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Einfachstes Bakterium der Welt offenbart Grundlagen des Lebens

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Auf der Abbildung werden symbolhaft einige der komplizierten Stoffwechsel- und Eiweißnetzwerke in Mycoplasma pneumoniae verdeutlicht. Quelle: European Molecular Biology Laboratory

02.12.2009  - 

Das Bakterium Mycoplasma pneumoniae ist der Menschheit schon lange bekannt. Zumindest seine Fähigkeit, Lungenentzündungen zu verursachen. Nun haben Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg und des Centre de Regulacio Genomica (CGR) in Barcelona das Bakterium so genau unter die Lupe genommen wie noch nie ein Lebewesen zuvor. Dabei gingen sie weit über das Genom des Bakteriums hinaus, das ohnehin schon längst sequenziert ist. Sämtliche Stoffwechselvorgänge, Eiweiße und Genaktivitäten wurden an lebenden Zellen überwacht. Das Ergebnis, das im Fachmagazin Science (27. November 2009, Bd. 326, S. 1235) veröffentlicht wurde: Das kleine Mycoplasma ist erstaunlich komplex.



 

Mykoplasmen gehören zu den kleinsten Lebewesen überhaupt, die sich selbst fortpflanzen können. Das Genom von Mycoplasma pneumoniae, das beim Menschen Lungenetzündung verursacht, ist nur 816 Kilobasen groß, besteht also nur aus rund 816.000 genetischen Buchstaben. Zum Vergleich: Das Erbgut des Menschen umfasst mehr als 3 Milliarden Buchstaben, und auch das beliebte Modellbakterium Escherichia coli verfügt über ein Erbgut von immerhin 4000 Kilobasen. Mycoplasma pneumoniae gehört also zu den einfachsten Lebewesen der Welt, die sich noch selbst fortpflanzen können und dabei nicht - wie zum Beispiel Viren - auf andere Organsimen angewiesen sind. Doch die angenommene Einfachheit löst sich beim näheren Hinsehen schnell in komplexe Interaktionsnetzwerke von Hunderten von Stoffen auf, wie jetzt Forscher aus Heidelberg und Barcelona entdeckten.

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Drei Gruppen nahmen Mycoplasma in die Zange
Die Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) und des Centre de Regulacio Genomica (CGR) haben Mycoplasma so genau unter die Lupe genommen wie noch nie ein Lebewesen zuvor. Die Forscher unter der Leitung von Anne-Claude Gavion vom EMBL wollten von dem einfachen Bakterium wissen, wie die Grundausstattung des Lebens aussieht. Worauf kann nicht verzichtet werden? Um wirklich alles mitzubekommen, was während eines normalen Tags im Leben von Mycoplasma geschieht, teilten sich die Forscher in drei Gruppen auf. Die erste Gruppe analysierte das sogenannte Metabolom, also sämtliche Stoffwechselvorgänge, die in dem lebenden Einzeller ablaufen. Ein zweites Team besah sich alle Eiweiße, die in der Zelle entstanden und im Einsatz waren, während die dritte aufzeichnete, welche Genabschnitte wann aktiv waren. Das geschah, indem die Abschriften der DNA, die in Form von Boten-RNA zu den Eiweißfabriken gebracht werden, aufgespürt und ausgewertet wurden. Jede der drei Gruppen veröffentlichte einen Artikel in der gleichen Ausgabe des Fachmagazins Science (zum Metabolom, zum Proteom und zur Genaktivität).

Zu ihrem Erstaunen kamen die Wissenschaftler dabei ziemlich ins Schwitzen: "Auf allen drei Ebenen war das Bakterium sehr viel komplexer als wir erwartet hatten", sagt Luis Serrano vom CRG. Das Bakterium scheint seine minimale Grundausstattung sehr wirksam einzusetzen. So verfügt das Bakterium über insgesamt 689 Gene, die jeweils den Bauplan für ein Eiweiß tragen. Die Bakterien kommen mit diesem im Vergleich zu anderen Lebewesen sehr kleinen Bausatz zurecht, indem sie die Eiweiße zu verschiedenen Aufgaben heranziehen. So benutzt Mycoplasma einige Eiweiße nicht nur als Bausteine für die Zellstruktur, sondern auch als Teile für kompliziertere Maschinen in der Zelle: Ribosomen stellen wiederum andere Eiweiße her, Chaperone sorgen dafür, dass sie auch korrekt gefaltet werden. Durch die geschickte Kombination der vorhandenen Bauteile kann Mycoplasma so rund 200 unterschiedliche dieser molekularen Maschinen betreiben.

Mycoplasma offenbart die Grundlagen des Lebens

Was die Wissenschaftler ebenfalls erstaunte, ist die Anpassungsfähigkeit des Bakteriums. Es kann ganz präzise auswählen, welche Eiweiße hergestellt werden sollen, abhängig von der jeweiligen Situation. Die Mischung an Eiweißen in einer Zelle wird Proteom genannt. "Es gibt so viele Proteome wie es äußere Bedingungen gibt", sagt Gavin. Bisher dachte man, diese Flexibilität wäre komplexeren Lebewesen vorbehalten, die über ein größeres Genreservoir verfügen.

Mycoplasma stellt nach Meinung der Forscher so etwas wie die Basisversion des Lebens dar. Alles andere sind Erweiterungen, der im Laufe der Evolution hinzugekommen sind, so Gavin. "Hier sehen wir die Dinge, auf die nicht einmal das einfachste Lebewesen verzichten kann und die in Millionen Jahren Evolution nicht angetastet wurden. Die Grundlagen des Lebens." Sind sie erst einmal verstanden, hoffen Gavin und ihre Kollegen, könnte das helfen, auch höhere Lebewesen als System von Hunderten ineinandergreifender Vorgängen besser zu begreifen. Dieses Wissen könnte Vertretern der Synthetischen Biologie  auch dabei helfen, Bausteine des Lebens zu etablieren, die sich vielleicht einmal zu ganz neuen Stoffwechselsystemen zusammensetzen lassen. Noch sind das Zukunftsvisionen. Bisher konnte immerhin schon das Genom eines Mycoplasma-Bakteriums künstlich nachgebaut werden (mehr...).

 

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