Wochenrückblick KW 41

18.10.2010

Mehr Teilnehmer beim zweiten Weltgesundheitsgipfel in Berlin

Bei der zweiten Auflage des Weltgesundheitsgipfels in Berlin kamen mehr als 1200 Akteure aus akademischer Medizin, Wirtschaft und Politik zusammen, um über drängende Fragen der Gesundheitspolitik zu diskutieren.

Mehr noch als bei dem Debut im Vorjahr wurde der vom 10. bis 13. Oktober von der Charité und der M8-Allianz medizinischer Spitzeneinrichtungen ausgerichtete „World Health Summit“ (WHS) seinem globalen Anspruch gerecht: Unter den Teilnehmern aus 71 Ländern waren die ärmeren Staaten des Südens stark vertreten und in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen ging es um ihre Gesundheitsprobleme. „Diese zweite Veranstaltung hat gezeigt, dass das Konzept der Konferenz aufgeht“, sagte Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité vor Journalisten. Die großen Themen wie Prävention und individualisierte Medizin würde zu immensen Kostensteigerungen führen, so dass es dringend nötig sei, Politiker und Wissenschaftler an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. „Für künftige Gipfeltreffen wünsche ich mir, den Schwerpunkt noch mehr auf Diskussionsrunden anstatt auf Präsentationen zu legen“, sagte er. Im Fokus des Gipfels standen globale Probleme, die in vielen Fällen jedoch lokales Handeln erfordern. Dazu zählt auch der Klimawandel. Dessen medizinische Folgen seien noch nicht abschätzbar, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber. Unter den Konsequenzen des Klimawandels würden wohl vor allem die armen Länder leiden, die wenig zur Erderwärmung dazu beigetragen haben. Insbesondere Infektionskrankheiten würden weiter zunehmen.

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Der frühere portugiesische Präsident Jorge Sempaio stellte den neuen Fahrplan der Weltgesundheitsorganisation zur Bekämpfung von Tuberkulose (Global plan to Stop TB 2011-2015) vor. Die drängendsten Probleme gingen von neuen, multiresistenten Erregerstämmen aus. Die Diagnose und die Etablierung geeigneter Therapien gegen mulitresistente TB-Keime stehen im Mittelpunkt des neuen Aktionsplans. Erstmals gebe es auch eine klare Vorgaben, welche Forschungsziele bis 2015 erreicht werden sollen, sagte Sampaio, der nun für die Vereinten Nationen arbeitet. Dazu zählen auch Zulassungsstudien für vier TB-Impfstoffkandidaten. Peter Piot von der London School of Hygiene and Tropical Medicine forderte, Deutschland müsse eine aktivere Rolle im Bereich „Public Health“ übernehmen. Auch Charité-Chef Einhäupl betonte, diese Disziplin sei in Deutschland im Vergleich zu den Niederlande, Großbritannien und den USA noch rückständig entwickelt. Auch 2011 soll der „World Health Summit“ wieder in Berlin stattfinden, unter Federführung des australischen Mediziners Steve Wesselingh. Bereits im März wollen die Organisatoren sich in Melbourne Gedanken über das neue Programm machen. 

Biologisches Passwort überwacht Zellteilung

Die Zellteilung ist biologisch doppelt abgesichert. Bonner Wissenschaftler haben nun das bisher unbekannte zweite Passwort gefunden.

Die Forscher der Universität Bonn haben zusammen mit Kollegen aus Dortmund und Köln in ihrer Studie den Rezeptor für den so genannten „epidermalen Wachstumsfaktor“ (ErbB) unter die Lupe genommen. Normalerweise, so die Forscher, funktioniert ein Rezeptor wie eine PIN-Abfrage beim Onlinebanking. Mit der richtigen PIN wird der Rezeptor aktiv und leitet in diesem Fall die Zellteilung ein.

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Ein Wachstumsfaktor-Molekül dockt an den Rezeptor an und veranlasst ihn, sich einen Partner zu suchen – er dimerisiert. Ursprünglich dachten die Wissenschaftler, diese Verbrüderung reiche schon aus, um den Rezeptor scharf zu schalten und die Teilung einzuleiten. Da das Wachstum von Zellen jedoch ein so sensibler Bereich ist und krankhafte Wucherungen verhindert werden sollen, hat die Natur eine zweite Sicherung eingebaut. Für deren Aktivierung benötigt der ErbB-Rezeptor ein weiteres Signal – sozusagen eine molekulare „TAN“. Erst dann stößt er die Signalkette an, die schließlich zur Vermehrung der Zelle führt. Offenbar, so die Vermutung, spielt die Orientierung der beiden ErbB-Partner zueinander eine große Rolle. Hier kommt die molekulare TAN ins Spiel – die so genannten Cytohesine. Sie bewirken augenscheinlich, dass sich vor allem aktive Rezeptor-Dimere bilden. „Möglicherweise zwingen sie die beiden ErbB-Partner in die richtige Konformation“, vermutet der Bonner Biochemiker Professor Michael Famulok, der an der im Fachblatt Cell veröffentlichten Studie (Bd. 143, Ausg. 2, S. 201-211) beteiligt war. „Dadurch erhöhen sie die Aktivität des ErbB-Rezeptors und fördern in letzter Konsequenz die Zellteilung.“

Der ErbB-Rezeptor ist in vielen Tumorarten überaktiv, etwa bei Lungen-, Brust- oder Eierstockkrebs. Die aktuellen Ergebnisse weisen nun einen möglichen neuen Weg, das daraus resultierende unkontrollierte Wachstum einzuschränken: die Hemmung der Cytohesine. Doch Famulok dämpft  zu hoch gesteckte Hoffnungen: „Ob sich unsere Entdeckung für Therapien nutzen lässt, ist noch völlig unklar. Und selbst wenn, würden bis zur Anwendungsreife noch viele Jahre vergehen.“ 

Qiagen und Abbott tauschen Biomarker-Kits aus

Das größte deutsche Biotechnologieunternehmen Qiagen tauscht mit dem nordamerikanischen Pharmaunternehmen Abbott Laboratories künftig Biomarker-Kits aus.

Dadurch kann Qiagen auf der eigenen Analysemaschine "QIASymphony" künftig ein Testkit für die Menge der HI-Viren im Blut von Patienten anbieten, sowie einen Test für Hepatitis B und C. Im Gegenzug wird Abbott einen Vorsorgetest für den Erreger des Gebärmutterhalskrebses (HPV) vertreiben können. Zu finanziellen Details der Transaktion vereinbarten die beiden Unternehmen Stillschweigen, doch klar ist: Beide wollen ihr Diagnostikgeschäft erweitern.

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 "Das Abkommen ist strategisch für uns von großer Bedeutung,“ erklärte Qiagens Firmenchef Peer Schatz. Das größte deutsche Biotech-Unternehmen erzielt bisher die Hälfte seiner Diagnostikerlöse und rund ein Viertel des Gesamtumsatzes mit dem HPV-Test. Die Ergänzung durch Tests auf HIV und Hepatitis ist für den US-Markt besonders wichtig. Hier zählen diese umsatzstarken Leistungen in vielen Laboren zum Standard. Die Kooperation mit Abbott ist Teil einer langfristigen Entwicklung: Erst kürzlich hatte Qiagen-Vorstand Ulrich Schriek angekündigt, durch Allianzen und Zukäufe das eigene Angebot zu erweitern und so internationaler zu werden.

Qiagen ist zwar offiziell in den Niederlanden gemeldet, die Zentrale befindet sich jedoch im nordrhein-westfälischen Hilden.Lightbox-Link
Qiagen ist zwar offiziell in den Niederlanden gemeldet, die Zentrale befindet sich jedoch im nordrhein-westfälischen Hilden.Quelle: Qiagen

Das Unternehmen war in den vergangenen Monaten bereits mehrmals auf Einkaufstour und schluckte Firmen wie die britische DxS (mehr...) oder den Schnelltestspezialisten ESE GmbH. Das US-Geschäft schwächelte zuletzt trotzdem. Vor allem infolge von Konjunkturflaute und Arbeitslosigkeit schienen immer weniger Frauen bereit, HPV-Tests zur Krebsvorsorge durchführen zu lassen. Dementsprechend verhalten fiel auch die Umsatzprognose für das dritte Quartal bei Qiagen aus: Man rechnet nur noch mit einem Zuwachs von vier bis neun Prozent auf 270 bis 285 Millionen US-Dollar. 

