Erster Kontakt: Wie Neugeborene eine gesunde Darmflora aufbauen
27.10.2010 -
Ein kleines Signalmolekül namens IRAK1 ist dafür verantwortlich, dass sich bei Neugeborenen Mikroorganismen im Darm ansiedeln können, ohne dass die Immunabwehr des Körpers Alarm schlägt. So kann nach und nach die gesunde Darmflora aufgebaut werden. Das hat jetzt das Forscherteam um Mathias Hornef von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) herausgefunden. Darüber hinaus konnten die Wissenschaftler den dazugehörigen molekularen Mechanismus aufklären. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Cell Host & Microbe (21. Oktober 2010, Bd. 8, S. 358).
Im Mutterbauch wird der Nachwuchs komplett über die Nabelschnur ernährt. Erst nach der Geburt kommt der Magen-Darm-Trakt der Neugeborenen zum Einsatz. Ein heikler Moment, denn der zuvor sterile Darm wird plötzlich mit unzähligen Mikroorganismen überschwemmt. Dieses allererste Zusammentreffen von Darmschleimhaut und Mikroben ist ein Balanceakt für den Körper. Das junge Immunsystem erkennt die Bakterien als Fremdlinge an und würde eigentlich Alarm schlagen. Andererseits ist der Mikroben-Kontakt im Darm mehr als erwünscht: Es ist der erste Schritt bei der Ausbildung einer lebensnotwendigen Darmflora, die beim Erwachsenen aus bis zu 1.000 verschiedenen Mikroorganismen besteht. Sie hilft bei der Verdauung und dem Schutz vor krankheitserregenden Bakterien. Ist die Darmflora fertig ausgebildet, stellt sie ein lebenslanges Gleichgewicht zwischen Bakterien und dem Wirt dar. Diese Balance lässt zu, dass sich unschädliche, für den Verdauungsprozess wichtige Bakterien ansiedeln, ermöglicht aber die Aktivierung der Immunabwehr bei einer Infektion mit Durchfallerregern.
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Radar des Immunsystems ausgeschaltet
Ein Forscherteam um Mathias Hornef vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der MHH Hannover hat nun untersucht, wie dieses Gleichgewicht nach der Geburt zustande kommt. Bei Versuchen an Mäusen zeigte sich, dass kurz nach der Geburt ein zentrales Signalmolekül namens IRAK1 für die Erkennung von Mikroorganismen in den Darmschleimhautzellen in seiner Aktivität gedrosselt wird. Damit verliert die Schleimhaut des Neugeborenen offenbar die Fähigkeit, auf bakterielle Besiedlung zu reagieren, der „Radar“ des Immunsystems wird hier vorübergehend ausgeschaltet. In dieser Phase kann sich die Darmflora ungestört ausbilden. Ist dieser Prozess abgeschlossen, tritt das Signalmolekül IRAK1 jedoch wieder in Funktion. Dadurch ermöglicht es eine schützende Immunabwehr vor krankheitserregenden Keimen.
Unterschiede zwischen Maus und Mensch
„Es handelt sich hier um Grundlagenforschung an Mäusen, die nicht direkt auf Menschen übertragbar ist“, betont Hornef. Zum Beispiel gebe es bei der Entwicklung der Darmschleimhaut wesentliche Unterschiede zwischen neugeborenen Menschen und Mäusen. "Trotzdem müssen auch beim Menschen Mechanismen existieren, die eine entzündliche Abwehrreaktion auf die bakterielle Besiedlung der Darmschleimhaut nach Geburt verhindern“, so Hornef.