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Signalweg in Fettzellen offenbart Hebel für Adipositas-Therapie

Insulinresistenz ist eine häufige Folge von Stoffwechselstörungen wie Adipositas und Diabetes. Ein deutsch-amerikanisches Foscherteam hat einen wichtigen Mechanismus für ihre Entstehung gefunden. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Insulinresistenz ist eine häufige Folge von Stoffwechselstörungen wie Adipositas und Diabetes. Ein deutsch-amerikanisches Foscherteam hat einen wichtigen Mechanismus für ihre Entstehung gefunden. Quelle: wikimedia commons/Nephron

05.06.2012  - 

Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat einen wichtigen molekularen Signalweg entdeckt, mit dem Körperzellen auf ein verändertes Zuckerangebot in ihrer Umgebung reagieren. Ein in der Zellmembran eingebauter Zuckertransporter kontrolliert in der Zelle einen Transkriptionsfaktor namens ChREBP. Dieses Molekül sorgt dafür, dass immer nur genau die Proteine gebaut werden, die in Anbetracht des jeweiligen Zuckerangebotes gebraucht werden. Bei vielen Diabetes- und Adipositas-Patienten ist dieser Mechanismus aber aus den Fugen geraten. Das zeigen Untersuchungen an Gewebeproben aus der vom Bundesforschungsministerium unterstützten Leipziger Biobank für Fettgewebe. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Nature (2012, Bd. 484, S. 333-338).

Lange Zeit galt Fettgewebe einfach nur als Energiespeicher für schlechte Zeiten. Die dort vorhandenen Zellen erregten bei Forschern wenig Interesse. Diese Einschätzung hat sich in den vergangenen Jahren radikal gewandelt. Inzwischen ist klar: das Fettgewebe ist hochaktiv und beeinflusst den gesamten Körper. Es schüttet hunderte verschiedener Substanzen aus: solche, die bei Entzündungen eine Rolle spielen (zum Beispiel Zytokine) oder bei der Regulation des Blutdrucks (zum Beispiel Angiotensin II). Auch das vor mehr als zehn Jahren entdeckte Hormon Leptin wird von Fettzellen gebildet.

Der Körper wird unempfindlich gegen das eigene Insulin

Auch bei der Krankheitsentstehung spielen die Fettzellen eine gewichtige Rolle, sie sind an Volkskrankheiten wie Adipositas oder Diabtes Typ 2 beteiligt. Viele Experten zählen diese beiden Krankheiten schon heute zu den größten Gesundheitsproblemen überhaupt. Daher ist es besonders wichtig herauszufinden, wie krankhaftes Übergewicht und Zuckerkrankheit überhaupt entstehen. Danach erst können neue Therapien oder Medikamente entwickelt werden. Bei den genannten Erkrankungen spielt die Insulinresistenz eine wesentliche Rolle. Der Körper wird dabei unempfindlich gegen das eigene Insulin. In der Folge steigt der Blutzuckerspiegel und der Abbau von Fett wird verhindert. Die Betroffenen geraten in einer Negativspirale immer tiefer in die Erkrankung, ohne dass es bisher eine Möglichkeit gab, den Kreislauf zu durchbrechen.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass 80 bis 85 Prozent der Adipositasbetroffenen eine Insulinresistenz entwickelt haben. Das Phänomen ist jedoch nicht auf Übergewichtige beschränkt, auch schlanke Menschen können betroffen sein. Ernährungsfaktoren wie fettreiche oder sehr kohlenhydratreiche Nahrung können sie fördern. An dieser Stelle setzt das deutsch-amerikanische Wissenschaftlerteam an mit der Ausgangsfrage, woher das Fettgewebe überhaupt weiß, wie kalorien- oder fettreich die zugeführte Nahrung ist.

Zellen schützen sich vor schädlichem Überangebot

Die Forscher von der Universität Leipzig und der Universitätsklinik Karlsruhe konzentrierten sich gemeinsam mit ihren US-Kollegen von den Universitäten Harvard und Washington auf die Vorgänge in Leber- und Fettzellen. Zucker wird von diesen Zellen über einen sogenannten Glukosetransporter (GLUT4) aufgenommen. Er steht unter der Kontrolle von Insulin. Entwickelt sich eine Insulinresistenz, so werden immer weniger dieser Transporter in die Zellmembran eingebaut. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Selbstschutz der Zelle vor dem schädlichen Überangebot an Zucker. Auf Grundlage dieser Erkenntnis haben die Harvard-Wissenschaftler die Aktivität des Glukosetransporters im Fettgewebe von Mäusen gezielt gedrosselt und anschließend die Auswirkungen untersucht. Das Ergebnis: GLUT4 kontrolliert einen Transkriptionsfaktor, der Gene an- und abschalten kann. Dieses sogenannte kohlenhydratresponsible Verbindungsprotein (carbohydrate-responsive-element-binding protein), kurz ChREBP, steuert den Auf- oder Abbau von Enzymen, die Zucker oder Fett abbauen. ChREBP ist damit eine Art intrazellulärer Sensor ist für das Zuckerangebot außerhalb der Zelle.

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Stellschraube für Therapieansätze

"Das ist ein spannender neuer Ansatz für eine Therapie", schätzt Matthias Blüher von der Leipziger Universitätsklinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie die Ergebnisse ein. ChREBP reguliert die Balance zwischen Zucker und Fett ab- und aufbauenden Prozessen in der Zelle. Durch eine Stimulation des Moleküls könne man alle günstigen Prozesse beeinflussen, um die Insulinsensitivität zu verbessern, so Blüher: „Wenn man an dieser Stellschraube dreht, weiß die Zelle, was sie mit dem zu viel an Zucker machen soll.“

Die Arbeitsgruppe des Mediziners verfügt über eine der weltweit größten Biobanken mit Fettgewebsproben. Den Ausbau der Leipziger Biobank für Fettgewebe fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 500.000 Euro. Die dort gesammelten Proben sind besonders gut hinsichtlich ihrer Insulinempfindlichkeit charakterisiert. Es wird unterschieden, ob ein Patient zu wenig Insulin produziert oder ob ausreichend produziert wird, das Insulin im Körper aber nicht wirkt. „Wir haben unsere Fettgewebeproben nun auch auf GLUT4 und ChREBP untersucht und damit die grundlegende Erkenntnis zur Bostoner Arbeit beigesteuert, dass ihre Mausergebnisse tatsächlich auf den Menschen übertragbar sind“, sagt Blüher. Adipositas und Typ 2-Diabetes sind nach wie vor nicht heilbar. Mit den neuen Erkenntnissen wollen die Forscher nun nach möglichen Therapieansätzen suchen. "Wir sind dankbar für jedes neue Molekül, das das Potenzial besitzt, mit den Erkrankungen zusammenhängende Stoffwechselprobleme zu beheben“, so Blüher. Alle Probleme werden sich aber auch mit dem neuen Ansatz nicht lösen lassen, weiß der Forscher: „Man wird Adipositaspatienten damit zwar nicht schlank machen können, aber zumindest stoffwechselgesünder."

© biotechnologie.de/bk

 

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