Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Hochauflösender Zoom ins Genom des Menschen

Mit der genauen Analyse des menschlichen Erbguts erhoffen sich Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse für die Behandlung von Krankheiten. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit der genauen Analyse des menschlichen Erbguts erhoffen sich Wissenschaftler wichtige Erkenntnisse für die Behandlung von Krankheiten. Quelle: GSF/Bernd Müller

04.10.2007  - 

Die Erbinformation aller Lebewesen wird durch vier verschiedene DNA-Bausteine festgelegt. In der Abfolge dieser Bausteine wiederum ist der Bauplan eines Organismus verschlüsselt. Die Kenntnis dieser DNA-Sequenz ist die Grundlage für das Verständnis vererbbarer Eigenschaften und möglicher Anlagen für Krankheiten. Damit Wissenschaftler diese immer zielgenauer finden können, wird mit großem Eifer an neuen Verfahren zur Sequenzierung des Erbguts gearbeitet. Mit einer Veröffentlichung im Fachmagazin Science (2007, 27. September Online) hat sich nun auch der Heidelberger Forscher Jan Korbel in den Wettbewerb um die besten Methoden geworfen. Gemeinsam mit seinen Kollegen vom Yale University Centre for Excellence in Genomic Science hat er ein Verfahren entwickelt, mit dem sich DNA-Abschnitte bis zu einer Größe von 3000 Basen untersuchen lassen. Mit bisherigen Verfahren konnten strukturelle Unterschiede zwischen Genomen nur bis zu einer Größe von 50 000 Basen erfasst werden.

Die komplette Entschlüsslung des menschlichen Genoms war einst ein Projekt von mehr als zehn Jahren: 1000 Wissenschaftler aus mehr als 40 Ländern waren daran beteiligt. Inzwischen erlauben die neuesten Sequenziertechniken Zeiten von zwei bis drei Monaten, um die Abfolge der DNA-Bausteine eines Genoms zu entschlüsseln - also die Sequenz der vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin zu entziffern. Dieser Fortschritt macht sich auch in fallenden Kosten bemerkbar.  Erst Anfang September hat der US-Wissenschaftler Craig Venter die Sequenz seines eigenen Erbguts offengelegt und die Entschlüsslung eines Genoms zu einem Preis von 100.000 Dollar angekündigt. Derzeit liegen die Kosten noch bei rund einer Million Dollar, aber Experten gehen davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren sogar eine Genomentschlüsslung für 1000 Dollar denkbar sein könnte. Dass ein solch rasanter Forschritt langfristig auch Folgen für jeden Einzelnen hat, verdeutlichte der passend zum Thema erschienene jüngste Bericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zur Gendiagnostik in Deutschland.

Gendiagnostische Verfahren stehen im Mittelpunkt eines neuen Berichts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.Lightbox-Link
Gendiagnostische Verfahren stehen im Mittelpunkt eines neuen Berichts der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.Quelle: Qiagen
Am 4. September stellte die BBAW in Berlin den neuesten Bericht zur Gendiagnstik in Deutschland vor. Demnach können derzeit theoretisch etwa 3300 Krankheiten, für die das Vorhandensein einer bestimmten Genvariante im Menschen als typisch identifiziert wurde, mit gendiagnostischen Verfahren aufgespürt werden. Mehr

Die aktuelle Science-Veröffentlichung des deutschen Forschers Jan Korbel vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg, der seit drei Jahren als Gastwissenschaftler in den USA arbeitet, ist nun ein weiterer Schritt um das schnellste und effizienteste Verfahren. Die Technik von Korbel basiert auf der Grundlage des Sequenziersystems von 454 Life Sciences, einer Tochterfirma des Schweizer Konzerns Roche. Neben den US-Unternehmen Illumina und Applied Biosystems liefern sich damit drei Anbieter einen Wettbewerb um Sequenziersysteme der zweiten Generation.

Neues PEM-Verfahren erlaubt Analyse von 3000 Basen

Korbels Ansatz erleichert künftig die Suche nach strukturellen Variationen im menschlichen Genom. Bisher konnten solche Unterschiede im Erbgut nur bis zu einer Größe von 50.000 Basen untersucht werden. Wie Korbel und seine Kollegen im Fachmagazin Science berichten, ist mit der von ihnen entwickelten Paired-End-Mapping-(PEM)-Methode nun eine viel größere Auflösung möglich: Damit können DNA-Abschnitte bis zu einer Größe von 3000 Basen analysiert werden. „Bisher wussten wir, dass es im Erbgut kleinere Variationen gibt, vergleichbar mit Rechtschreibfehlern in einem Buch“, erklärt Korbel in Anspielung auf die vielen aktuell publizierten Studien, die nach winzigen Abweichungen im Erbgut - den sogenannten SNPs (Single Nucleotid Polymorphisms) - suchen und deren Einfluss auf die Ursache von Krankheiten analysieren.

Mit SNP-Analysen wollen Forscher genetische Ursachen von Krankheiten im Detail entschlüsseln.Lightbox-Link
Rasterfahndung im Großmaßstab: In Deutschland hat sich unter dem Dach des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) ein großes Konsortium gebildet, das seit Herbst 2006 auf der Basis von SNPs (Single nucleotide polymorphisms) eine der größten genetischen Assoziationsstudien mit 25.000 beteiligten Patienten gestartet hat und erste Ergebnisse bis zum Ende diesen Jahres veröffentlichen will. Damit sollen genetische Anlagen für Krankheiten im Detail bestimmt werden. Mehr

Korbel verfolgt nun ein anderen Ansatz: Statt verschiedene Genome auf Unterschiede in einzelnen Nukleotiden wie bei den SNP-Analysen zu untersuchen, zoomt er auf größere strukturelle Unterschiede, die mehrere tausend Basen umfassen. Um im Bild des Buches zu bleiben: Es handelt sich dabei also nicht um Rechtschreibfehler, sondern eher um ganze herrausgerissene, doppelte oder neu zusammengesetzte Seiten, die durch großangelegte Vergleichsanalysen entdeckt werden können. Von der Aufdeckerung solcher Unterschiede erhoffen sich die Wissenschaftler Aufschluss auf die Entstehung sowie Entwicklung von Krankheiten.

Strukturelle Unterschiede entscheidender als früher gedacht

Bisherige Verfahren konnten solche größeren strukturellen Varianten aber bisher nur sehr grob erfassen – nämlich in Größenordnungen von 50.000 Basen. Korbels Methode erlaubt nun einen feinereren Blick auf die Unterschiede zwischen den Genomen. Seine Analyse hat zudem gezeigt, dass die unterschiedlichen Variationen des Genoms offenbar für wesentlich mehr Eigenschaften des Menschen verantwortlich sind als bisher angenommen und Analysen dieser Art wohl wichtiger zu sein scheinen, als man bisher vermutet hatte.

Bei einem Vergleich zwischen dem Genom einer afrikanischen mit einer europäischen Frau konnten die Forscher mehr als 1000 dieser strukturellen Variationen identifizieren – und viele von ihnen waren konzentriert auf bestimmte Stellen im Genom, die bereits in früheren Studien für die Entstehung von Krankheiten in Verbindung gebracht wurden. „Unsere Methode füllt Lücken, die im Humangenomprojekt noch nicht erschlossen werden konnten“, sagt Korbel, der hofft, dass sein Verfahren künftig in vielen Genomforschungsprojekten zur Anwendung kommt.

 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit