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Gen macht Frauen stark gegen Aids

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Das Geschlechtschromosom X trägt bei einigen Frauen eine Variante, die das Immunsystem robuster gegen Aids macht. Quelle: University of Minnesota

14.08.2009  - 

Vor 50 Jahren beschrieben Ärzte in Afrika zum ersten Mal eine tödliche Krankheit, die Jahrzehnte später den Namen Aids erhielt. Seit den 80er Jahren wird weltweit intensiv an der Immunschwächekrankheit geforscht. So beobachteten Mediziner auch, dass sie sehr unterschiedlich verlaufen kann. Ein Forscherverbund unter Leitung des Fritz-Lipmann-Instituts in Jena hat nun auf dem Geschlechtschromosom mancher Frauen eine Genvariante ausgemacht, die das Immunsystem gegen das HI-Virus stärkt. Die Erkenntnisse der Studie, die im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wurde, sind im Fachmagazin American Journal of Human Genetics (Vol. 85, Ausg. 2, S. 228-239) veröffentlicht.

 

 

 

Eine Erkrankung an Aids läuft zunächst unauffällig ab. Tage bis Monate nach der Ansteckung mit dem HI-Virus kann es zu einem ersten akuten Schub kommen. Die Symptome sind allerdings unspezifisch, sie ähneln einer Grippe. Danach fühlt sich der Infizierte wieder gut, und für mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte scheint die Krankheit verschwunden.

Weniger als 200 Abwehrzellen pro Mikroliter sind gefährlich

Auch wenn äußerlich nichts zu bemerken ist, wogt im Körper aber eine Schlacht zwischen den HI-Viren und dem Immunsystem, den das Immunsystem ohne Unterstützung schließlich verliert. Die Viren bekommen dann nach und nach die Oberhand, in dem sie die körperliche Abwehr befallen und schwächen. Im weiteren Verlauf werden die Symptome des erworbenen Immunschwächesyndroms (Acquired Immune Deficiency Sndrome - AIDS) immer deutlicher. Das Vollbild einer Aids-Erkrankung ist von Gewichtsabnahme, schweren Infektionserkrankungen und bestimmten Krebsarten gekennzeichnet.

Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine bilden für die Infektion wichtige Andockstellen.Lightbox-Link
Diese Grafik zeigt HI-Viren. Typisch sind die Spikes auf der Oberfläche der Virushülle. Diese Proteine bilden für die Infektion wichtige Andockstellen.Quelle: psdesign1/Fotolia

Das HI-Virus ist ein sogenannter Retrovirus, dessen Erbsubstanz aus RNA besteht, einem nahen Verwandten der DNA des Menschen. Das Virus fügt seine Erbsubstanz zur DNA einer Zelle hinzu und verandelt sie damit in eine Fabrik, die neue HI-Viren herstellt. Das HI-Virus befällt bevorzugt CD4-Zellen des Immunsystems. Die CD4-Zellen gehören zu den Lymphozyten, einer Form der weißen Blutkörperchen. Ihre Anzahl pro Mikroliter Blut gibt einen Hinweis darauf, ob das Immunsystem noch funktionsfähig ist. Sinkt ihre Anzahl unter 200 pro Mikroliter Blut, wird der Infektionsschutz durch das Immunsystem lückenhaft.

Genetischer Faktor lässt Immunsystem länger widerstehen 

Spätestens dann sollte dem Immunsystem unter die Arme gegriffen werden. Sogenannte antiretrovirale Medikamente unterdrücken die Vermehrung des HI-Virus und können damit den Ausbruch der Erkrankung um Jahre oder Jahrzehnte verzögern. Eine Heilung für Aids gibt es bisher nicht, auch wenn viele Forscher daran arbeiten, unter anderem in Deutschland (mehr...). Bei einigen Patienten allerdings widersteht das Immunsystem auch von alleine ungewöhnlich lange den Attacken des Erregers. Als Ursache für den recht variablen Verlauf der Aids-Erkrankung vermuten die Wissenschaftler seit jeher auch genetische Faktoren.

Ein Forscherteam der Arbeitsgruppe Genomanalyse am Leibniz-Institut für Altersforschung, dem Fritz-Lipmann-Institut in Jena, hat zusammen mit Kollegen der Abteilung Infektionsmodelle am Deutschen Primatenzentrum in Göttingen (DPZ), des Instituts für Medizinische Informatik und Statistik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel sowie des Cologne Centers for Genomics der Universität zu Köln einen solchen genetischen Faktor entdeckt.

Kompetenznetz HIV/AIDS

Das Kompetenznetz HIV/AIDS  ist eines von derzeit 18 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden.

www.kompetenznetz-hiv.de

Weltweit einzigartige Sammlung an Affen-DNA 

Die Suche erfolgte mithilfe eines Tiermodells für AIDS und beruht auf der engen evolutionären Verwandtschaft zwischen Mensch und Rhesusaffe Macaca mulatta. Genetische Faktoren, die eine Virus-Infektion beim Rhesusaffen beeinflussen, sollten eine Entsprechung bei der HIV-Infektion des Menschen haben, glauben die Wissenschaftler.

Die Entdeckung wurde möglich, weil das Deutsche Primatenzentrum eine umfangreiche Erbgut-Datenbank aufgebaut hat. "Am DPZ haben wir seit über 15 Jahren Proben von Rhesusaffen gesammelt, die an Immundefizienz-Viren erkrankt waren, und von uns sehr umfangreich charakterisiert worden sind", erklärt die Immungenetikerin Ulrike Sauermann aus Göttingen. "Mit dieser weltweit einzigartigen Sammlung konnten wir im Genom von Rhesusaffen nach Veränderungen fahnden, die mit unterschiedlich schnellen Krankheitsverläufen einhergehen", so der Kölner Humangenetiker Peter Nürnberg. Beim Genomabgleich stießen die Forscher schließlich auf zwei Regionen im Erbgut, die immer dann verändert waren, wenn der Krankheitsverlauf ungewöhnlich war.

HIV vom Gorilla

Französische Virologen um Jean-Christophe Plantier von der Universität Rouen haben im Blut einer 62-jährigen Frau aus Kamerun eine bisher unbekannte Variante des HI-virus gefunden. Sie ist offenbar von Gorillas auf den Menschen übergesprungen. Die bisher bekannten HIV-Varianten stammen ursprünglich von Schimpansen.

Nature Medicine (Vol. 15, August 2009, S. 871-872)

Bei Frauen mit der Genvariante überleben mehr CD4-Zellen

Eine der Regionen liegt auf Chromosom 4 und umfasst Gene der Immunantwort. Von diesen Genen wusste man schon, dass sie nach Virusinfektionen in Rhesusaffen und in Menschen aktiv werden. Die Entdeckung der zweiten Region, auf dem X-Chromosom der Rhesusaffen, erwies sich hingegen als echte Überraschung. "In der fast 30-jährigen Geschichte intensiver HIV- und AIDS-Forschung war bislang kein Hinweis für die Beteiligung des Geschlechtschromosoms X am Krankheitsverlauf gefunden worden", so der Genomik-Experte Matthias Platzer, Leiter der Arbeitsgruppe am Fritz-Lipmann-Institut in Jena. Die Entdeckung passt allerdings zu einer Beobachtung, die Mediziner schon seit längerem verwundert hat: Manche HIV-infizierte Frauen weisen deutlich weniger Viren und mehr überlebende CD4-Immunzellen auf als infizierte Männer.

Erbgut des HI-Virus entschlüsselt

Im August 20098 Wissenschaftler der University of North Carolina at Chapel Hill haben im Juli 2009 den gesamten genetischen Inhalt des HIV-1-Virus entschlüsselt. Das hat so lange gedauert, weil die Viren-RNA sich im Gegensatz zur menschlichen DNA zu komplexen dreidimensionalen Mustern faltet.

Nature (Vol. 460, August 2009, S. 711-716)

Um den Befund aus Rhesusaffen beim Menschen zu bestätigen, analysierte das Team schließlich die entsprechende Region des X-Chromosoms bei HIV-infizierten Patienten. Und tatsächlich: "Wir konnten eine vorteilhafte genetische Variante entdecken, die bei Frauen mit einem verlangsamten CD4-Zellverlust einhergeht", sagt der Medizin-Statistiker und Populationsgenetiker Michael Krawczak von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Eine zweite Überraschung war, dass Männer davon nicht profitieren. "Damit zeigen wir erstmals, dass die Variation nur eines Nukleotid-Bausteins, also ein "single nucleotide polymorphism" (SNP), des Geschlechtschromosoms X mit einem verlangsamten Verlauf der HIV-Infektion bei Frauen einhergeht", erläutert der Molekulargenetiker Roman Siddiqui, der vom Fritz-Lipmann-Institut  ans Deutsche Primatenzentrum gewechselt ist.

In Asien trägt die Mehrheit der Frauen die widerstandsfähige Genvariante

Der SNP liegt zwischen zwei Genen in einer zwischen Mensch, Schimpanse, Rhesusaffe und Maus nahezu gleichen Region des X-Chromosoms. Die wenig bekannten Funktionen dieser Gene werden nun daraufhin untersucht, ob und wie sie den verlangsamten Immunzellverlust nach HIV-Infektion verursachen und so das Erkranken an AIDS verzögern können. Bemerkenswerterweise ist die "vorteilhafte" SNP-Variante in Asien deutlich häufiger vertreten als in der afrikanischen und europäischen Bevölkerung. Während von den bislang untersuchten HIV-infizierten Patientinnen europäischer Herkunft nur ein Anteil von etwa 20% den vorteilhaften SNP trägt, dürfte dieser bei der Mehrheit der asiatischen Frauen vorkommen, so der Forscher.

Mit den Erkenntnissen der im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Studie eröffnen sich neue Wege, die Entstehung und Behandlung von AIDS auch unter geschlechtsspezifischen Aspekten zu erforschen. 

 

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