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Eiweiß-Datenbank als neue Waffe gegen Malaria

09.02.2010  - 

Malaria ist eine Geißel der Menschheit. Noch immer sterben jedes Jahr mehr als eine Millionen Menschen an den Folgen der Erkrankung. Ein Impfstoff ist noch fern, und die Resistenzen gegen vorhandene Medikamente nehmen zu. Forschern des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg und der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur ist es erstmals gelungen, umfassend die Funktion von Eiweißen des Malariaparasiten Plasmodium falciparum vorherzusagen.  Dafür haben sie Methoden der Informatik und der Zellbiologie miteinander kombiniert. Auf ihre Eiweiß-Datenbank, die im Fachblatt Nature Biotechnology (Januar 2010, Bd. 28, Ausg. 2, S. 91-98) veröffentlicht wurde, können Wissenschaftler aus aller Welt für ihren Kampf gegen Malaria zugreifen.


Alle 30 Sekunden stirbt ein afrikanisches Kind an den Folgen des "Sumpffiebers". Das hängt auch damit zusammen, dass der Parasit, der die Krankheit verursacht, sehr anpassungsfähig ist. "Zunehmende Medikamentenresistenz des Malariaparasiten macht die Entwicklung neuer Strategien zur Vorbeugung und Behandlung der Infektion dringend notwendig", sagt Tim Gilberger vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Dabei durchläuft der Erreger einen ganz besonderen Lebenszyklus. Für Plasmodium falciparum ist der Mensch nämlich nur eine Zwischenstation auf einem langen und gewundenen Entwicklungszyklus.

  • Es beginnt damit, dass ein Mensch von einer infizierten Anopheles-Mücke gestochen wird. Mit dem Speichel der Mücke gelangen auch einige Erreger ins Blut.
  • Mit dem Blut wandern sie in die Leber, setzen sich dort fest und entwickeln sich dort weiter. Anschließend verlassen sie die Leber wieder und gelangen zurück in den Blutkreislauf.
  • Im Blut befallen sie rote Blutkörperchen, vermehren sich in ihnen und bringen sie so zum Platzen. Das führt beim Erkrankten zu hohem Fieber und im fortgeschrittenen Stadium zu Anämie. Die freigesetzten Erreger befallen dann weitere Blutkörperchen, der Vorgang wiederholt sich.
  • Einige Erreger verlassen den Kreislauf aus Befall und Vermehrung und wandeln sich zu männlichen und weiblichen Geschlechtszellen.
  • Die Geschlechtszellen werden beim erneuten Stich durch eine Mücke mit dem menschlichen Blut aufgenommen und wandern dort in den Darm des Tiers.
  • Dort verschmelzen sie miteinander und bilden eine neue Generation an Erregern. Diese wandern in die Speicheldrüsen der Mücke, von wo sie mit dem nächsten Stich wieder in den Menschen gelangen. Der Kreis ist geschlossen.

Datenbank mit mehr als 2.500 Eiweißen des Parasiten

Dieser besondere Lebensweg, so hoffen die Wissenschaftler, könnte Angriffspunkte für neue Medikamente liefern, indem Substanzen verwendet werden, die dem Parasiten in seinen diversen Verwandlungen schaden, nicht aber den menschlichen Körper angreifen. Die Identifikation derartiger Substanzen gleicht der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Ein nützliches Hilfsmittel für diese riesige Aufgabe hat eine Team aus Wissenschaftlern um Gilberger und seinem Kollegen Zbynek Bozdech von der Nanyang Technological University (NTU) entwickelt: In einem Gemeinschaftsprojekt erstellten sie die weltweit erste Datenbank, die die Funktion von mehr als 2.500 Eiweißen des Malariaerregers vorhersagt. Dabei mussten die Wissenschaflter indirekt vorgehen und aufgrund der Wechselwirkungen mit anderen Substanzen und  Eiweißen das Proteom des Erregers hypothetisch skizzieren. Dieses komplizierte und mühsame wissenschafltiche Spekulieren war notwendig, weil noch bei der Hälfte aller 5.300 Gene des Parasiten nicht bekannt ist, welche Eiweiße denn nun aus ihnen entstehen.

Bernhard-Nocht-Institut

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin ist Deutschlands größte Einrichtung für Forschung, Versorgung und Lehre auf dem Gebiet tropentypischer Erkrankungen und neu auftretender Infektionskrankheiten.

Zur Website des BNI: hier klicken

Die Datenbank wurde in der Januar-Ausgabe 2010 der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht - nach rund fünf Jahren Forschungsarbeit. Ein Aufwand, der sich gelohnt habe, so Gilberger. Denn "nur das vollständige Verstehen und Charakterisieren aller Gene bedeutet einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung neuer Strategien zu Prävention und Therapie der Malaria", erklärt der Parasitologe.

Bioinformatik kombiniert mit Hochdurchsatz-Screening

Bisher hatte sich kaum ein Wissenschaftler an einer Analyse aller Gene des Malaria-Erregers versucht. Die biologische Besonderheit des Parasiten erschwert die Anwendung von Forschungstechniken, die Wissenschaftler bei anderen Organismen mit Erfolg einsetzten. Dennoch wagten Gilberger und Bozdech den Schritt und sammelten Daten mittels der "Microarray-Technik". Dabei verglichen sie in einer automatisierten Vorgehensweisen systematisch den Einfluss von Hunderten verschiedener Medikamenten und Substanzen auf die Genregulation des Erregers.

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Die Forscher konnten ihre eigenen Ergebnisse mit entwicklungsbiologischen Informationen von verschiedenen Malariaerregern, Analysen wiederkehrender Motive in DNA-Sequenzen und Hochdurchsatz-Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen einzelnen Eiweißen kombinieren. "Nur durch die Kombination vier verschiedener Forschungsmethoden gelang es, das erste verlässliche Modell jenes Netzwerks aus Eiweißen und ihren Wechselwirkungen zu erstellen, die in P. falciparum aktiv sind", so Gilberger. Die Datenbank stünde nun Wissenschaftlern aus aller Welt zur Verfügung.

Invasions-Eiweiße genauer unter die Lupe nehmen

Gilberger selbst ist am meisten an einer Gruppe von Eiweißen interessiert, die von den Forschern mit "Invasion" betitelt wird. Die Gesamtheit aller Eiweiße, die - der Vorhersage zufolge - am Eindringen der Malariaerreger in Blutzellen beteiligt sind. Die Hamburger Wissenschaftler haben bereits damit begonnen, 70 mutmaßliche Invasions-Eiweiße genauer auf ihre Rolle beim Eindringen in die Zelle hin zu untersuchen.

Erste Ergebnisse seien vielversprechend, so Gilberger. Seine Gruppe konnte bereits 42 Eiweiße mit einem fluoreszierenden Farbstoff markieren und dadurch die Lokalisierung der Eiweißmoleküle im Parasiten bestimmen. "Möglicherweise können wir in Zukunft mit einem geeigneten Medikament die Ausbreitung des Erregers in die Blutzellen verhindern", hofft der Parasitologe des BNI. Bis dahin werde jedoch noch viel Wasser die Elbe hinunter fließen. Denn "nur die funktionelle Untersuchung der mehr als 300 Invasions-Proteine wird es uns ermöglichen, die Schwachstellen in diesem Vorgang zu erkennen", erklärt Gilberger. Dann könne das gewonnene Wissen zur Entwicklung neuer Präventions- und Therapieansätze gegen Malaria genutzt werden.

 

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