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Blutstammzellen bei der Entwicklung gefilmt

Ob aus einer Blutstammzelle ein rotes oder ein weißes Blutkörperchen wird, bestimmen Umweltfaktoren von außerhalb. Das haben Münchner Forscher nun erstmals beobachtet. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Ob aus einer Blutstammzelle ein rotes oder ein weißes Blutkörperchen wird, bestimmen Umweltfaktoren von außerhalb. Das haben Münchner Forscher nun erstmals beobachtet.

16.07.2009  - 

Seit Jahrzehnten wogt in der Biologie ein epischer Streit: Ist es die Umwelt oder sind es die Gene, die bestimmen, wie wir uns entwickeln? Forscher des Helmholtz-Zentrums München stärken mit einer spektakulären Entdeckung jetzt das Lager derjenigen, die den Umwelteinfluss betonen. Mit einer besonderen Technik konnten die Münchner Wissenschaftler erstmals Blutstammzellen dabei filmen, wie sie sich zu spezialisierten Zellen ausdifferenzieren. Welche Rolle die Blutstammzellen annehmen, wird dabei offenbar von Stoffen in der Nährlösung bestimmt. Diese Wachstumsfaktoren sorgen mit einem strengen Regiment dafür, dass die Vorläuferzellen sich in die gewünschte Richtung entwickeln, wie die Forscher in Science (Vol. 325, Ausg. 5397, S. 217-218) berichten.



Blutstammzellen gehören zu den adulten Stammzellen. Im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen kommen sie das ganze Leben lang im Körper vor. Sie sind nicht mehr ganz so vielseitig wie ihre Verwandten im Embryo, können sich aber immer noch in die verschiedenen Zelltypen des Blutes verwandeln, wenn durch eine Verletzung oder durch Verschleiß ein Mangel auftritt.
Am Helmholtz-Zentrum München ist zum ersten Mal gelungen, was überall auf der Welt bisher erfolglos versucht wurde: einzelne Blutstammzellen dabei zu beobachten, wie sie sich zu spezialisierten Zellen entwickeln. Timm Schroeder vom Institut für Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum München konnte damit nun beweisen, dass nicht allein zelleigene Mechanismen, sondern äußere Umwelteinflüsse wie etwa Wachstumsfaktoren einen großen Anteil daran haben, was aus den Vorläuferzellen später einmal wird. In der Biologie war lange nicht klar, wie die Ausdifferenzierung von Zellen eigentlich abläuft und wer die Entwicklung festlegt.

Mit der besonderen Aufnahmetechnik können die Forscher individuelle Zellen über die ganze Wachstumsperiode hinweg beobachten.Quelle: Helmholtz-Institut für Stammzellforschung, München

Bestimmt die Zelle ihr Schicksal selbst?

Seit Jahrzehnten diskutieren Wissenschaftler verschiedener Fachdisziplinen, welchen Anteil jeweils die genetische Disposition einerseits und Umweltfaktoren andererseits an der Entwicklung des Menschen haben. Die gleiche Diskussion führen auch Hämatologen und Stammzellforscher bei der Frage, ob adulte Blutstammzellen allein durch zelleigene Mechanismen oder auch durch die Umwelt der Zelle dazu veranlasst wrden, sich in einen bestimmten Zelltypus zu verwandeln.

Insbesondere war bislang die Rolle von Wachstumsfaktoren wie zum Beispiel Zytokinen ungeklärt: Beeinflussen sie direkt, welchen Entwicklungspfad die Zelle einschlägt oder erlauben sie einfach nur jenen Zellen zu überleben, die von sich aus die "richtige" Entscheidung schon getroffen haben? Trotz der großen Bedeutung von Zytokinen für den klinischen Alltag war diese Frage immer noch eine der großen Unbekannten in der Stammzellbiologie des Blutes.

Erstmals einzelne Zellen beobachten

"Uns fehlte bislang die geeignete Technologie, um die Prozesse der Zelldifferenzierung zu beobachten und quantitativ zu erfassen", sagt Timm Schroeder, Arbeitsgruppenleiter am Institut für Stammzellforschung des Helmholtz Zentrums München. "Wir wussten daher nicht, was in dieser Zeitspanne genau geschieht." So konnte auch die Rolle der Zytokine bislang nicht vollends aufgeklärt werden.

Schroeders Team hat nun neue Bioimaging-Ansätze entwickelt, mit denen sich Stammzellen langfristig und auf Einzelzellebene beobachten lassen. Je nach Art der vorhandenen Zytokine enthielten Kulturen von Blutvorläuferzellen nach einigen Tagen nur noch einen Zelltyp. Ob dies eine Folge direkter Zytokinsteuerung war, oder lediglich der Aussortierung "falsch differenzierter" Zellen durch Zelltod zu verdanken war - das konnte bisher niemand beantworten.

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Mit der neuartigen Einzelzellbeobachtung konnte Michael Rieger zusammen mit Studenten in Schroeders Arbeitsgruppe nun erstmals zeigen, dass während des gesamten Zelldifferenzierungsprozesses kein Zelltod nachzuweisen ist. Dies zeigt, dass die Entscheidung von Blutzellen, welchen Entwicklungspfad sie einschlagen, durch äußere Umwelteinflüsse wie in diesem Falle von Zytokinen gesteuert werden kann. Für d ie Forscher steht jetzt fest: Die Blutzellen werden von den Zytokinen "erzogen".

Stammzellen in der Therapie besser einsetzen

"Die Ergebnisse bestätigen uns, dass Signalwege, welche durch Zytokinrezeptoren aktiviert werden, die Linienentscheidungen der Zellen beeinflussen", resümiert Schroeder. Die neue Methode biete zudem die Möglichkeit, die Wirkung aller an dem Differenzierungsprozess mitwirkenden Moleküle getrennt voneinander zu beobachten und ihre Rolle besser zu verstehen.  Die Forscher hoffen, mit ihrer Methode nicht nur ein Werkzeug in der Hand zu haben, um die molekularen Mechanismen der Blutbildung besser  zu verstehen. In einem weiteren Schritt könnten die Erkenntnisse auch dazu beitragen, Stammzellen in der Therapie wirkungsvoller als bisher einzusetzen.

 

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