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DKFZ-Forscher wecken epigenetisch stillgelegte Gene wieder auf

Die epigenetischen Veränderungen des Erbguts von gesunden und kranken Zellen können mithilfe von Hochdurchsatz-Verfahren systematisch verglichen werden. Diese Erkenntnisse lassen sich für die Krebsdiagnostik nutzen. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Die epigenetischen Veränderungen des Erbguts von gesunden und kranken Zellen können mithilfe von Hochdurchsatz-Verfahren systematisch verglichen werden. Diese Erkenntnisse lassen sich für die Krebsdiagnostik nutzen. Quelle: Epigenomics AG

08.02.2007  - 

Welche Gene im Erbgut einer Zelle tatsächlich aktiv sind und welche nicht, das hängt unter anderem von sogenannten epigenetischen Mechanismen zusammen, zu denen auch die Methylierung gehört: Durch diese chemischen Veränderungen können einzelne Gene gezielt markiert und abgeschaltet werden. Manchmal trifft es dabei jedoch Genabschnitte, die normalerweise unkontrollierte Zellteilungsprozesse bremsen – können diese ihre Aufgabe nicht erfüllen, kann Methylierung zur Krebsentstehung beitragen. Für die Behandlung von Tumoren wäre es deshalb vielversprechend, solche epigenetischen Veränderungen wieder rückgängig zu machen. Wie solch ein Prozess auf molekularer Ebene abläuft, war allerdings bislang noch unklar. Nun hat eine Forschergruppe um Frank Lyko und Christof Niehrs vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg Licht ins Dunkle gebracht: Wie die Biologen im Fachmagazin Nature (Vol. 445, S. 671-675) berichten, spielt dabei das Enzym Gadd45a eine wesentliche Rolle. Es ist offenbar mit dafür verantwortlich, dass epigenetisch stillgelegte Gene wieder aktiviert werden.

Lange Zeit haben sich Wissenschaftler ausschließlich auf das Genom konzentiert, um herauszufinden, welche Gene für welche Funktionen zuständig sind. Inzwischen mussten sie feststellen, dass es dabei nicht allein auf die im Erbgut festgelegte Information, sondern auch auf deren korrekte Umsetzung ankommt. So haben Zellen das gleiche Genom – also die gleiche Abfolge von DNA-Bausteinen – aber erfüllen dennoch unterschiedliche Aufgaben. Der Grund hierfür liegt unter anderem in sogenannten epigenetischen Veränderungen, die in der Zelle ablaufen und die Genaktivität beeinflussen: Dabei werden Methylgruppen, kleine Moleküle mit einem Kohlenstoffatom, an bestimmte Bausteine der DNA geheftet. Diese Verpackung wiederum sorgt dafür, dass die so markierten Gene nicht mehr aktiviert werden können und auf diese Weise - in einen unfreiwilligen Schlaf versetzt - ihre Funktion nicht mehr ausüben. In den vergangenen Jahren haben Forscher nun herausgefunden, dass diese Methylierungsmuster bei Krebszellen anders aussehen als bei „normalen“ Zellen und auch solche Gene abgeschaltet werden, die im unmethylierten Zustand eine unkontrollierte Zellteilung bremsen (Tumorsuppressor-Gene).

Während sich einige Forschergruppen auf die Suche nach spezifischen Methylierungsmustern von Krebserkrankungen begeben haben, um die Früherkennung zu verbessern, suchen andere nach Möglichkeiten für neue Therapien. Schließlich ist es prinzipiell möglich, epigenetische Vorgänge auch wieder rückgängig zu machen. Unklar war bislang jedoch, wie eine solche Demethylierung auf molekularer Ebene vonstatten geht.