Koalition streitet über Präimplantationsdiagonistik

In der Regierungskoalition aus Union und FDP bahnt sich eine Auseinandersetzung um die Präimplantationsdiagnostik (PID) an. Bundeskanzlerin Angela Merkel vertritt eine restriktive Position. "Aus meiner Sicht sollten wir die Präimplantationsdiagnostik verbieten", sagte Merkel am Wochenende bei einem Kongress der Jungen Union in Potsdam.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Präimplantationsdiagnostik am liebsten verbieten.Lightbox-Link
Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Präimplantationsdiagnostik am liebsten verbieten.Quelle: Bergmann/bundesregierung.de

Sie hält es für schwierig, bei einer erfolgten Untersuchung die Grenze zu ziehen zwischen einem minder schweren Defekt und einer Krankheit, die einen Schwangerschaftsabbruch legitimiert.
Eine politische Neuregelung der PID ist notwendig geworden, seit der Bundesgerichtshof in Leipzig im Juli 2010 in einem Grundsatzurteil einen Arzt freigesprochen hatte (mehr...), der bei einer künstlichen Befruchtung eine Vorauswahl an Embryonen vorgenommen hatte. Im Embryonenschutzgesetzt von 1991 ist die PID nicht eindeutig geregelt.

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Ob Merkel sich durchsetzen wird, ist derzeit noch unklar. Bei ethischen Entscheidungen wird der Koalitionszwang üblicherweise aufgehoben, weshalb es bei einer möglichen Abstimmung im Bundestag auf jede Einzelstimme ankommt. Vom Koalitionspartner kommt schon mal Widerstand. "Für die FDP kann ich ein striktes Verbot der PID ausschließen", sagte der Generalsekretär der Liberalen, Christian Lindner, dem Handelsblatt. Auch in der CDU selbst gibt es Gegenstimmen. "Ein gegen eine Frau gerichteter Implantationszwang einer schwer belasteten befruchteten Eizelle ist mit unserer Verfassungsordnung nicht vereinbar", sagte der Chef der nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag, Peter Hintze, dem Spiegel. Bereits vor einigen Wochen hatte sich die Bundesfamilienministerin und CDU-Politikerin Kristina Schröder skeptisch zu einem grundsätzlichen Verbot der Tests geäußert. Sie hält es für einen Widerspruch, einem Paar einerseits den Test zu verbieten, Spätabtreibungen bis zum neunten Monat aber unter bestimmten Umständen zuzulassen. 

Gib der Wurzel Zucker

Wie die Pflanze den Zucker aus den Blättern effizient verteilt, haben Pflanzenforscher der Universität Würzburg herausgefunden.
Wichtig für die Verteilung des Zuckers in der Pflanze ist ein zentrales Molekül, der so genannte Saccharose-Transporter. Er sitzt in den Zellmembranen der Leitbahnen und verbringt wahre Höchstleistungen. Dietmar Geiger von der Universität Würzburg hat sie gemessen und bezeichnet den Transporter nun als „nahezu reibungslos funktionierende Nano-Maschine“.

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Ein einziger Transporter pumpt pro Sekunde bis zu 500 Saccharose-Moleküle durch die Zellmembran in die Leitbahnen. Dabei überwindet er einen großen Widerstand: Auch wenn die Leitbahnen schon prall mit Zucker gefüllt sind, kann er trotzdem noch mehr hineinschaffen – bis zu einer Konzentration nahe der Löslichkeitsgrenze der Saccharose.
Gewonnen wurden die Erkenntnisse mit Hilfe von Eiern des südafrikanischen Krallenfroschs: Die Forscher benutzen sie als lebende Reagenzgläser. Sie bringen das Gen für den Saccharose-Transporter in die Eier ein, wo daraus aktive Transporter produziert und in die Hüllmembran eingebaut werden. „So wird das Transportprotein für biophysikalische Messungen zugänglich“, erklärt Geiger. Die Methode ist in Würzburg schon bei früheren Untersuchungen erfolgreich eingesetzt worden (mehr...). Unter anderem haben die Wissenschaftler auf diese Weise erstmals demonstriert, dass ein Transportprotein unter physiologischen Bedingungen sowohl für die Beladung als auch für die Entladung der Leitbahnen zuständig sein kann.
Nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse in der Fachzeitschrift PLoS  one (Bd. 5, Ausg 9, 2010). untersuchen Geiger und sein Team nun mit neuartigen biophysikalischen Methoden, wie es der Transporter schafft, Saccharose-Moleküle treffsicher und mit höchster Effizienz durch Membranen zu transportieren. Unter anderem planen sie, ein fluoreszierendes Molekül an eine Stelle des Transporters zu hängen, die sich während des Transportvorgangs bewegt. Dann könnten die Forscher „live“ dem Transporter bei der Arbeit zusehen. 

