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Ausgesperrt: Eiweiß-Bruchstücke wehren HIV ab

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Mit Hilfe bestimmter Ankermoleküle an seiner Oberfläche dockt das HI-Virus an menschlichen Immunzellen an. Quelle: psdesign1/Fotolia

29.12.2010  - 

Forscher aus Hannover und Ulm haben mit Erfolg einen neuen Wirkstoff erprobt, mit dem sich das HI-Virus in Schach halten lässt. Das von ihnen entdeckte Eiweißmolekül VIRIP-576 verhindert das Andocken des HI-Virus an menschliche Immunzellen. „Es ist ein ganz neuer wirksamer Therapieansatz, von dem wir uns weniger Nebenwirkungen erhoffen“, sagte Reinhold E. Schmidt von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der VIR-576 in einer ersten klinischen Studie an 18 HIV-Infizierten testete. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt Science Translational Medicine (Dezember 2010, Bd.2, S.63re) veröffentlicht. Zwar ist die Therapie bislang nur als Dauerinfusion möglich und damit noch nicht praktikabel für den klinischen Alltag. Von dem Wirkprinzip versprechen sich die Forscher auch Fortschritte im Kampf gegen Viruserkrankungen wie Hepatitis C oder Ebola.

Schon seit Mitte der 1990er Jahre gibt es hochwirksame Medikamente, die das HI-Virus an der Vermehrung hindern. In Ländern wie Deutschland erreichen HIV-Infizierte bei konsequenter Therapie fast die normale Lebenserwartung, allerdings sind noch immer schwere Komplikationen möglich, zum Beispiel Schlaganfall oder Leberschäden. Medikamente greifen an verschiedenen Punkten in der Vermehrungszyklus des Aids-Erregers ein, um eine weitere Ausbreitung zu unterbinden. Eine der Strategien versucht dabei zu verhindern, dass HI-Viren überhaupt an ihre Wirtszellen im Körper andocken und mit ihnen verschmelzen können. Bei diesem ersten Schritt der HIV-Infektion rammen die Erreger wie einen Enterhaken ein Molekül in die Zellmembran der angesteuerten Immunzelle, das sogenannte Fusionspeptid gp 41.

VIRIP-576 attackiert nur den Erreger

Es gibt bereits Medikamente auf dem Markt, die diese Verschmelzung von HI-Viren und menschlichen Zellen blockieren - sie greifen aber an oder in den menschlichen Zellen an. Unerwünschte Nebenwirkungen sind die Folge. Anders verhält es sich bei dem neuen Wirkstoff namens VIR-567, den die Forscher aus Hannover und Ulm nun erstmals an Patienten erprobt haben. Bereits im Jahr 2007 hatten die Biomediziner das kleine Eiweißmolekül aufgespürt, es handelt sich um  ein Bruchstück des Enzyms alpha-1-Antitrypsin. Der Vorteil: Der nur etwa 20 Aminosäuren lange Proteinschnipsel dockt direkt am Fusionspeptid des Virus an und blockiert es dadurch. „Weil unser Peptid direkt auf das Virus statt auf die Zelle wirkt, können bestimmte Nebenwirkungen gar nicht erst eintreten“, erläutert Schmidt.

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Eiweiß-Arznei gut verträglich und wirksam

Weil es auf das Verankerungseiweiß der Erreger zielt, sei es „auch gegen Viren wirksam, die gegen andere Medikamente bereits resistent geworden sind“, erklärt der Ulmer HIV-Experte Frank Kirchhoff (zu seinem Profil: hier klicken). Weil sich die Struktur des attackierten Virus-Fusionspeptids sich auch kaum verändere, sei zudem die Wahrscheinlichkeit von Resistenzbildungen geringer als bei bisher zugelassenen Medikamenten. Für die Studie war 18 HIV-Infizierten zehn Tage lang eine Dauerinfusion mit dem Eiweiß verabreicht worden. Dabei zeigte sich das Mittel gut verträglich, sonst typische Nebenwirkungen wie Durchfall, Nervenreizungen oder Blutbildveränderungen traten bei den Patienten nicht auf. Die Viruskonzentration im Blut konnte bei alleiniger Anwendung von VIR-576 um 95 Prozent gesenkt werden.

Dauerinfusion noch nicht praktikabel

Da die Substanz bisher nur per Infusion verabreicht werden kann, ist sie für eine Dauertherapie bislang kaum praktikabel. Nun wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie aus dem Peptid ein verwendbares Medikament entwickelt werden kann. „Dafür haben wir gute Voraussetzungen, da wir den Eiweißstoff selber entdeckt und inzwischen sehr gut charakterisiert haben“, sagt der Leiter der Forschungsgruppe Experimentelle und Klinische Peptidforschung der MHH, Wolf-Georg Forssmann. „Unser Ziel ist es, ein Molekül zu entwickeln, das als Tablette einsetzbar ist“, erläuterte Schmidt. Bis zu einer Zulassung als Medikament könnten allerdings noch Jahre vergehen. Da auch andere Viren Fusionsproteine verwenden, um in menschliche Zellen einzudringen, könnten Hemmstoffe wie das VIR-576 auch gegen andere gefährliche Krankheitserreger wirksam sein, etwa Ebola-Viren oder Hepatitis C. Die Forschungen der Mediziner aus Hannover und Ulm wurden den Angaben zufolge vom Land Niedersachsen bislang mit 1,5 Millionen Euro und von Investoren mit 3,5 Millionen Euro unterstützt. Allein in die Vorarbeiten für das Forschungsprojekt waren zehn Millionen Euro geflossen. Zunächst hätten etwa 1,2 Millionen Eiweißstoffe auf ihre Eignung, HIV-Viren zu beeinflussen, getestet werden müssen. Seit seiner Entdeckung vor drei Jahren wird der Wirkstoff  VIR-576 in Hannover von der Firma VIRO Pharmaceuticals zu einem möglichen Medikament gegen HIV-Infektionen weiter entwickelt.

 

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