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Erika Kothe: Mit Mikroorganismen Böden entgiften

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Erika Kothe ist Inhaberin des Lehrstuhls für Mikrobielle Phytopathologie an der Friedrich-Schiller-Universität. Quelle: privat

27.10.2009  - 

Bakterien können erstaunliche Leistungen vollbringen. In einem ehemaligen Uranbergbau bei Gera reinigen sie den Boden von Schwermetallen. Das schaffen sie nicht alleine, sondern in Zusammenarbeit mit Pflanzen, Pilzen und anderen Mikroben. Erika Kothe untersucht, wie derartige Gemeinschaften funktionieren. Mit Wissenschaftlern der Jenaer Graduierten-Schule für Mikrobielle Kommunikation (JSMC) nimmt die Biologin unter die Lupe, wie die Netzwerkpartner Informationen austauschen. „Die Interaktion von Mikrobe zu Mikrobe, aber auch zwischen Mikrobe und Mensch, Pflanze, Insekt und Umwelt stehen im Fokus der Untersuchungen“, erklärt die Professorin, die in Jena den Lehrstuhl für Mikrobielle Phytopathologie am Institut für Mikrobiologie innehat.



 

Neben ihrem schlechten Ruf als Krankmacher können Mikroorganismen auch wahre Segensbringer sein. Das Bakterium Escherichia coli sorgt beispielsweise für eine geregelte Verdauung, während eine Gattung von Bodenbakterien, die Streptomyceten, 80% der in der Therapie genutzten Antibiotika herstellen. Außerdem sorgen sie dafür, dass frisch aufgeworfene Erde so unvergleichlich duftet. Aber die Streptomyceten können noch mehr. Deshalb interessiert sich Erika Kothe für sie. Zusammen mit den Wissenschaftlern der Jenaer Graduierten-Schule für Mikrobielle Kommunikation. „Wir setzen die Bakterien als Helfer für die kostengünstige und beschleunigte Sanierung von schwermetallbelasteten Böden ein”, erklärt die 49-jährige Mikrobiologin. Sie ist zusammen mit Axel Brakhage vom Hans-Knöll-Institut und Wilhelm Boland vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie) für die Koordination der JSMC zuständig.

In einem ehemaligen Uranbergbaugebiet bei Gera finden die Forscher ein Testfeld für ihre Forschung: Sonnenblumen nehmen Schwermetalle aus dem Boden auf und entziehen sie somit der Umwelt.Lightbox-Link
In einem ehemaligen Uranbergbaugebiet bei Gera finden die Forscher ein Testfeld für ihre Forschung: Sonnenblumen nehmen Schwermetalle aus dem Boden auf und entziehen sie somit der Umwelt.Quelle: Kothe

Viele Gebiete nachhaltig mit Schwermetallen belastet

Das von der Friedrich-Schiller Universität Jena ins Leben gerufene, interdisziplinäre Projekt vereint die Arbeiten von Wissenschaftlern aus 15 Universitäten, 6 außeruniversitären Forschungseinrichtungen und 12 Unternehmen. Die Exzellenz-Initiative des Bundes und der Länder fördert das JSMC-Projekt mit knapp 6 Millionen Euro. Gerade erst wurde die Förderung verlängert. Bis 2012 erhält das renommierte Konsortium weitere finanzielle Unterstützung durch den Freistaat Thüringen: Im Rahmen der ProExzellenz-Initiative wird das Projekt "MikroInter" in den kommenden drei Jahren mit rund einer Million Euro gefördert.

