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Mehr Biomarker für die Multiple Sklerose

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Im MS-Serum (linkes Bild) ist die Bindung des Autoantikörpers an die Zellmembran der Gliazellen deutlich erkennbar. Rechts zum Vergleich eine Blutprobe eines Patienten mit einer anderen neurologischen Erkrankung. Quelle: KKNMS

25.07.2012  - 

Ein Forscherteam des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) hat einen neuen möglichen Biomarker identifiziert, mit dessen Hilfe die entzündliche Nervenerkrankung einfacher und frühzeitiger diagnostiziert werden kann. Die Wissenschaftler haben im Blut von MS-Patienten einen speziellen Autoantikörper aufgespürt, der bevorzugt einen Kaliumkanal in der Zellmembran von Nervengewebe attackiert. Über ihre Entdeckung berichten die Forscher um den Münchner Neurologen Bernhard Hemmer in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine (2012, Bd. 367, S. 115). Der so entdeckte Autoantikörper weist Parallelen zu einem vor Jahren entdeckten Autoantikörper, der für eine Sonderform der MS charakteristisch ist.

Nach wie vor ist es aufwändig, Multiple Sklerose (MS) eindeutig zu diagnostizieren: Eine Vielzahl an Befunden erfordert erfahrene Neurologen, um die in Schüben auftretende Erkrankung des Zentralnervensystems eindeutig festzustellen. Bei MS wendet sich das körpereigene Immunsystem gegen den Organismus, fehlgeleitete Antikörper zerstören die Myelinscheiden, die die Nervenfasern schützen. Sie rufen dadurch schmerzhafte Entzündungen und irreparable Schäden kognitiver und motorischer Fähigkeiten hervor. Deshalb ist es wichtig, möglichst früh eine Therapie zu beginnen um eben diese Schädigungen zu vermeiden. Häufig aber wird die Autoimmunkrankheit, an der deutschlandweit zwischen 120.000 und 140.000 Menschen leiden, erst nach Jahren diagnostiziert.

Kaliumkanal wird attackiert

Das Münchner Team um Bernhard Hemmer von der Neurologischen Klinik des Klinikums Rechts der Isar ist auf dem Weg der Früherkennung jetzt einen Schritt weiter: Sie kamen einem Autoantikörper auf die Spur, der sich gegen den Kaliumkanal KIR4.1 als Ziel richtet. „Bei fast der Hälfte der untersuchten MS-Patienten konnten wir einen Autoantikörper gegen KIR4.1 im Blut nachweisen“, erläutert Hemmer. Kaliumkanäle sind beim Menschen an der Regulierung des Elektrolythaushalts beteiligt und damit auch an elektrischen Vorgängen in den Nerven- und Muskelzellen. KIR4.1 findet sich vor allem in der Zellmembran von Gliazellen, die für den Stoffwechsel im Gehirn und die Bildung der Markscheide verantwortlich sind.

Bei Menschen und Tieren, denen der Kaliumkanal KIR4.1 fehlt, wurden neurologische Ausfälle beobachtet: Sie konnten Bewegungen nicht richtig koordinieren, die Bildung der schützenden Myelinschicht über den Nervenzellen war gestört. Der Autoantikörper bindet genau dort an den Kaliumkanal, wo das Protein aus der Zellmembran herausragt. Im Tiermodell führt der Autoantikörper zum Verlust des für die Muskelkoordination wichtigen Kaliumkanals und löst die Immunantwort aus, die mit für die krankheitstypischen Entzündungen bei MS-Patienten verantwortlich ist.

Verräterische Parallelen

Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass der Kaliumkanal KIR4.1, der sowohl im ZNS als auch in den Nieren vorkommt, auch beim Menschen durch die Autoantikörper blockiert wird. Umso mehr, als sie bereits einen ähnlichen Biomarker bei einer besonderen MS-Verlaufsform identifiziert haben, wie Hemmer berichtet: „Ähnliches trifft auch auf Aquaporin-4 (AQP4) zu“, sagt er. Die Entdeckung eines spezifischen Antikörpers gegen AQP4 machte es 2004 möglich, eine maßgeschneiderte Therapie für Patienten mit der MS-Sonderform Neuromyelitis optica zu entwickeln. „Wir hoffen, dass KIR4.1 eine ähnliche Rolle für die MS spielen wird“, sagt Hemmer.

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Biomarker unterstützt eine personalisierte Medizin

Individualisierte Therapien und Diagnosen für die Multiple Sklerose sind eines der Ziele im Kompetenznetz MS, das in die Hightech-Strategie der Bundesregierung eingebettet ist. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat die Personalisierte Medizin 2010 zu einem von sechs Aktionsfeldern im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung erklärt. Im Frühjahr 2012 hat die Bundesregierung zudem auch das Zukunftsprojekt „Krankheiten besser therapieren mit individualisierter Medizin“ formuliert, in dessen Rahmen das BMBF und das Bundesgesundheitsministerium bis zu 370 Millionen Euro investieren wollen. Damit wird die Erforschung der Krankheitsprozesse mit Hilfe moderner Analyseverfahren, die Validierung vielversprechender Biomarker in vorklinischen Studien und die Entwicklung neuer Kooperationsmodelle gefördert. Auch Lösungen für den Umgang mit den nötigen Patientendaten, die ausgewertet, integriert und geschützt werden müssen, sind Teil des Aktionsplans.

Verbesserte Diagnostik

Die Studie der Münchner Forscher wurde im Rahmen des Forschungsverbunds CONTROLMS, eine der drei Untergruppen des MS-Kompetenznetzwerks, vom BMBF gefördert. Die bisherigen Studienergebnisse lassen Hemmer zufolge hoffen, dass KIR4.1 der Angelpunkt einer solchen Therapie für MS werden könnte. Der Autoantikörper lässt sich vor allem im Blut von MS-Patienten nachweisen, hingegen nur selten bei Menschen mit anderen neurologischen Erkrankungen. Bei Gesunden war der Antikörper nicht nachweisbar. In bereits eingeleiteten Folgestudien hoffen die Forscher nun herauszufinden, welche Bedeutung der Autoantikörper für die Entstehung von MS hat. „Er könnte zur Verbesserung der MS-Diagnostik beitragen und uns bei der Abgrenzung zu anderen neurologischen Erkrankungen unterstützen“, hofft Hemmer.

Autorin: Cornelia Kästner

 

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