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Weltweit erstes Algenhaus in Hamburg präsentiert

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Das BIQ-Algenhaus ("Bio Intelligenz-Quotient") steht im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Quelle: Martin Kerner/SSC

14.05.2013  - 

Biomasseproduzenten, Wärmelieferanten und Lärmschutz in einem: Die Flachbettbioreaktoren in der Fassade des weltweit ersten Algenhauses erfüllen viele Funktionen. Das Pilotprojekt des Hamburger Algenreaktorspezialisten SSC GmbH ist eines der Highlights der Internationalen Bauausstellung (IBA), die Ende März 2013 in Hamburg startete.  In den 129 gut 70 mm flachen Bioreaktoren an der Südwest- und Südostfront des Wohnquaders sollen Chlorella-Algen aus Sonnenlicht Biomasse produzieren. Und nicht nur das.

Laut Martin Kerner von der Hamburger SSC GmbH vereinen die in Modulen zusammengeschalteten, schwenkbaren Bio-Lamellen mehrere Vorteile: Sie wirken als Lichtschutz, der sich der Sonnenintensität anpasst, als Wärmeisolierung und Schallschutz. Zudem fungieren sie als Solarthermie-Element. Denn die nicht von den Algen zum Wachstum genutzte Sonnenenergie heizt deren Nährmedium auf und wird über einen Wärmetauscher eingefangen.

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Schema der erforschten (links) und der im Algenhaus bereits verwirklichten (rechts) Technologie.Quelle: Otto Wulff GmbH/SSC GmbH

Energieeffizient dank Wärmepumpe

„Energie, die im Sommer übrig bleibt, speichern wir in sogenannten Erdsonden“, so der Forscher. Die Energiepfähle leiten die überschüssige Wärme in 80 Meter Tiefe, wo sie im Erdreich gespeichert wird. Im Winter kann laut Kerner 70% der so gewonnenen Energie mittels einer Wärmepumpe für Heizung und Warmwasserbereitung zurückgewonnen werden. Den Praxistest hat das Pilotprojekt noch vor sich. Die zwischen 2010 und 2013 im Rahmen des Förderprogrammes „Zukunft Bau“ federführend von Ingenieuren um Jan Wurm von der Berliner Arup Deutschland GmbH in Zusammenarbeit mit dem Klima- und Fassadenspezialisten Colt International und der SSC realisierte Algenfassade ist zukunftsweisend, aber bauliches Neuland. Ende April ging die Algenreaktorfassade in Betrieb.

Lichtabhängiges Hyrid-System

Der Energiegewinn beim BIQ soll dadurch möglich werden, dass die Bioreaktoren nicht länger auf die Biomasseproduktion allein setzen. „Es ist ein hybrides System“, so Kerner. „Wir können ungefähr 38% der eingestrahlten Sonnenenergie über Solarthermie als Wärme einfangen und ungefähr 10% in Form von Biomasse speichern.“

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Da es sich jedoch um ein Demonstrationsprojekt handele, könne man über genaue Kilowattstunden-Angaben noch keine Aussagen treffen. Laut Kerner sollen Leistungsparameter und Wärmeerträge in den kommenden zwei Jahren untersucht werden. Um das bei anderen Bioreaktoren so energieaufwendige Umpumpen, Durchmischen der Algenkulturen und Ernten zu optimieren, haben Ingenieure und Forscher sich einiges einfallen lassen. Die 2,60 x 0,7 m großen, befüllt rund 200 kg schweren Flachbettkollektoren sind wie Heizkörper drucklos miteinander verschraubt. „Um das Medium in Bewegung zu halten, genügt eine kleine Pumpe mit einer Leistung von wenigen Watt“, erklärt Kerner. Zudem steigen periodisch große Luftblasen in dem Reaktor auf, die für eine optimale Durchmischung der Algenkulturen sorgen. Zugleich werden kleine, dem Medium zugemengte Putzkörperchen bewegt, die die Scheibe von innen säubern und dem Biofouling entgegenwirken. Auch die Ernte der Biomasse erfolgt laut Kerner vollautomatisch. „Solange das System nicht einfriert, kann es im Sommer und im Winter betrieben werden. Denn das Algenwachstum ist nicht temperatur-, sondern lichtlimitiert”, so Kerner.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie ein Bioreaktor funktioniert.Quelle: biotechnologie.tv

Viehfutter statt Biogas-Verbrennung

Statt die entstehende Biomasse zu vergären, wobei die wertvollen, durch die Algen gebildeten Fette und Öle verlorengingen, wird an einer Nutzung als Futtermittel geforscht. Vor Ort läuft ein von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe gefördertes F&E-Projekt zur hydrothermalen Umwandlung der Biomasse in Methangas, CO2 und Wasserstoffgas mit dem KIT. „Bis der Prozess steht und das für das Algenwachstum unverzichtbare CO2 liefert, wird dieses durch Verbrennung von Erdgas in einer Gastherme bereitgestellt, die Wärme aus der Erdgasverbrennung wird ins Nahwärmenetz eingespeist“, so der Forscher.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Weitere Ideen um Häuser noch Energiesparender zu machen haben die Forscher fest im Blick: Hinter das Isolierglas, das vor dem eigentlichen Reaktor verklebt ist, wollen sie ein Photovoltaik-Modul integrieren. Die Solarzelle könnte das Lichtspektrum unterhalb von 600 nm Wellenlänge zur Stromerzeugung nutzen, denn das brauchen die Algen nicht für ihr Wachstum. Damit ließen sich zusätzliche knapp 15% der Sonnenenergie nutzen.
Die Fassadentechnik ist jedoch nichts für Eigenheimbesitzer, denn sie braucht große Flächen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Mit steigender Fläche rechne sich zudem die Investition in die teure Steuer- und Regeltechnik der Energiezentrale, so Kerner. Ferner werde ein wirtschaftlicher Betrieb der Algenfassade erst durch ihren vollautomatischen Betrieb, inklusive Algenkultur und -ernte, möglich.
Der Ausflug in die Zukunft des Bauens scheint sich jedenfalls gelohnt zu haben. Zwar will Kerner konkrete Projekte nicht verraten. Das Interesse an der Fassadentechnik sei aber durch das Algenhaus geweckt. Schon im Herbst könne das nächste Projekt begonnen werden: ein 430 Meter hoher Algentower in der Taiwanesischen Stadt Taichung.

© biotechnologie.de/tg
 

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