Forschungsförderung: Bund und Länder sollen wieder kooperieren dürfen
06.03.2012 -
Der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat am 4. März beschlossen, die Hochschul-Wissenschaft in den Ländern stärker durch den Bund zu fördern. Das von Bundesforschungsministerin Annette Schavan vorangetriebene Projekt soll die Finanzierung der Hochschulen auf solidere Füße stellen. In Zukunft sollen sie vom Bund auch Geld für Einrichtungen und Institutionen – und nicht mehr nur für zeitlich befristete Projekte – erhalten können. Dafür ist allerdings eine Grundgesetzänderung nötig, für die die Koalition auf Stimmen aus der Opposition angewiesen ist. Die hat allerdings bereits ihren Widerstand angekündigt.
In Sachen Wissenschaftsförderung geht die Regierung mit dem am 4. März 2012 im Koalitionsausschuss beschlossenen Projekt in die Offensive. Geht es nach Bundesforschungsministerin Annette Schavan, so soll in Artikel 91b des Grundgesetzes die Beschränkung der Hochschulförderung auf „Vorhaben“ künftig passé sein. Nach dem Einfügen von zwei Worten sollen in Zukunft „Vorhaben und Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“ vom Bund förderungswürdig sein. Damit könnten Bundesmittel für langfristige und dauerhafte Bund-Länder-Kooperationen fließen. Wie Schavan am 5. März in Berlin sagte, sei die Änderung ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Universitäten und Fachhochschulen: „Die Hochschulen sind das Herz der Wissenschaft. Daher muss es möglich sein, dass Bund und Länder dort zusammenarbeiten.“ Die Ministerin gibt einen straffen Zeitplan vor: Innerhalb von zwei Wochen soll der Referentenentwurf fertig sein. Noch vor der Sommerpause könnte dann der Gesetzesentwurf dem Kabinett vorliegen. Erreicht der Entwurf schließlich im Herbst eine Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag, könnte das geänderte Gesetz bereits Anfang 2013 inkrafttreten.
Nachteile für ärmere Länder verringert
Seit der Föderalismusreform 2006 sind die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern stark eingeschränkt. Das Geld des Bundes fließt fast ausschließlich in außeruniversitäre Einrichtungen wie in die Institute der Max-Planck-Gesellschaft oder die Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft. Hochschuleinrichtungen werden ausschließlich durch Landesmittel finanziert. Allerdings können die Universitäten zeitlich befristete Zuschüsse für „Vorhaben von überregionaler Bedeutung“ vom Bund bekommen. Beispiele dafür sind der Hochschulpakt und die 2017 auslaufende Exzellenzinitiative, der Elite-Wettbewerb der Universitäten. Der Präsident der Universität des Saarlandes Volker Linneweber sieht mit der anvisierten Gesetzesänderung einen gravierenden strukturellen Nachteil bereinigt: „Mit einer stärkeren Förderung vom Bund können die Universitäten – unabhängig von der Finanzkraft des Bundeslandes – besser mit der internationalen Spitzenforschung konkurrieren.“
Setzt Bundesministerin Annette Schavan ihren Plan durch, sie würde der Weg freigeräumt für die Finanzierung des geplanten „Berlin Institute for Health“ (mehr...). Bei der Einrichtung des „Karlsruhe Institute of Technology“ (KIT) 2009 musste die Technische Universität Karlsruhe noch – juristisch umständlich – mit dem Helmholtz-Zentrum verschmelzen. Schavan nannte auch Dresden als einen möglichen Standort, an dem bald universitäre und außeruniversitäre Forschung stärker miteinander verbandelt sein könnten: „Dort finden bereits Gespräche zwischen den verschiedenen Trägern von Wissenschaftseinrichtungen statt.“
Objektive Förderungsentscheidungen angemahnt
Für die Änderung ist eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat nötig. In der Länderkammer dürften vor allem finanzschwache Länder den Vorschlag unterstützen. Auch die SPD-geführten Länder Hamburg, Berlin und Brandenburg haben bereits mehr Bundesgeld für die Bildung beantragt. Schleswig-Holsteins Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) hofft angesichts wachsender Studentenzahlen und klammer Haushaltskassen auf das Geld vom Bund: „Der Bund verfügt über erhebliche Mittel, nicht aber über die entsprechenden Zuständigkeiten. Bei den Ländern ist das umgekehrt.“ Für Beobachter verbirgt sich hierin Konfliktpotenzial, denn obwohl die Länder das Geld benötigen, werden sie kaum gewillt sein, sich in die landeseigene Bildungspolitik hereinreden zu lassen.
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Das könnte nach Ansicht von Kritikern aber indirekt passieren – über genehmigte oder abgelehnte finanzielle Zuwendungen aus Berlin. Der bayrische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) macht die Zusage seines Bundeslandes daher von einem objektiven Entscheidungsverfahren über die Förderzusagen – zum Beispiel über den Wissenschaftsrat – abhängig.
Vorbehalte in der Opposition
Auch im Bundestag sind die Hürden für die geplante Gesetzesänderung hoch. Die Regierung benötigt bei einer möglichen Abstimmung im Herbst mehr als 80 Stimmen aus den Oppositionsreihen. Diese zeigte sich bislang reserviert. Hauptkritikpunkt ist die Fixierung auf die Wissenschaft und hierbei insbesondere auf die Förderung von Eliteuniversitäten. Mit Verweis auf die lückenhafte Finanzierung von Schulen in den Ländern, will die SPD das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern für die gesamte Bildungspolitik aufheben. Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles zeigt sich daher für Schavans Unterstützungsaufforderung wenig zugänglich: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir hier eine Teillösung akzeptieren.“ Es gibt also noch reichlich Gesprächsbedarf, bis der Plan einer forcierten Bundesförderung für die Universitäten umgesetzt werden kann.
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