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen dubiose Stammzelltherapie

Nach dem Tod eines Kleinkindes ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen eine Ärztin, die über das XCell-Center Düsseldorf offenbar dubiose Stammzelltherapien angeboten hat.

„Die Krankenakte ist beschlagnahmt“, bestätigt der Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa gegenüber der „Wirtschaftswoche“. Auch die Aufsicht führenden Landesbehörden nehmen das Unternehmen von Firmengründer Cornelis Kleinbloesem an die kurze Leine: Gestützt auf ein Gutachten vom Paul-Ehrlich-Institut forderten sie XCell auf, sich zu Zweifeln an der Behandlungsmethode zu äußern. Dies ist ein erster Schritt zu deren möglichem Verbot. Der aktuelle Fall: Einem etwa anderthalbjährigen Jungen wurden adulte Stammzellen ins Hirn gespritzt. In der Folge bekam er Hirnblutungen, kollabierte und verstarb wenige Stunden später in der Kinderneurochirurgie des Helios-Klinikums Krefeld.

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Dieses Ereignis ist das jüngste in einer ganzen Reihe von Zwischenfällen. Bereits im April dieses Jahres berichtete die Wirtschaftswoche über einen zehnjährigen Jungen, der eine ähnliche Behandlung nur knapp überlebte. Die Bezirksregierung Düsseldorf habe das Unternehmen „auf dem Radar“, versicherte damals Fachreferent Stefan Fiebig. Die Behörde ist damit nicht allein. Vor XCell hatten in der Vergangeneheit bereits Wissenschaftler (mehr...), Patientenverbände (mehr...) und die Diabetesgesellschaften (mehr...) gewarnt.

Bei eienr Stammzelltherapie werden adulte Stammzellen aus der Hüfte entnommen. Das Düsseldorfer Unternehmen XCell bietet derartige umstrittene Therapien an.Lightbox-Link
Bei eienr Stammzelltherapie werden adulte Stammzellen aus der Hüfte entnommen. Das Düsseldorfer Unternehmen XCell bietet derartige umstrittene Therapien an.Quelle: Navy News Servie/Mc Neeley

XCell nutzte in der Vergangenheit geschickt eine rechtliche Grauzone für seine Therapieangebote. Deren Prinzip: Dem Patienten werden zunächst aus dem Hüftknochen eigene adulte Stammzellen entnommen. Diese werden aufbereitet und anschließend in das erkrankte Organ retransplantiert. Für diese autologen Stammzelltherapien, also Behandlungen, bei denen einem Patienten die eigenen Stammzellen verabreicht werden, war bis vor wenigen Monaten keine Zulassung der europäischen Arzneimittelbehörde notwendig.

Nachdem der Gesetzgeber hierzu eine entsprechende Verpflichtung im Arzneimittelrecht verankerte, fügte er eine Übergangsfrist hinzu: Um die hoffnungsvollen Ansätze von Gewebezucht und Stammzelltherapie nicht zu gefährden, gab er betroffenen Unternehmen bis zum Ende des Jahres 2012 Zeit, die eigenen Verfahren genehmigen zu lassen. Die Erlaubnis, diesbezüglich klinische Studien durchführen zu dürfen, hat die Firma des Niederländers Kleinbloesem zunächst in Deutschland beantragt – und scheiterte damit. Laut Recherchen des Deutschlandfunks versagten ihm auch die Behörden in Belgien und den Niederlanden entsprechende Genehmigungen. Im aktuellen Fall zog Kleinbloesem inzwischen die Reißleine: Den Behörden gegenüber erklärte er, bis auf weiteres auf Hirnbehandlungen verzichten zu wollen. Die Ärztin, die die Operation durchführte, sei entlassen worden.