesunde Gen in die Zelle einschleusen und das krankheitsauslösende Gen durch das neue ersetzen. Bis heute ist es nicht gelungen, einen solchen Ansatz erfolgreich zu entwickeln: Immer wieder gab es zwar gute Nachrichten, aber auch dramatische Rückschläge (mehr...).Als Genfähren werden dabei fast immer Viren genutzt, da es zu ihrem normalen Vermehrungszyklus gehört, sich ins Genom von Wirtszellen einzubauen. Allerdings erfordert es viel Arbeit, die Viren so zu konstruieren, dass sie sich zwar effizient einbauen, aber keine unerwünschten Nebeneffekte auslösen.

Ivics ist jedenfalls davon überzeugt, dass sich Transposons besser für die Gentherapie nutzen lassen als Viren. Sie wären aus seiner Sicht prinzipiell einfacher im Labor zu bauen und haben eine ähnliche Fähigkeit der stabilen Integration in fremde DNA - wenngleich die Effizienz der Viren derzeit noch größer ist. Zuletzt konnte der Genetiker bereits zeigen, dass sich Nebeneffekte wie die unerwünschte Aktivierung benachbarter Gene bei der Integration des künstlichen Transposons Dornröschen durch gezielte gentechnische Veränderungen am Transposon vermeiden lassen. (Molecular Therapy, 2008, Vol. 16, Nr. 2, S. 359-569).

Wie die Forscher nun im Fachmagazin PNAS (2008, 13. März, Online) berichten, haben sie ein weiteres künstliches Transposon für den Einsatz in Säugetierzellen entwickelt. Dafür verglichen sie zunächst die inaktiven Überreste verschiedener Transposons der Harbinger Familie, einer der größten Familie von Transposons. Aus diesen Ergebnissen konstruierten sie schließlich ein neues künstliches springendes Gen. „Wir hatten sehr viel Glück“, so Ivics, „gleich der erste Versuch war erfolgreich.“ Wie die Wissenschaftler schreiben, wurde das Transposon durch einen Genshuttle in menschliche Zellen eingeschleust. Dort schneidet sich das künstliche Transposon offenbar selbstständig aus seinem Transportvehikel aus und baut sich in das Genom der Zelle ein.

Springt das Transposon dabei in ein wichtiges Gen, dann kann es dieses deaktivieren – damit lässt sich auch dieses springende Gen als molekulares Werkzeug zur Analyse von Genfunktionen nutzen. Um es für gentherapeutische Zwecke einzusetzen, muss es allerdings noch so weiterentwickelt werden, dass sich das Springen zielgenauer steuern lässt. „Doch bis dies möglich ist, müssen wir noch viel tun“, gibt Ivics zu bedenken. „Das neue Gen soll ja nicht irgendwo hinspringen.“

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit