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BIO-Europe: Einäugige und strenge Zuchtmeister

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Das Interesse der Pharmaindustrie an Wirkstoffen von Biotech-Unternehmen ist nach wie vor ungebrochen. Quelle: Ludwig Schedl

14.11.2012  - 

1.608 Firmen, 2.938 Delegierte, 3.019 präsentierte Lizenzoptionen,  so lautet in nackten Zahlen die Bilanz der diesjährigen BIO-Europe, die nach 2007 zum zweiten Mal in Hamburg gastierte (12. bis 14. November). Damit ist Europas größte Partnering-Messe gegenüber der Vorjahresveranstaltung in Düsseldorf kaum gewachsen. Die ansonsten gewohnt stürmischen Steigerungsraten waren in diesem Jahr nicht zu erzielen. Dennoch bleibt die BIO-Europe mit ihrem speziellen Konzept die erfolgreichste europäische Kuppelshow zwischen Biotech und Pharma. Auch für Bioregionen, Dienstleister und Wagniskapital-Vertreter ist die Messe eine wichtige Plattform, sich zu präsentieren.

Ein nicht gerade taufrischer Witz beschreibt das Prinzip BIO-Europe am besten: Treffen sich zwei Einäugige: „Du, kann ich Dich mal unter zwei Augen sprechen?“ Einäugig waren die in Hamburg anwesenden Biotech- und Pharmavertreter zwar nicht, dennoch haben beide Branchen längst erkannt, dass sie komplementäre Stärken und Schwächen haben – im übertragenen Sinne also jeweils auf einem Auge blind sind. Pharmaunternehmen fällt es einerseits immer schwerer, neue Wirkstoff-Konzepte zu entwickeln. Den zwar erfinderischen, aber chronisch klammen Biotech-Unternehmen fehlen andererseits die Mittel, Medikamente bis zur Marktreife zu entwickeln. Beide sitzen im selben Boot, rudern nur auf unterschiedlichen Seiten. Die EBD Group nützt dieses Verhältnis auf der von ihr organisierten BIO-Europe aus. Kern der oft scherzhaft als Speed-Dating-Konferenz beschriebenen Veranstaltung sind zahllose schmucklose Reihen von Plastikkabinen, in denen sich Vertreter von Pharma- und Biotech-Unternehmen für jeweils 30 Minuten zumeist unter vier Augen treffen. Die Kürze der Zeit zwingt zur Effizienz. Das ist so gewollt. Projekt vorlegen, diskutieren, Folgetreffen vereinbaren – oder eben nicht. Erklingt der Gong nach einer halben Stunde ist klar, wohin die Reise geht. Danach gilt: neuer Versuch mit neuem Partner in neuer Kabine. Unterschrieben wird auf der BIO-Europe allerdings nicht. Meistens geht es um eine kurze Kontaktaufnahme oder um ein Update zu einem bestehenden Projekt.

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So vergehen drei Partnering-Tage von 8 Uhr morgens bis 18.30 Uhr abends. Eine dreistellige Anzahl von Treffen – für so manchen Vertreter ist das eine Selbstverständlichkeit.

Alternative Finanzierungsformen im Fokus

Wer keinen Termin in der Kabine hat, schlendert über die Firmenausstellung, die in Hamburg erneut gut gefüllt war, oder besucht eine der zahllosen Podiumsdiskussionen und Workshops, in denen aktuelle Sachverhalte und Klassiker von Industriegrößen diskutiert werden. In diesem Jahr ging es auffällig oft um die Unternehmensfinanzierung – auch jenseits der lukrativen Lizenzvereinbarungen mit Big Pharma, die ansonsten der Hauptpreis eines BIO-Europe-Besuchs waren. Passend dazu waren auffällig viele Vertreter von Wagniskapital-Fonds und sogar Family Offices in Hamburg anzutreffen. In den letztgenannten bündeln Biotech-affinen Milliardäre ihre Investments. 

„Es ist hart, in diesen Tagen ein Start-up zu sein“

Auch die Mittagspause wurde genutzt, um Allianzen zu schmieden. 1.608 Firmen tummelten sich auf Europas größter Partnering-Messe.Lightbox-Link
Auch die Mittagspause wurde genutzt, um Allianzen zu schmieden. 1.608 Firmen tummelten sich auf Europas größter Partnering-Messe.Quelle: Ludwig Schedl

Viele der Gespräche auf der BIO-Europe kreisen um das Thema Geld – die einen haben es, die anderen brauchen es. Aus den USA gibt es dazu zwiespältige Nachrichten. Zwar steigt die Zahl der Biotech-Börsengänge wieder an, und auch deren gute Kursentwicklung lässt Hoffnung auf einen wieder spendablen Kapitalmarkt aufkeimen. Jedoch bleibt auch im einst gelobten Land des Biotech-Risikokapitals die Situation junger Unternehmen mit Projekten am Anfang der Entwicklung kritisch. „Es ist hart, in diesen Tagen ein Start-up zu sein“, sagte ein Vertreter der US-amerikanischen BIO in Hamburg. Denn es haben sich einige Konstanten eingestellt. Das größte Interesse seitens der Pharmaindustrie herrscht an Substanzen, die bereits einen ersten klinischen Konzeptbeweis erbracht haben. Grundsätzlich geschieht das im mittleren Entwicklungsschritt, der Phase II. Bis dahin zu kommen, ist auf beiden Seiten des Atlantiks eine Herausforderung und kostet einen zweistelligen Millionenbetrag. Von solchen Finanzierungssummen träumen viele Unternehmen vergeblich. Die Investoren können es sich leisten, sehr wählerisch zu sein. Stephen Evans-Freke, einer der Gründer des britischen Fonds Celtic Pharma, macht für das Austrocknen des Wagniskkapital-Marktes in Europa vor allem Brüsseler Politik verantwortlich. Neue EU-Regeln schreiben unter anderem vor, Risikokapital-Investitionen mit höheren Eigenkapitalvorräten abzusichern.  „Das hat sämtliche Banken aus dem Wagniskapital-Markt vertrieben“, so der britische Finanzier. Vermeintlich sichere Investitionen wie Staatsanleihen fielen jedoch nicht unter diese Regelungen. „In Griechenland dürfen Banken investieren, in Biotechnologie nicht“, sagt Evans-Freke. Er selbst managt „mehrere hundert Millionen Euro“, die er vor allem für Anteile an Medikamentenentwicklern ausgibt.

Liquide Investoren wie Celtic Pharma können sich leisten, knallharte Regeln aufzustellen und die Unternehmen nach ihren Vorstellungen auszurichten. „Wir investieren nicht länger als fünf Jahre. Danach wollen wir einen Exit sehen“, so Evans-Freke, der zugibt, starke Kontrolle auf seine Portfolio-Unternehmen auszuüben. Kritiker sehen in dieser Wagniskapital-dominierten Taktik das Ende des Unternehmertums in der Biotechnologie. Evans-Freke ficht das jedoch nicht an: „Wer sich mit uns zusammentut, weiß, worauf er sich einlässt." Nicht alle Risikokapitalgeber treten als so strenge Zuchtmeister auf, jedoch sind auch sie ihren Geldgebern Rechenschaft schuldig, die ihr Geld nach der Fondslaufzeit möglichst hoch verzinst zurückhaben wollen. Und so bevorzugen viele Unternehmer doch das Gespräch mit Pharmavertretern. Zwar müssen auch sie nach Abschluss eines geldbringenden Lizenzvertrages die Kontrolle über das verkaufte Projekt abgeben. Die Kontrolle über das Unternehmen dürfen sie jedoch behalten.

© biotechnologie.de/pd

 

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