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Oliver Werz: Vom Krebs und dem kleinen Unterschied

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Oliver Werz forscht an neuen Naturstoffen gegen Krebs und an geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Entwicklung und Therapie von Krankheiten. Quelle: biotechnologie.de

22.11.2010  - 

Das Büro von Oliver Werz ist gerade noch rechtzeitig fertig geworden. Seit Anfang September ist der 44-jährige am Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Jena tätig. Er beschäftigt sich mit zwei Themengebieten: Zum einen sucht er nach neuen Naturstoffen zur Krebsbehandlung. Zum anderen sucht er im Rahmen  der geschlechtsspezifischen Medizin nach Unterschieden in der Entstehung und Therapie von Krankheiten. Fast nebenbei betreut er gleich zwei Baustellen.

Von außen ist der Arbeitsplatz des frisch ernannten Professors unscheinbar. Der Schriftzug „Agrochemisches Laboratorium“ prangt über dem Eingang, die darauf folgende Jahreszahl macht deutlich, dass das Gebäude schon 110 Jahre alt ist. Wie schon zur Zeit der Jahrhundertwende spielt die Natur auch heute noch eine entscheidende Rolle ­– wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Suchte man damals noch nach chemischen Mittelchen um der Natur auf die Sprünge zu helfen, fahnden Jenaer Forscher heute nach Naturstoffen, die als Ausgangspunkt für die pharmazeutische Wirkstoffentwicklung dienen können. „Fast die Hälfte aller Arzneistoffe, die in den vergangenen Jahrzehnten zugelassen wurden, sind natürlichen Ursprungs oder direkt von Naturstoffen abgeleitet“, sagt der gebürtige Schwabe. Für Oliver Werz ist das Potenzial der Natur noch lange nicht ausgeschöpft.

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Krebstherapeutika aus Bodenbakterien

Als Teil eines neu gegründeten Forschungsverbundes ist Werz’ Team auf der Suche nach neuen Krebswirkstoffen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt die Forschergruppe „FOR1406 – Das Potenzial von Naturstoffen ausschöpfen“ in den kommenden drei Jahren mit knapp drei Millionen Euro. In Jena konzentrieren sich die Wissenschaftler dabei auf eine ganz bestimmte Art von Bakterien. „Die vorwiegend im Boden lebenden Myxobakterien zeichnen sich durch eine Vielzahl sekundärer Inhaltsstoffe mit enormer struktureller Vielfalt aus“, sagt Werz. Als sekundäre Inhaltsstoffe gelten alle Substanzen, die ein Lebewesen weder im Energiemetabolismus noch im auf- oder abbauenden Stoffwechsel nutzt. Grundsätzlich können sie auch ohne die sekundären Inhaltstoffe überleben, im Organismus erfüllen sie aber trotzdem wichtige Aufgaben. In Pflanzen schützen sie beispielsweise vor Fraßfeinden oder locken als Duft- oder Aromastoff bestäubende Insekten an. Inzwischen gibt es sogar erste Krebsmedikamente, die auf Molekülen aus dieser Stoffgruppe beruhen. Ein 2007 zugelassener Arzneistoff aus Myxobakterien wurde wesentlich am Braunschweiger Helmholtzzentrum mitentwickelt (mehr...).  Die Stoffe aus den Myxobakterien sind noch aus einem anderen Grund interessant. Bei ihnen handelt es sich um relativ große Moleküle mit vielen unterschiedlichen funktionellen Gruppen. Das heißt, ein einziges Molekül kann auf viele verschiedene Arten mit Proteinen in Wechselwirkung treten. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Stoff auch gegen eine Tumorzelle auf irgendeine Weise wirken könnte. „Einige Stoffe wirken bereits in sehr geringen Konzentrationen auch auf Immunzellen“, erläutert Werz.