Der Freistaat steht wohl auch deshalb hinter den Forschungen, weil die Wissenschaftler an der Lösung eines Erbes arbeiten, dass Thüringen noch aus der DDR-Zeit schwer belastet. Weil Umweltbestimmungen unzureichend waren, sind ehemalige Industrieflächen auch heute noch oft nachhaltig mit Schwermetallen und anderen Giften verseucht. Wissenschaftler wie Erika Kothe versuchen diese toxischen Hinterlassenschaften nun mit Hilfe von Lebensgemeinschaften aus Pflanzen und Mikroben zu beseitigen. In einem ehemaligen Uranbergbau bei Gera fand das Forscherteam ein exzellentes Testfeld für ihre Forschung. „Die Gesteinshalden wurden zwar schon abgeräumt, doch die einstigen Aufstandsflächen zeigen immer noch stark erhöhte Schwermetallkonzentrationen“, sagt Kothe. Die Mutter einer Tochter hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als Expertin auf dem Gebiet der Pilze und mikrobieller Lebensgemeinschaften gemacht. Seit 1997 ist Erika Kothe Professorin für mikrobielle Phytopathologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Nach ihrem Studium der Biologie und der Promotion in Marburg zog es Kothe aber zunächst in die weite Welt. Als DFG-geförderte Postdoktorandin verbrachte sie Zeit an der Universität des US-Bundesstaats Vermont und an der Rijksuniversiteit im niederländischen Groningen. Danach kehrte Kothe wieder nach Marburg zurück, um 1997 den Ruf nach Jena anzunehmen.

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Nach wie vor ist sie fasziniert von ihrem Forschungsgegenstand. „Selbst in Petrischalen mit extrem hohen Konzentrationen an Nickel gedeihen unsere Streptomyceten hervorragend“, berichtet die in Bad Homburg geborene Forscherin begeistert. Im Gegensatz zu anderen Lebewesen scheinen die Mikroorganismen keine Probleme mit Cadmium, Kupfer, Kobalt oder auch Zink zu haben. Über 200 verschiedene Stämme haben die Jenaer Wissenschaftler bereits aus den schwermetallverseuchten Böden isoliert und untersuchen nun, welche Mechanismen zur Resistenz führen. „Zu den Überlebensstrategien der Bakterien gehört die Herstellung von Pigmenten und speziellen Eiweißen“, so die Professorin.

Die Eiweiße, die sogenannten Siderophore (griechisch für Eisenträger), sind für die Bakterien lebenswichtig: In schlechten Zeiten helfen diese Komplexbildner den Bakterien, Eisenmangel zu überwinden. Sie binden an Eisen-Ionen in der Umgebung und führen diese den Bakterien zu. Nicht nur Eisen wird von den Siderophoren eingefangen. „Wir fanden heraus, dass diese Siderophore auch Schwermetalle wie Nickel oder Cadmium aufnehmen“, erklärt Kothe. Damit empfehlen sie sich als Sanierungs-Helfer. Die Braunschweiger Biotechnologie-Unternehmens ASA Spezialenzyme GmbH nutzt die einsensammelnden Siderophore für einen weiteren Zweck: zur gründlichen wie umweltschonenden Entrostung aller Arten von oxidiertem Metall (mehr...).

Denn die Bakterien nehmen die Schwermetalle nicht nur selbst auf, sondern machen sie auch für Pflanzen verfügbar, die auf dem Gelände wachsen. Die Pflanzen nehmen die Metalle gerne, für sie sind sie so etwas wie Dünger. Haben die Pflanzen so viele Schwermetalle wie möglich gespeichert, werden sie geerntet und verbrannt. Ein eleganter und günstiger Weg, die unliebsamen Gifte aus verseuchten Böden zu entfernen und sie dem Ökosystem zu entziehen.

Kommunikation auf allen Ebenen

Das 30köpfige Team um Kothe widmet sich noch weiteren Projekten zum Thema mikrobielle Kommunikation. „Im Rahmen des JSMC-Graduiertenkollegs untersuchen wir das Pheromon-Rezeptorsystem von Pilzen aus der Gruppe der Basidiomyceten, und wir bringen verschiedene Signaltransduktionwege mit Phänotypen in Verbindung“, erklärt Kothe. Weiterhin charakterisieren die Wissenschaftler Mykorrhiza - eine Symbiose zwischen Pilz und Pflanze. Bislang identifizierten sie 116 Gene, welche an der Kommunikation beteiligt sind. Insgesamt fördern all diese Studien das Verständnis der mikrobiellen Interaktion und sind Grundlage für zukünftige Anwendungen in der Medizin, Landwirtschaft und Ökologie. Ins Ausland zieht es Kothe deshalb erst einmal nicht mehr. Jena bietet mehr als genug. 

Autorin des Textes: Andrea van Bergen

 

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