Entscheidender Akteur bei Demethylierung entdeckt

Ein Forscherteam um Christof Niehrs und Frank Lyko vom DKFZ in Heidelberg hat nun einen entscheidenden Akteur in diesem Prozess identifziert: das Enzym Gadd45a. Dies berichten sie im Fachmagazin Nature (Vol. 445, S. 671-675). Beide Wissenschaftler sind längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Als Entwicklungsbiologe wurde Christof Niehrs, heute Abteilungsleiter Molekulare Embryologie am DKFZ, unter anderem im Jahr 2003 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ausgezeichnet. Der 36-jährige Lyko wiederum gilt schon seit langem als Epigentik-Experte und leitet die Epigenetik-Abteilung am DKFZ. Im Jahr 2004 kürte ihn die US-Zeitrschrift Technology Review des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu den hundert interessantesten Nachwuchsforschern. Der Wissenschaftler ist zudem Träger des Heinz Maier-Leibnitz-Preises 2002, 2003 ging der Karl-Freudenberg-Preis an ihn.

Enzym als möglicher Angriffspunkt für Krebstherapie

Für die Wissenschaft ist Gadd45a ein alter Bekannter, denn das Eiweiß ist an vielen zellulären Prozessen beteiligt. Nun konnten die DKFZ-Forscher bei Experimenten in Zellkulturen mit humanen embryonalen Nierenzellen (HEK-Zellen) zeigen, dass eine gezielte Steigerung der Menge von Gadd45a stillgelegte Gene wieder aktiviert. Kontrollversuche ergaben dabei, dass an diesen reaktivierten Genen tatsächlich keine Methylgruppen mehr hafteten. Hatten die Wissenschaftler hingegen die Produktion von Gadd45a gezielt ausgeschaltet, war eine Übermethylierung vieler DNA-Abschnitte die Folge. In einer Reihe von Experimenten konnten Lyko und Niehrs zudem den Prozess der Demethylierung genauer als bisher nachzeichnen: Offenbar arbeitet Gadd45a beim Entfernen der Methylreste mit Schneide-Enzymen (Restriktionsendonukleasen) zusammen, die normalerweise zur DNA-Reparaturkolonne gehören und bei der Demethylierung dafür sorgen, dass die methylierten DNA-Bereich entfernt und durch unmethylierte Bausteine ersetzt werden. „Die Bedeutung, die Gadd45a für die Krebsentstehung hat, zeigt sich an Mäusen, denen dieses Eiweiß fehlt“, erläutern Niehrs und Lyko. „Die Tiere leiden besonders häufig an bösartigen Tumoren.“ Mit ihren neuen Erkenntnissen können die Wissenschaftler diese älteren Beobachtungen nun erklären: Sie vermuten, dass bedingt durch den Gadd45a-Ausfall Tumorsuppressor-Gene übermäßig methyliert werden, sodass viele der natürlichen Tumorbremsen versagen. Aus diesem Grund halten die Forscher Gadd45a für einen interessanten Angriffspunkt in der Krebstherapie.

Epigenetik in der Anwendung bislang noch schwieriges Geschäftsmodell

Wie schwer eine Anwendung epigentischer Erkenntnisse allerdings in der Praxis ist, zeigte unlängst das Biotech-Unternehmen Epigenomics. Als einzige Firma in Deutschland haben die Berliner ihr Geschäftsmodell darauf aufgebaut und entwickeln anhand von DNA-Methylierungsmustern Früherkennungsmarker für verschiedene Krebsarten und gewebebasierte Tests für die Prognose des Krankheitsverlaufs bei Krebs. Letztes Jahr musste Epigenomics allerdings einen herben Rückschlag einstecken: Kurz nach der Veröffentlichung der neuesten klinischen Daten ist Roche Diagnostics als wichtigster Kooperationspartner des Biotech-Unternehmens ausgestiegen. Nun muss ein neuer gefunden werden.


Mehr Informationen zu Epigenetik finden Sie beim europäischen Epigenom-Exzellenznetzwerk:http://epigenome.eu
Mehr Informationen zur deutschen Epigenetik-Forschung, die im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) vom BMBF unterstützt wird
hier.

 

Epigenetik

Das europäische Epigenetik-Exzellenz-Netzwerk

Seit 2004 existiert das europäische Epigenetik-Exzellenznetzwerk, in dem sich eine Vielzahl von Experten auf diesem Gebiet zusammengeschlossen haben. Auf einem Webportal berichten sie in verschiedenen Sprachen leicht verständlich über die Hintergründe dieser Forschungsrichtung.
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