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Antibiotika aus dem Baukasten

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Die biotechnologisch hergestellten antibakteriellen Peptide verhindern das Wachstum von Bakterien, in diesem Fall des Karies verursachenden Streptococcus mutans, auf einem kreisförmigen Areal. Quelle: Fraunhofer IZI

21.06.2011  - 

Eigentlich ging es Andreas Schubert um wirklich sauberen Salat. Wenn Rucola, Chicoree & Co von den meisten natürlichen Keimen befreit werden könnten, so Schuberts Gedankengang, könnte das Grün im Supermarkt viel länger frisch bleiben - ein gewaltiger Vorteil für den Handel. Der Zellbiologe am Fraunhofer Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig konstruiert dazu auf biotechnologischem Wege kleine Eiweiße, die Bakterien zerstören. Bisher konnten Schubert und seine Kollegen rund 60 dieser sogenannten Peptide herstellen. Die Methode könnte aber auch zu ganz neuen Antibiotika führen. "Der Bedarf ist hoch", sagt Schubert. Er konnte das in den vergangenen Tagen von ganz verschiedenen Seiten hören.


Jeden Monat gibt die Fraunhofer Gesellschaft den Mediendienst heraus, ein Dokument, in dem eine Auswahl an laufenden Forschungsprojekten aus den einzelnen Instituten vorgestellt wird. Seit in der jüngsten Ausgabe berichtet wurde, dass Andreas Schubert am IZI mehr und mehr antibakteriell wirksame Peptide identifiziert, steht das Telefon des Forschers nicht mehr still. "Rund fünfzig Anrufe waren es bisher", sagt Schubert. Die Medien, die Lebensmittelbranche, die Pharmaindustrie: Sie alle interessieren sich für die kurzen Aminosäureketten, die Schubert und seine Kollegen in immer neuen Kombinationen herstellen und auf ihre Wirkung auf Bakterien hin testen. 60 Kandidaten sind mittlerweile identifiziert. "Und dabei haben wir erst einen Bruchteil an Varianten ausprobiert", so Schubert.

In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie Antibiotika funktionieren.Quelle: biotechnologie.tv

Salat soll zwei Tage länger frisch bleiben

Ursprünglich wollte Andreas Schubert in seinem Forschungsprojekt eine Lücke schließen, die dem Lebensmittelhandel auf der einen Seite und den Landwirten auf der anderen Seite Kopfzerbrechen bereitet. "Der Handel hätte gerne, dass Frischsalat eine volle Woche haltbar ist", sagt Schubert. "Die Hersteller können bisher aber nur fünf Tage garantieren." Nach Ablauf dieser Frist sorgt die Vermehrung von auf dem Salat verbliebenen Keimen oft zu Fäulnisprozessen. Trotz mehrmaligen Waschens nach der Ernte lassen sich natürliche Keime nicht vollständig entfernen. Schubert fragte sich, wie sich die Keimlast entscheidend verringern ließe. Sein Blick fiel schnell auf antimikrobielle Peptide (AMP). Viele Tiere und Pflanzen benutzen diese kleinen Eiweiße, die aus einer Kette von rund zwanzig Aminosäurebausteinen bestehen, um Bakterien im Organismus zu bekämpfen. Für den Einsatz im Lebensmittelbereich sind die winzigen Peptide auch deshalb geeignet, " da die im Projekt untersuchten kurzkettigen Peptide kein allergologisches Risiko bei einer Zugabe in Lebensmittel aufweisen", so Schubert.

Fraunhofer Instiut für Zelltherapie und Immunologie

Andreas Schubert leitet die Arbeitsgruppe "Vaskuläre Biologie", die eigentlich nach einer Gentherapie für die Atherosklerose sucht. Da Herz-Kreislauferkrankungen oft durch Karies oder Parodontitis) begünstigt werden, liegt ein weiterer Schwerpunkt in der Etablierung einer Therapie gegen orale Streptokokken und gegen Keime überhaupt.

zur Arbeitsgruppe: hier klicken

Innerhalb von wenigen Minuten sind die Keime tot
Basierend auf Untersuchungen von in der Natur bereits wirksamer Peptide fügten die Fraunhofer-Forscher die Aminosäuren in neuartigen Kombinationen zusammen. Die entsprechende Peptid-Bauanleitung in Form von DNA fügten sie in das Erbgut von Bakterien ein und ließen diese dann die neuartigen Peptide zusammenbauen. Dabei wurden die Bakterien mit speziellen biotechnologischen Tricks vor ihren eigenen, potenziell antibakteriell wirksamen Produkten geschützt. Anschließend testeten die Forscher die entstandenen AMPs massenweise in großen Reihenassays. Die künstlich hergestellten AMPs wirkten dabei rund eine Stunde auf Hefen, Schimmelpilze und Enterokokken ein.

Das Ergebnis ließ aufhorchen. "Antibiotika-Peptide können Keime innerhalb von wenigen Minuten beseitigen. Auch wirken sie bereits bei einer Konzentration von unter 1 µM, konventionelle Antibiotika hingegen erst bei einer Konzentration von 10 µM", so Schubert. Zudem würden herkömmliche Antibiotika wie Penicillin die Bakterien nur in ihrer Vermehrung hemmen. Die AMPs hingegen erledigen ihre Aufgabe gründlicher. "Da sie leicht positiv geladen sind, können die AMPs an die negativ geladene Bakterienmembran andocken", so Schubert. "Dann durchlöchern sie die Hülle, das Bakterium blutet regelrecht aus."

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Die besten Peptide werden bald in Mäusen getestet

Diese Durchschlagskraft ist vielleicht nicht nur im Salatregal von Nutzen. "Gleich zu Beginn schwebte uns auch ein möglicher Einsatz als Medikament vor", sagt Schubert. Und so testeten die Wissenschaftler ihre vielversprechendsten AMP-Varianten auch erfolgreich an Viren sowie an Bakterien, die beim Menschen vorkommen, wie dem Streptococcus mutans, der in der Mundhöhle Karies erzeugt. "Sogar der multiresistente Krankenhauskeim Staphylococcus aureus wurde in unseren Tests in seinem Wachstum stark beeinträchtigt", so Schubert. Zugleich "konnten wir beobachten, dass die in unseren Tests identifizierten Peptide gesunde Körperzellen nicht schädigen". Diese Kombination hat nicht nur Wissenschaftlerkollegen aufhorchen lassen.

"Bisher haben sich rund 15 Unternehmen aus dem Pharmabereich bei mir gemeldet", sagt Schubert. Mit einem oder mehreren Partnern werden bald ausführlichere Untersuchungen in vivo an Mäusen beginnen. "Da geht es dann darum, wie schnell die Peptide etwa im Körper abgebaut werden und wie wir das hinauszögern können", sagt Schubert. Ob daraus einmal alternative Antibiotika entstehen, das werden die nächsten Jahre zeigen. Erst einmal will Schubert sich Patente auf die Identifizierung der AMPs sichern. "Eine wissenschaftliche Veröffentlichung steht auch noch an." Aber auch hier denkt der Zellbiologe schon einen Schritt weiter. "Was uns ebenfalls interessiert, ist der Einsatz dieser Peptide gegen Tumoren. Hier erwarte ich mir ebenfalls interessante Entdeckungen."

 

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