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Die größten Entdeckungen 2011

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Das Jahr 2011 war voller biotechnologischer Sternstunden. Auch deutsche Forscher trugen ihr Scherflein dazu bei. Quelle: borntaler/pixelio.de

30.12.2011  - 

Allerorten wird im Dezember Bilanz gezogen und auf das vergangene Jahr zurückgeschaut. Auch in den Naturwissenschaften ist das nicht anders: Traditionell präsentiert das Fachmagazin Science in seiner letzten Dezemberausgabe den wissenschaftlichen „Durchbruch des Jahres“. Die Wissenschaftsredaktion von Nature Methods kürt die „Methode des Jahres“ und das Mutterblatt Nature blickt zurück auf Persönlichkeiten und Ereignisse, die das Jahr maßgeblich beeinflusst haben. Auch 2011 kamen viele der spannendsten Forschungsergebnisse aus den Lebenswissenschaften. An einigen der Arbeiten waren deutsche Forscher beteiligt.

Der Durchbruch des Jahres 2011 birgt neue Hoffnung für die rund 34 Millionen HIV-Infizierten weltweit. In der Studie mit dem Kürzel HPTN 052 wurde erstmals gezeigt, dass eine Behandlung mit anti-retroviralen Medikamenten (ARV) eine Ansteckung mit der gefährlichen Krankheit wirksam unterbinden kann. An der Studie nahmen mehr als 1700 heterosexuelle Paare teil, bei denen einer der Partner HIV-positiv war. Bei ihnen konnte die Übertragungsrate um 96 Prozent gesenkt werden. Das zeigen die Anfang August im New England Journal of Medicine (2011, Bd. 365, S. 493) präsentierten Studienergebnisse. Für die Science-Redaktion wird die Behandlung mit ARVs damit zum „game changer“, der großen Einfluss haben wird auf die künftige Aids-Therapie. „Behandlung ist Vorbeugung“, lautet das Fazit von Anthony Fauci, dem obersten Aidsberater der US-Regierung.

Eine sogenannte virologische Synapse zeigt, wie HIV-Material von Zelle zu Zelle übertragen wird. Eine HIV-Präventionstudie ist nach Ansicht von Science die wichtigste wissenschaftliche Erkenntnis des Jahres.Lightbox-Link
Eine sogenannte virologische Synapse zeigt, wie HIV-Material von Zelle zu Zelle übertragen wird. Eine HIV-Präventionstudie ist nach Ansicht von Science die wichtigste wissenschaftliche Erkenntnis des Jahres.Quelle: Benjamin Chen

Erfolg bei Impfstoffentwicklung gegen Malaria

Unter den weiteren Top-Ten-Resultaten 2011 finden sich fünf weitere mit einem Bezug zu den Lebenswissenschaften. Eine im Oktober veröffentlichte Phase III-Studie mit dem Malaria-Impfstoff RTS,S hat gezeigt, dass schwere Krankheitsverläufe durch die Vakzine um etwa die Hälfte reduziert werden konnten. Im Vergleich mit vielen anderen Infektionskrankheiten mag dieser Wert gering erscheinen, aber Malariaforscher feiern den Impfstoff dennoch als Erfolg (mehr…). „Wissenschaftler haben gezeigt, dass es möglich ist, basierend auf moderaten Ergebnissen etwas Besseres zu schaffen“, schreibt Science dazu.

Neandertaler-DNA für starke Immunabwehr

Mit dem Immunsystem steht eine weitere überraschende Entdeckung 2010 in Verbindung. Offenbar stammen einige der für die Immunabwehr wichtigen Gene von unseren urzeitlichen Verwandten, wie dem Neandertaler oder dem Denisova-Menschen. Angestoßen wurden die neuen Arbeiten durch eine Veröffentlichung Leipziger Forscher um den Paläogenetiker Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Sie hatten im Mai 2010 berichtet (Science, 2010, Bd. 328, S. 710), dass sich im Erbgut des modernen Menschen rund vier Prozent Neandertaler-DNA findet (mehr…).

Während seine Immunabwehr krankmachende Keime in Schach hält, bietet der Mensch gleichzeitig Billionen von ungefährlichen Bakterien eine Heimat. Die Zusammensetzung der Biome scheint dabei einem bestimmten Muster zu folgen. Einer im Fachmagazin Nature (2011, Bd. 473, S. 174) veröffentlichten Studie zufolge gehört jeder Mensch zu einem von drei Darmtypen (mehr…). Das könnte eine frühere Diagnose oder eine gezieltere Therapie von Krankheiten ermöglichen und ist für Science daher eine der wichtigen Erkenntnisse 2011.

Die Anopheles-Mücke ist der Überträger des Malaria-Erregers in Afrika.Lightbox-Link
Die Anopheles-Mücke ist der Überträger des Malaria-Erregers in Afrika. Ein Impfstoffkandidat gegen die Tropenkrankheit wird derzeit erprobt.Quelle: Jim Gathany/CDC
   

Angenehmes Leben im Alter

Hoffnung auf ein angenehmeres Leben im Alter verheißt eine Studie, bei der Mäuse von abgestorbenen Zellen befreit wurden. Nach dem Eingriff setzten bei den Nagern altersbedingte Probleme wie Grauer Star und Muskelschwund erst später ein.

Spannende Erkenntnisse gab es auch in der Pflanzenforschung: Aufbauend auf einer Strukturanalyse deutscher Forscher aus dem Jahr 2001 konnten Wissenschaftler in diesem Jahr detailliert den Aufbau des Photosystem II (PSII) aufklären, ein Protein-Komplex, der für die Photosynthese unverzichtbar ist. Möglicherweise können diese Daten genutzt werden, um neue und saubere Formen der Energieerzeugung zu entwickeln, hoffen die Science-Redakteure.

