Bioökonomierat: Mutiger auf biobasierte Wirtschaft setzen
03.05.2013 -
Das Geschäft rund um die Verarbeitung biologischer Rohstoffe ist im Aufwind. In Europa werden in der biobasierten Wirtschaft heute schon zwei Billionen Euro umgesetzt. Mit mehr als 22 Millionen Arbeitsplätzen hat sich die Bioökonomie zu einem wichtigen Beschäftigungsfaktor entwickelt. Nicht nur in der Landwirtschaft, auch in technologieabhängigen Branchen wie der Chemie- und Pharmazie ermöglichen biotechnologische Kenntnisse völlig neue Prozesse und Produkte. Der Bioökonomierat, ein 18-köpfiges Beratungsgremium für die Bundesregierung, hat nun ein Eckpunkte-Papier vorgelegt. Es beleuchtet, wo auf dem Weg zur biobasierten Wirtschaft noch besonderer Handlungsbedarf besteht.
„Nachhaltiges Wirtschaften auf Basis erneuerbarer natürlicher Ressourcen wird zu einem entscheidenden Faktor im internationalen Wettbewerb“, sagt der Bonner Ökonom Joachim von Braun, Vorsitzender des Bioökonomierates. Im Bereich der Forschung sieht der Rat Deutschland in einer technologischen Spitzenposition – nicht zuletzt dank der „Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“, mit der die Bundesregierung vor drei Jahren als erste weltweit eine ressortübergreifend abgestimmte Strategie zur Etablierung einer biobasierten Wirtschaft entwickelte. In der Umsetzung hapert es hierzulande jedoch. „In Deutschland müssen die Chancen einer biobasierten Wirtschaft konsequenter ergriffen werden. Ohne entsprechende Umsetzung verlieren wir an Boden“, betonte die Co-Vorsitzende des Rates, die Biotechnologin Christine Lang.
Effizienz und Umweltverträglichkeit
In einem Eckpunktepapier macht der Bioökonomierat nun deutlich, in welchen Feldern er Handlungsbedarf sieht. Vor allem der Technologieskepsis will sich der Rat annehmen. „Partizipation kann durch einen ergebnisoffenen Dialog erzeugt werden“, heißt es im Eckpunktepapier. Neue Maßnahmen werden auch in der Förderung der Wissenschaft angemahnt. So sollten Themenfelder wie etwa Kosten- und Prozesseffizienz sowie die weitere Verbesserung der Umweltverträglichkeit in den Mittelpunkt gerückt werden. Ausschreibungen und neue Programme sollten zudem sektorübergreifend gestaltet werden, um dem interdisziplinären Charakter der Bioökonomie Rechnung zu tragen. Auch die Rahmenbedingungen müssen dem Rat zufolge verbessert werden. So gelte es Innovationshürden zu beseitigen. Dazu zählt der Rat vor allem die hohen Kosten für Pilotanlagen oder das nur spärlich fließende Wagniskapital. Zuletzt mahnt der Bioökonomierat an, rechtzeitig einem Fachkräftemangel vorzubeugen. In der Bioökonomie seien „Systemdenker“ gefragt, die mit naturwissenschaftlichen und ökonomischen Kenntnissen die biobasierte Wirtschaft in ihrem Kern verstehen. Entsprechende Ausbildungsgänge müssten geschaffen beziehungsweise mit entsprechenden Stipendien attraktiv gestaltet werden.
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International wettbewerbsfähig bleiben
Der Rat erhofft sich, dass mit diesen Maßnahmen Deutschlands biobasierte Wirtschaft international wettbewerbsfähig gemacht werden kann. Denn einerseits setzen technologisch hoch entwickelten Staaten auf neue Anlagen und Prozesse. Andererseits spielen klimatisch günstiger gelegene Länder ihren Vorteil des überreichen Angebots an Biomasse und niedrigen Produktionskosten aus. Im Bereich der Herstellung von Biokunststoffen verliert Europa bereits jetzt an Boden: Laut einer Studie des Nova-Institutes wird sich deren Produktion bis 2020 auf 12 Mio. Tonnen pro Jahr verdreifachen. Gewinner sind vor allem Staaten in Südamerika und Asien, die Europa mit zahlreichen neuen Produktionsanlagen Marktanteile abjagen. „Um international den Anschluss nicht zu verlieren, müssen jetzt genauso rasche wie langfristig orientierte politische Maßnahmen ergriffen werden“, forderte Lang.
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Stoffliche Nutzung mit viel Potenzial
Vor allem die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe, also die Herstellung hochwertiger Chemikalien und Produkte, bietet nach Ansicht des Rates Chancen für Deutschland. Doch auch in diesem Bereich stockt die Entwicklung. Zwar gebe es mit dem Chemisch-Biotechnologischen Prozesszentrum (CBP) in Leuna (mehr...) und einer Produktionsanlage für Biosprit des Chemiekonzerns Clariant (mehr...) gut Ansätze, diese reichten jedoch nicht aus. In Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden hätten sich Unternehmen wie Roquette oder der DSM-Konzern voll der biobasierten Wirtschaft verschrieben. In Norwegen hat der einstige Papier- und Zellulosehersteller gerade eine der weltweit größten Bioraffinerien eingeweiht, in der wertvolle Chemikalien aus dem Holzbestandteil Lignin hergestellt werden. Konsequent haben sich die Skandinavier mit verschiedenen Übernahmen in den vergangenen Jahren im Bereich Bioökonomie positioniert. In Finnland hat der ehemalige Papierspezialist UPM die weltweit erste Produktionsanlage von Biodiesel aus Holz eingerichtet und zeigt damit einen Weg auf, wie fossile Rohstoffe durch biologische Ressourcen abgelöst werden können – angesichts eines weiter hohen Ölpreises ein echter Standortvorteil. Die Industrie in Deutschland müsse auch mehr Mut aufbringen. „Die Bioökonomie ist ein wichtiger Teil einer zukunftsorientierten Industriestrategie", betonte von Braun.
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