Haut und Knochen heilen mit der Kraft der Matrix
05.08.2009 -
Wenn Mediziner von „der Matrix“ sprechen, dann meinen sie den besonderen Kitt, der die Körperzellen umgibt und sie in Geweben zusammenhält- die extrazelluläre Matrix. Die Gerüstsubstanz bietet den Zellen auch Orientierung und steuert ihre Entwicklung. Unverzichtbar erscheint die Matrix bei der Wundheilung nach Verletzungen. Daher rückt sie immer stärker ins Blickfeld der Regenerativen Medizin. Wissenschaftler in Leipzig und Dresden haben sich nun zum Forschungsverbund Transregio 67 zusammengetan. Ziel des von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs: Von der natürlichen Matrix lernen, um mit diesem Wissen neuartige Biomaterialien zu entwickeln. Damit wollen die Forscher künftig Knochen- und Hautverletzungen besser verheilen lassen.
Gerade in Knochen und in der Haut ist sie besonders ausgeprägt: Die extrazelluläre Matrix , ein mal eher lockeres, mal eher dichtes Netzwerk aus Kollagen, Fibronectin und anderen Protein- und Kohlenhydratketten. Die Funktionen der von den Zellen abgesonderten Matrix sind vielfältig. Sie gibt den Zellverbänden Halt, errichtet Barrieren gegen Erreger oder dient beweglichen Zellen als Wanderroute. Doch was Biowissenschaftler besonders fasziniert, ist ihre Fähigkeit, Zellgewebe zum Wachsen anzuregen und so aktiv die Wundheilung zu fördern. Das schafft die Matrix, indem sie stellenweise wichtige Botenstoffe, sogenannte Mediatoren, anreichert und so das Verhalten von Zellen gezielt beeinflussen kann.
Das Netzwerk der Matrix künstlich nachahmen
„Wir wollen die Biologie der Matrix besser verstehen, um ihre Eigenschaften für die Wund- und Knochenheilung besser nutzen zu können“, sagt Jan-Christoph Simon, Professor an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie des Universitätsklinikums Leipzig und Sprecher des TRR 67. Kernthema des neuen Sonderforschungsbereiches bildet das sogenannte „Matrixengineering“. „Es geht letztlich darum, die extrazelluläre Matrix in Form von Biomaterialien künstlich nachzubauen“, sagt Simon. Mit solchen „artifiziellen Matrices“ sollen künftig einmal Implantate oder Wundauflagen beschichtet werden. Diese neuen Biomaterialien könnten dadurch nicht nur körperverträglicher werden, sondern die natürlichen Heilungsprozesse an der Wunde unterstützen.
Transregio 67 |
Der Forschungsverbund “Funktionelle Biomaterialien zur Steuerung von Heilungsprozessen in Knochen- und Hautgewebe – vom Material zur Klinik“ ist in Leipzig und Dresden angesiedelt. mehr Informationen: hier klicken |
Für den Hautmediziner Simon ist das ein zukunftweisendes Konzept in der Regenerativen Medizin. Deshalb konzentriere man sich beim Transregio bewusst auf die Matrix-Forschung, und nicht etwa auf die Forschung an Stammzellen, die ebenfalls in Dresden (CRTD) und Leipzig (BMBF-Translationszentrum für Regenerative Medizin) stark gefördert werde. Das Besondere am interdisziplinärem TRR 67 sei der geschlossene Erkenntniskreis vom Material zur Klinik: Materialwissenschaftler und Polymerforscher in Dresden entwickeln und testen biochemische Komponenten, mit denen sich künstliche Matrizen in Form von Beschichtungen, Gelen oder etwa Vliesen herstellen lassen. Die mehr klinisch orientierten Arbeitsgruppen testen diese Biomaterialien dann in Zellkulturen oder an Tiermodellen und arbeiten mit den Materialforschern gemeinsam an Verbesserungen.
Schwerpunktzentren Regenerative Medizin |
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt in Deutschland fünf Zentren für regeneratie Medizin: Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies Center for Regenerative Therapies Dresden Translational Centre for Regenerative Medicine Leipzig TRM |
Spezialisten für die Regeneration von Haut und Knochen
Einen besonderen Fokus legen die insgesamt 18 Projektgruppen in Dresden und Leipzig auf langkettige Zuckermoleküle in der extrazellulären Matrix, die sogenannten Glykosaminoglykane. Sie bilden gerade im harten Knochen und im weichen Hautgewebe zentrale Matrix-Bestandteile und bieten reichlich Andockstellen für wichtige Wachstumssignale und Mediatoren. „Deshalb hat es seinen Sinn, dass in unserem Verbund Knochenforscher in Dresden sowie Hautforscher in Leipzig arbeiten“, sagt Simon. Besonders interessiert die Forscher, wie sich ihre künstlichen Matrices aktiv als Werkzeuge für die beschleunigte Wund- und Knochenheilung einsetzen lassen. „Es soll bei Behandlungen nicht darum gehen, die künstliche Matrix mit heilungsfördernden Botenstoffen von außen zu beladen. Vielmehr soll das Biomaterial auf der Wunde die körpereigenen Selbstheilungsprozesse fördern und schneller in Gang setzen.“
Eingebettet in die Forschung: ein Graduiertenkolleg
Der Transregio baut auf einer Dresdner DFG Forschergruppe auf, die bereits seit 1998 an Implantatbeschichtungen und Knochenersatzmaterialien arbeitet. Nun gehören dem zunächst für vier Jahre mit rund zehn Millionen Euro geförderten Verbund Projektgruppen des Leipziger Universitätsklinikums und der Universität Leipzig sowie des Helmholz-Zentrums für Umweltforschung und die Industrieforschungseinrichtung Innovent e.V. an, in Dresden sind es Arbeitsgruppen der Technischen Universität, des Universitätsklinikums und des Leibniz-Instituts für Polymerforschung. Besonderer Wert wird auf die Nachwuchsförderung gelegt. So wird gerade ein Graduiertenkolleg für Doktoranden des Verbundes unter dem Titel „Matrixengineering“ eingerichtet, und auch von dem innovativen, weil besonders flexiblen Kinderbetreuungskonzept an beiden Standorten schwärmt Transregio-Sprecher Jan-Christoph Simon.
Autor: Philipp Graf