Stammzell-Urteile, EHEC-Krise und Pesterreger-Genom

Das Fachjournal Nature hat sich für 2011 auf die Auswahl der wichtigsten Wissenschaftsnachrichten beschränkt: Gerichtsurteile zur Stammzellforschung, umstrittene Arsenbakterien und turboschnell ermittelte Genomsequenzen haben nach Ansicht der Nature-Redaktion die weltweiten Schlagzeilen aus der Biotechnologie geprägt. Für Forscher, die sich mit embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) beschäftigen, war 2011 eine regulatorische Achterbahn.

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Neandertaler hält Anteile an unserem Erbgut

In den USA sprach sich ein Gericht gegen einen öffentlichen Förderstopp bei ES-Zellen aus, der Europäische Gerichtshof wiederum entschied im Oktober für ein Verbot auf Patente, die auf ES-Zellen basieren (mehr...). Bakterien, die vermeintlich Arsen als Baustein in ihre DNA einbauen, bescherten der Wissenschaftler-Gemeinde eine hitzige Forschungsdebatte. Bei vielen Mikrobiologen regte sich ernste Zweifel an den Ergebnissen, die NASA-Forscher seinerzeit offenbar vorschnell als Sensation vorgestellt hatten (mehr...). Die rasanten technischen Fortschritte in der Entzifferung von Erbgutmolekülen haben nach Ansicht von Nature auch 2011 wieder für Furore gesorgt. So gelang es etwa Forschern in Deutschland und China während der EHEC-Krise innerhalb von Tagen, das Genom des gefährlichen Escherichia coli- Stammes O104:H4 zu entziffern (mehr...). Die Epidemie hatte Deutschland im Frühjahr in Atem gehalten. Die Genomsequenz eines anderen Übeltäters aus längst vergangenen Tagen wurde ebenfalls zutage gefördert: Der Erreger des „Schwarzen Todes“ (mehr...).  Eine Reihe vielversprechender Biotech-Medikamente erlangte 2011 die Zulassung für den Markt. Als bedeutendste Veröffentlichung für Wirkstoffentwickler schätzt das Redaktionsteam des Topjournals die Präsentation der dreidimensionale Struktur eines wichtigen Rezeptormoleküls ein (Nature 2011, Bd. 469, S.236). Der in der Publikation analysierte G-Protein-gekoppelte Rezeptor ist ein Zielmolekül für rund ein Drittel aller derzeit entwickelten Medikamente.

Präzise Gen-Chirurgie ist Methode des Jahres

Die Schwesterzeitschrift Nature Methods kürte indes das gentechnische Verfahren des “Genome Editing“ zur Methode des Jahres 2011. Gemeint sind eine Reihe an Designer-Proteinen, mit denen sich im Erbgut eines Organismus hochpräzise Eingriffe vollführen lassen. Es handelt sich dabei insbesondere um Nuklease-Enzyme, die so programmiert werden, dass sie an einer ausgewählten Stelle in der DNA Schnitte setzen können. Damit lassen sich Gene auf direktem Weg stabil ab- oder anschalten und verändern. Die eingesetzten „Hightech“-Enzyme tragen Namen wie Zinkfinger-Nukleasen oder TALE-Nukleasen. Nach Ansicht von Nature Methods hat es im zu Ende gehenden Jahr wichtige Fortschritte in der Entwicklung der Nukleasen gegeben, die die genetische Grundlagenforschung wie auch die molekulare Medizin und die Gentherapie entscheidend beeinflussen werden. Auch deutsche Molekularbiologen gehören zu den führenden Entwicklern des Genome editing (mehr...).

Kontroverse um Supervirus-Publikation

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Das Jahr 2011 war ein Jahr voller Erkenntnisse in der Biotechnologie, und doch können die Forscher nicht entspannt in das neue Jahr gehen. Viele beschäftigt eine Kontroverse, die seit Ende November nicht nur Biologen in Atem hält. Sowohl niederländischen Forschern um Ron Fouchier als auch japanischen und amerikanischen Forschern um Yoshihiro Kawaoka ist es offenbar gelungen, den Vogelgrippe-Virus H5N1 genetisch so zu verändern, dass er so ansteckend wie das Schweinegrippevirus ist. Schon auf einer Konferenz im September berichtete Fouchier, dass dazu nur wenige Mutationen nötig seien, die zusammen auch so in der Natur auftreten könnten.

Die Ergebnisse sollten eigentlich schon längst im Fachblatt Science erscheinen, doch das amerikanische Gremium für Biosicherheit (National Science Advisory Board for Biosecurity, NSABB) blockiert dies derzeit. Die NSABB befürchtet, dass die genaue Beschreibung der notwendigen Mutationsschritte, sollte sie veröffentlicht werden, eine Bauanleitung für Bioterroristen sein könnte. Das Vorgehen spaltet die Forscher. Einige stimmen der Blockade zu, viele sehen die Freiheit der Forschung gefährdet. Zudem könne eine genaue Kenntnis der entscheidenden Mutationen dazu beitragen, Methoden zu entwickeln, um in Zukunft besonders tödliche Virusvarianten schnell zu identifizieren und Schutzmaßnahmen einzuleiten.

Anfang 2012 will das NSABB sagen, was nun veröffentlicht werden darf. Die Diskussion um die Freiheit der Forschung wird damit wohl nicht beendet sein.

Mit diesem Rückblick verabschiedet sich die Redaktion von biotechnologie.de für dieses Jahr. Am 2. Januar 2012 melden wir uns wieder zurück mit allerlei Wissenswertem über die Biotechnologie in Deutschland. Bis dahin: Kommen Sie gut ins Neue Jahr!

© biotechnologie.de/bk, pg, cm
 

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