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Autismus: Eiweiß Merlin blockiert Nervennetz

Das Merlin-Eiweiß (grün) kann im Gehirn die Verästelung von Nervenzellen eindämmen. Forscher aus Jena und Bonn vermuten, dass ein Zuviel an dem zauberhaften Protein an der Entstehung von Autismus beteiligt sein könnte. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Das Merlin-Eiweiß (grün) kann im Gehirn die Verästelung von Nervenzellen eindämmen. Forscher aus Jena und Bonn vermuten, dass ein Zuviel an dem zauberhaften Protein an der Entstehung von Autismus beteiligt sein könnte. Quelle: A. Schulz / Fritz Lipmann-Institut

27.08.2010  - 

Forscher des Fritz-Lipmann-Instituts Jena und der Universitätskliniken Jena und Bonn haben eine weitere wichtige Funktion für ein Protein mit dem Namen  Merlin aufdeckt. Neben seiner Rolle als Tumorsuppressor hemmt das Eiweiß  offenbar auch die Reifung und Vernetzung von Nervenzellen während der Gehirnentwicklung. Wie die Forscher im Journal of Neuroscience(2010, Bd. 30. S. 10177) berichten, ist das Merlin-Protein bei Mäusen sogar in den feinen Verästelungen von Nervenzellen, den sogenannten Dendriten, zu finden. Fehlt das Protein, bildeten die Nervenzellen untereinander reichlich Verästelungen aus. Bei einem Zuviel an Merlin war das Dendritenwachstum dagegen stark beinträchtigt. Die Forscher gehen davon aus, dass Merlin eine Rolle bei der Enstehung neuronaler Erkrankungen wie etwa Autismus beteiligt ist.



 

Das Eiweiß „Merlin“ trägt seinen Namen nicht etwa vom berühmten Zauberer aus der Artus-Sage. Die Bezeichnung ist ein griffiges Akronym, das Forscher aus dem sperrigen Namen „Moesin-Ezrin-Radixin-Like Protein“ gebildet haben. Merlin ist Humangenetikern auch als Neurofibromin 2 (NF-2) ein Begriff. Krebsforscher beschäftigten sich bisher mit dem Merlin-Protein wegen seiner Funktion als sogenannter Tumorsuppressor: Denn das Eiweiß verhindert, dass sich Zellen in verletzen Geweben ungebremst vermehren. Fällt die molekulare Bremse wegen eines Defekts aus, so entwickeln sich im Gehirn und Rückenmark gutartige Nerventumore. Die Folge sind Schwerhörigkeit, Schwindel und Augenerkrankungen.

Fritz Lipmann-Institut

Der Ursprung des heutigen FLI reicht zurück ins ZIMET, dem Zentralinstitut für Mikrobiologie und Experimentelle Therapie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Im Einklang mit seiner neuen wissenschaftlichen Ausrichtung gab sich das Institut 2005 einen neuen Namen: Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut e.V. (FLI).

zur Arbeitsgruppe von Helen Morrison: hier klicken

Nun sind Forscher um Helen Morrison vom Leibniz-Institut für Altersforschung - Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena, zusammen mit Kollegen der Universitätskliniken Jena und Bonn, im Gehirn heranwachsender Mäuse auf eine neue Funktion von Merlin gestoßen. Hier konnten sie das Protein, wie bereits früher bekannt, in den Zellen entdecken, die die Nervenzellen stützen und umgeben (Gliazellen und Schwann-Zellen). Erstmalig spürten sie Merlin aber in den Nervenzellen selbst auf, so auch in den Purkinjezellen des Kleinhirns. In reifenden Purkinjezellen war Merlin im Zellkörper, dessen feinen Verästelungen (Dendriten) und auch dem langen Axon-Fortsatz zu finden. “Dieser überraschende Befund beflügelte uns, der genauen Funktion von Merlin in den Nervenzellen nachzuspüren“, so Morrison.

Das grün eingefärbte Merlin-Protein ist in den Fortsätzen eines neuronalen Netzwerks gut zu sehen.Lightbox-Link
Das grün eingefärbte Merlin-Protein ist in den Fortsätzen eines neuronalen Netzwerks gut zu sehen.Quelle: A. Schulz / Fritz Lipmann-Institut

Merlin kontrolliert die Vernetzung von Gehirnzellen

Hierfür untersuchten die Forscher Mäuse, deren Purkinjezellen aufgrund von Entwicklungsstörungen verkleinerte und weniger verzweigte Dendriten aufweisen. Die Forscher fanden heraus, dass in den Dendriten dieser Nervenzellen die Anzahl der Merlin-Proteine deutlich reduziert war. Der gleiche Befund trat auch in Nervenzellen normaler, bereits ausgewachsener Mäuse auf. „Wir vermuteten daher, dass Merlin bei der Entwicklung der Dendriten eine Rolle spielt“, sagt Alexander Schulz vom FLI. Er analysierte die Merlin-Proteine der Mäusenerven in enger Kooperation mit Stephan Baader vom Institut für Anatomie der Universität Bonn.

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In primären Nervenzellen, die in Kulturschalen im Labor gezüchtet wurden, bestätigte sich der Verdacht: Wurde die Produktion von Merlin experimentell erhöht, wuchsen weniger Dendriten aus. Umgekehrt führte die Hemmung von Merlin zur vermehrten Bildung dieser komplexen Nervenzellfortsätze. „Wir konnten aber auch auf biochemischer Ebene bestätigen, dass Merlin die Entwicklung der Dendriten reguliert“, so Morrison. Schon in früheren Arbeiten hatte die Forscherin gezeigt, dass Merlin-Proteine durch Abspalten einer speziellen Phosphatgruppe aktiviert werden. In den Nervenzellkulturen konnte sie nun nachweisen, dass ausschließlich aktiviertes Merlin das Wachstum der Dendriten hemmt.

Zusammenhang Merlinmangel und Autismus

Die stark verästelten Dendriten stellen über Synapsen den Kontakt zu anderen Nervenzellen her und empfangen deren Nervensignale. Durch seinen Einfluss auf die Dendritenausbildung ist Merlin damit direkt an der Verschaltung solcher neuronalen Netzwerke beteiligt. Wie wichtig die Funktion der Dendriten ist, erkennt nach Ansicht der Forscher daran, dass verschiedene Erkrankungen aus deren Fehlfunktion entstehen oder damit zusammenhängen. So werden in Patienten, die an Autismus, Schizophrenie, oder Depressionen leiden, häufig veränderte Dendritenstrukturen beobachtet. Ist Merlin also möglicherweise auch an der Ausprägung autistischer Syndrome beteiligt? „Zumindest wurde schon früher beschrieben, dass Mutationen des für Merlin kodierenden NF-2-Gens mit autistischen Erkrankungen einhergehen“, sagt der Genetiker Peter Herrlich, der Direktor des Fritz-Lipmann-Instituts ist. Die neuen Erkenntnissen wollen die Jenaer Forscher nutzen, um die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen weiter zu erforschen.

 

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