 

In diesem Gelauschnitt sind Proteine nach Masse und pH-Wert aufgetrennt. Rot- und grün-fluoreszierende Proteine stammen aus unterschiedlichen Proben.Lightbox-Link
In diesem Gelauschnitt sind Proteine nach Masse und pH-Wert aufgetrennt. Rot- und grün-fluoreszierende Proteine stammen aus unterschiedlichen Proben.Quelle: Werz / Uni Jena

Um für die anstehenden Projekte optimal gerüstet zu sein, baut der zweifache Familienvater gerade seine Abteilung um. Alle Labore werden von Grund auf saniert, moderne Geräte angeschafft: Ein neues Chromatographie-System kann komplexe Stoffgemische in einfacher zusammengesetzte Proben zerlegen, mit einem Massenspektrometer gelingt die Identifizierung und Quantifizierung kleinster Mengen an bioaktiven Molekülen. Während des Umbaus wandelt sich Werz derzeit mehr zum Bauherrn: Welche Arbeitsstation wird mit welchen Gasen versorgt? Wie sollen die Leitungen verlaufen? Wo sollen welche Großgeräte stehen?

Vom „kleinen Unterschied“ und seiner Rolle bei Erkrankungen

Neben der Suche nach Krebswirkstoffen bildet die „Gender Medicine“ den zweiten Schwerpunkt in der Forschung. Der „kleine Unterschied“ zwischen den Geschlechtern spiele in der Therapie von Krankheiten eine bislang unterschätzte Rolle, ist Werz überzeugt. „Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis und Multiple Sklerose sind bei Frauen zwei- bis dreimal häufiger als bei Männern. Aber auch die Wirkung von Medikamenten unterscheidet sich bei männlichen und weiblichen Patienten oft deutlich“, sagt Werz. Darum ist es zum Beispiel bei der Wirkstoffforschung wichtig, sowohl männliche als auch weibliche Versuchstiere zu untersuchen. Pharmahersteller konzentrieren sich häufig aber ausschließlich auf männliche Tiere, weil Weibchen während des Zyklus große Hormonschwankungen durchmachen.

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„Acht von zehn Präparaten, die in den letzten Jahren von der amerikanischen Arzneimittelaufsicht FDA zurückgezogen wurden, zeigten zu starke Nebenwirkungen an Frauen“, sagt der Pharmazeut. Deswegen will er gemeinsam mit seinem Team untersuchen, wie bestimmte Medikamente bei Mann und Frau genau wirken und wie es zu unterschiedlich häufigen Krankheitsraten bei Männern und Frauen kommt. Daraus ergeben sich dann möglicherweise auch neue Ansätze für Therapiemöglichkeiten. So weiß man beispielsweise bereits, dass das männliche Sexualhormon Testosteron auch einen entzündungshemmenden Effekt hat. Dies könnte dazu beitragen, dass Männer seltener an Entzündungskrankheiten wie Arthritis leiden. 

 

Erst seit Anfang September ist Oiver Werz in Jena tätig. Die ersten Labore sind inzwischen renoviert.Lightbox-Link
Erst seit Anfang September ist Oiver Werz in Jena tätig. Die ersten Labore sind inzwischen renoviert.Quelle: biotechnologie.de

Kooperation und Kommunikation als Geheimnis des Erfolges

Beide Forschungsthemen sind hochaktuell, entsprechende Expertise ist an den Universitäten begehrt. Der 44-jährige gehört zu den Experten seiner Disziplin. In den vergangenen Jahren wurde seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt er 2009 den Phoenix Pharmazie-Wissenschaftspreis. Wird er nach dem Geheimnis guter Forschung gefragt, gibt sich der gebürtige Reutlinger bescheiden. Gute Forschungskooperationen und eine ungehinderte Kommunikation im Team seien für ihn entscheidend. „Meine Bürotür steht immer offen, so dass meine Mitarbeiter mich jederzeit ansprechen können,“ so Werz.

Gleich aus mehreren Angeboten konnte der Pharmazeut auswählen, welchen Universitäts-Ruf er annehmen möchte. Den Wechsel als Professor von der Universität Tübingen an die eher kleine Hochschule in Jena hat er nicht bereut. „Die Universität Jena ist bereit in mich zu investieren und ich bin sicher, dass ich hier auch langfristig unterstützt werde“, sagt Werz mit Blick auf seine personelle und apparative Ausstattung. Für den Familienvater spielen auch weitere Faktoren eine Rolle: Seine beiden Kinder, drei und viereinhalb Jahre alt, werden hier in einem gut ausgebauten System zur Kinderbetreuung versorgt. Werz’ Frau ist Apothekerin, auch sie muss sich um eine Baustelle kümmern. Allerdings nicht im Agrochemischen Laboratorium: Die Familie schafft sich in der Saalestadt eine neue Heimat.

Autor: Bernd Kaltwaßer

 

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