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Debatte über Stammzellforschung in Berlin

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Embryonale Stammzellen unter dem Elektronenmikroskop. Quelle: University of Wisconsin-Madison

06.12.2005  - 

Führende deutsche Wissenschaftler fordern, freier mit embryonalen Stammzellen forschen zu dürfen. Ansonsten werde Deutschland den Anschluss an die internationale Spitzenszene verlieren. „Die parallele Forschung an adulten und embryonalen Stammzellen ist für die Ausschöpfung des therapeutischen Potentials unverzichtbar “, sagte Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster auf dem Forum der Deutschen Gesellschaft für Regenerative Medizin in Berlin.

Wenn man die Arbeiten an adulten und embryonalen Stammzellen gegeneinander ausspiele, so Schöler, würde unter Umständen schlechte Forschung mit adulten Stammzellen nur aus Gründen der politischen Korrektheit gefördert. Die deutschen Wissenschaftler äußerten zudem die Befürchtung, dass internationale Kooperationen erschwert werden. Bislang unterstützt die Europäische Union gemeinschaftliche Stammzellprojekte jeglicher Art, wie Gwennael Joliff-Botrell von der Europäischen Kommission auf dem Treffen in Berlin betonte. Im fünften Rahmenprogramm wurden 86 Millionen Euro für 53 Projekte bereitgestellt, im sechsten Rahmenprogramm stieg die Fördersumme auf über 300 Millionen Euro. Nur ein geringer Anteil von weniger als zehn Prozent der Projekte habe sich dabei mit embryonalen Stammzellen beschäftigt – also mit Stammzellen, die aus embryonalem Bindegewebe stammen und sich theoretisch in alle Arten von Zellen entwickeln lassen. Die EU-Vertreterin betonte aber auch, dass europäische Gemeinschaftsprojekte keine Unterstützung erhalten, wenn sie sich nicht an die Gesetze aller beteiligten Länder halten. „Ist die Forschung in einem der beteiligten Mitgliedsländer verboten, wird das Projekt nicht gefördert“, unterstrich Joliff-Botrell.

Wissenschaftler fordern neues Stammzellgesetz

Deutsche Forscher fürchten nun, dass Kooperationen mit Wissenschaftlern anderer Länder schwieriger werden. Anders als etwa in Großbritannien oder Schweden dürfen Wissenschaftler in Deutschland nämlich nur dann mit embryonalen Stammzellen arbeiten, wenn diese vor dem Stichtag 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Für die Arbeit an adulten Stammzellen, die beispielsweise aus dem Knochenmark von Patienten stammen, gelten weniger strenge Auflagen. Nach Ansicht von Frank Emmerich, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig, und Jürgen Hescheler, Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Universität Köln, ist mit dieser Regelung kaum kliniknahe Forschung möglich. „In die alten embryonalen Stammzellen haben sich Eiweiße von Mäusen und genetische Defekte eingeschlichen. Außerdem sind sie mit Zusätzen hergestellt, die heute nicht mehr üblich sind“, sagten sie in Berlin. Die Wissenschaftler appellierten daher an Bundesforschungsministerin Annette Schavan, das aktuelle Stammzellgesetz zu überarbeiten. Erste klinische Anwendungen erwarten die deutschen Forscher frühestens in fünf bis zehn Jahren, vor allem in der Behandlung von altersdegenerativen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Finanzspritze für britische Stammzellforschung

Dass andere Länder mit Stammzellen anders umgehen, machte Miodrag Stojkovic deutlich. Der Professor arbeitet derzeit im britischen Newcastle, vorher forschte er in München „Ich genieße die Freiheit, nicht überlegen zu müssen, wie viele Jahre Gefängnis es in Deutschland bedeutet, wenn ich zehn Stammzelllinien aus menschlichen Embryonen gewinne“, sagte er in Berlin. Auch finanziell lässt sich die britische Regierung die Stammzellforschung einiges kosten. Gerade hat sie angekündigt, für die kommenden zwei Jahre 100 Millionen Pfund (rund 146 Millionen Euro) für die Stammzellforschung bereitzustellen. Damit hat die Regierung auf die Empfehlungen der „UK Stem Cell Initiative“ reagiert, die in einer Studie zur britischen Stammzellforschung für die nächsten zehn Jahre einen jährlichen Beitrag von bis zu 74 Millionen Pfund von der Regierung einforderte.