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Wirkmechanismus von Rizinusöl aufgeklärt

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Der Wunderbaum (Ricinus communis) liefert mit seinen Samen den Rohstoff für eines der ältesten Arzneimittel der Menschheit. Quelle: Robodoc/wikimedia commons

23.05.2012  - 

Forscher des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben den Wirkmechanismus von Rizinusöl aufgeklärt. Obwohl die Substanz als eines der ältesten Arzneimittel der Welt gilt – schon die alten Ägypter verließen sich auf ihre abführende Wirkung –  war ihr Wirkmechanismus bisher nicht verstanden. Erst jetzt ist es den Forschern um Stefan Offermanns und Sorin Tunaru gelungen, den Mechanismus aufzuklären. Ein Bestandteil des Öls wirkt auf einen in Darm und Gebärmutter vorkommenden Rezeptor, berichten sie im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Science (2012, Online-Vorabveröffentlichung).

Eigentlich stammt der Wunderbaum (Ricinus communis), aus dessen Samen das Öl gewonnen wird, aus den tropischen Gebieten Äthiopiens. Im Ägypten des Altertums diente Rizinusöl als bekanntes und vielseitiges Heilmittel sowie als Brennstoff für Öllampen. Auch in der griechischen und römischen Antike wurde Rizinusöl in der Medizin eingesetzt. Seit vielen Jahrhunderten findet es zusätzlich als wehenförderndes Mittel Verwendung: Die in der Geburtshilfe immer noch zum Einsatz kommenden „Wehencocktails“ enthalten unter anderem diesen Wirkstoff.

Während das Öl als Hausmittelchen gegen Verstopfungen immer noch seinen festen Platz hat, ist die Schulmedizin in den vergangenen Jahrzehnten in seinem Einsatz zurückhaltender geworden. Der Grund: Bisher war nicht klar, wie genau das Öl seine Wirkung vermittelte. So konnten aber Neben- oder Wechselwirkungen mit modernen Arzneien kaum vorhergesagt werden.

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Die Bad Nauheimer Forscher um Offermanns und Tunaru haben nun das lange gehütete Geheimnis gelüftet: „Es war schon viele Jahre bekannt, dass ein bestimmter Bestandteil, nämlich die im Darm aus dem Öl herausgelöste Rizinolsäure, für die Wirkung verantwortlich ist.“ Allerdings habe man bis jetzt angenommen, dass dessen Wirkung über eine lokale Reizung der Darmschleimhaut ausübt werde. „Wir konnten nun zeigen, dass es sich um eine echte pharmakologische Wirkung handelt“, sagte Tunaru, der das Forschungsprojekt leitete.

Rizinolsäure aktiviert Prostaglandin-Rezeptor

In der Zellkultur zeigte sich, dass die Rizinolsäure einen bestimmten Rezeptortyp aktivierte, sogenannte G-Protein gekoppelte Rezeptoren. Zu dieser Gruppe gehören hunderte unterschiedliche Rezeptoren, welche die Kommunikation innerhalb der Zelle beeinflussen. Um herauszufinden, welchen Rezeptor die Rizinolsäure genau beeinflusst, machten sich die Bad Nauheimer Forscher auf die Detailsuche. Hunderte Rezeptoren wurden systematisch ausgeschaltet und anschließend die Reaktion der Zellen auf Rizinolsäure getestet. Am Ende gelang es, den für die Effekte der Rizinolsäure entscheidenden Rezeptor mit dem Namen EP3, der normalerweise durch das Gewebshormon Prostaglandin E2 aktiviert wird, zu identifizieren.
 

Die Samen des Wunderbaums enthalten rund 40-50% Öl, und jeweils rund 20% Rohfasern und Proteine.Lightbox-Link
Die Samen des Wunderbaums enthalten rund 40-50% Öl, und jeweils rund 20% Rohfasern und Proteine.Quelle: Schnobby/wikimedia commons

„Den schlagenden Beweis lieferten uns dann Experimente mit Mäusen, in denen der Rezeptor EP3 zuvor durch einen genetischen Eingriff gezielt ausgeschaltet worden war“, berichtet Tunaru. „Anders als ihre genetisch nicht veränderten Artgenossen zeigten die Mäuse, denen der Rezeptor EP3 fehlte, nach der Gabe von Rizinusöl oder auch nur der Rizinolsäure keine vermehrte Darmentleerung.“ Bei trächtigen Tieren wiederum sei keine verstärkte Wehentätigkeit festgestellt worden. Offenbar wird die Rizinolsäure über die Darmschleimhaut aufgenommen. Anschließend wird der Rezeptor EP3 auf den Muskelzellen des Darms und der Gebärmutter aktiv. Dies wiederum regt die Darm- und Wehentätigkeit an. 

Nachdem nun der genaue Wirkmechanismus bekannt ist, könnte das Rizinusöl eine Renaissance in der Schulmedizin feiern, hofft Offermanns. Aber auch synthetische Arzneien könnten von dem neuen Wissen profitieren. Beispielsweise werden heutzutage zur Steigerung der Wehentätigkeit auch Substanzen verwendet, die den EP3-Rezeptor aktivieren, so Offermanns: „Denkbar ist, dass man aus diesen Substanzen milde Medikamente zur Darmreinigung oder Förderung der Darmaktivität entwickelt.“ Fest steht für die Wissenschaftler jedenfalls eines: Viele der in der Medizin verwendeten Naturheilmittel entfalten letztendlich ebenso wie synthetisch hergestellte Wirkstoffe ihre Wirkung über spezifische, molekular definierte Mechanismen.

© biotechnologie.de/bk
 

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