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Wenn Pflanzen unter Stress geraten

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Spaltöffnungen auf einem Blatt der Ackerschmalwand. Links in geöffnetem, entspannten Zustand. Rechts unter Stress bei Trockenheit. Quelle: P. Walther / Universität Ulm

06.05.2009  - 

Die Landwirtschaft wird in Zukunft mit längeren Trockenperioden zurechtkommen müssen. Auf Hitze und zu wenig Wasser reagieren die Pflanzen mit einem natürlichen Stressprogramm. Sie verschließen die Poren ihrer Blätter und verringern so die Verdunstung. Wie das Stresssignal in den Zellen ankommt, war bisher allerdings unbekannt. Münchener Forscher haben nun zeitgleich mit kalifornischen Kollegen den gesuchten Rezeptor gefunden. Die Entdeckung könnte helfen, die Alarmanlage der Pflanzen neu zu justieren und so besser auf den Klimawandel vorzubereiten.



Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor große Herausforderungen. Auch in Deutschland werden die Auswirkungen zu spüren sein. So rechnen die Experten mit längeren Trockenperioden als bisher. Trockenheit ist für die allermeisten Pflanzen nichts Ungewöhnliches und sie haben Wege gefunden, ihren Wasserverbrauch während einer Durststrecke herunterzufahren.

Nach dem Rezeptor für das Stresshormon wurde lange gefahndet

Das Signal dafür gibt eine innere Alarmanlage. Kernstück dieser Alarmanlage ist ein Signalempfänger - ein Rezeptor, nach dem Pflanzenforscher in aller Welt seit Jahren fahnden. Botaniker der TU München berichten jetzt im Fachblatt Science (Online-Veröffentlichung, 30. April 2009), dass sie ihn gefunden haben.

Trockenheit ist für Pflanzen nichts anderes als Stress. Wenn es zu heiß oder trocken wird, schütten sie deshalb ein pflanzliches Stresshormon aus, die Abscisinsäure (ABA).

Dieser Signalstoff sorgt unter anderem dafür, dass die Pflanzen winzige Öffnungen in ihren Blättern, die Spaltöffnungen, schließen, um so ihren Wasserverlust zu verringern. Um diese Anpassungsreaktion zu starten, müssen die Pflanzenzellen ABA jedoch zunächst erkennen. Wie sie das tun, war lange unbekannt. Mehrere Forschergruppen waren weltweit auf der Jagd nach dem verantwortlichen ABA-Rezeptor, ein Team um  Erwin Grill vom Lehrstuhl für Botanik der Technischen Universität München (TUM) hat ihn jetzt gefunden - zeitgleich mit einer Forschergruppe in Kalifornien.

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Ausgangspunkt der Suche von Grill und seinen Kollegen waren bereits bekannte Elemente der Alarm-Signalkette: Enzyme aus der Gruppe der Proteinphosphatasen blockieren normalerweise wie eine Schranke die Weiterleitung des ABA-Signals in der Zelle. Damit die Schranke unten bleibt, müssen die Proteinphosphatasen aktiv sein. Bei Stress wird diese Aktivität blockiert und die "Enzym-Schranke" geht nach oben: Das Signal wird weitergeleitet und die Anpassungsreaktion beginnt. Die Wissenschaftler kannten schon zwei Proteinphosphatasen, die als die effektivsten Enzym-Schranken des ABA-Signalweges gelten. "Wir haben deshalb gezielt nach Proteinen gesucht, die an diese Proteinphosphatasen ankoppeln, um sie dadurch vielleicht auszuschalten", sagt Grill.

RCAR1 ist für die Bindung zuständig

Im Reagenzglas mischten die Wissenschaftler daher verschiedene Proteine mit den Proteinphosphatasen zu Proteinkomplexen. Zu jeder dieser Mixturen fügten sie dann ABA hinzu. Vier Proteinkomplexe zeigten dabei keine Veränderung, doch die fünfte Mixtur stoppte bei Zugabe von ABA schlagartig die Aktivität der Proteinphosphatasen. Um sicherzugehen, griffen die Forscher zur sogenannten isothermalen Titrationscalorimetrie. Diese aufwändige chemische Messmethode kann anhand geringer Temperaturänderungen feststellen, ob Moleküle aneinander binden. Mit Unterstützung der Kollegen aus der Chemie konnten die Botaniker vom Wissenschaftszentrum Weihenstephan tatsächlich eine Bindung von ABA durch das entdeckte Protein nachweisen. Der ABA-Rezeptor war entdeckt. Die Wissenschaftler tauften ihn auf den Namen RCAR1.

Innere Alarmanlage der Pflanze empfindlicher machen

Die im Reagenzglas gefundene Wechselwirkung zwischen Proteinphosphatase und RCAR1 konnten die Botaniker in einem weiteren Schritt auch in lebenden Pflanzen nachweisen. Dabei zeigte sich, dass die untersuchte Modellpflanze Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana empfindlicher auf das Stresshormon ABA reagiert, wenn sie durch gentechnische Manipulationen dazu gebracht wurde, mehr RCAR1-Protein zu bilden. Das bedeutet: Der gefundene Rezeptor RCAR1 kann die innere Alarmanlage der Pflanze tatsächlich sensibler machen.

Und er scheint nicht der einzige zu sein: Die Forscher haben bei der Ackerschmalwand noch 13 weitere Proteine gefunden, die offenbar ganz ähnlich wirken."Wir haben mit unserer Entdeckung für einen Durchbruch im Verständnis der Stressreaktion von Pflanzen gesorgt", sagt Grill. Die Erkenntnisse der TUM-Forscher könnten in Zukunft helfen, Nutzpflanzen mit geringerem Wasserbedarf und verbesserter Trockentoleranz zu entwickeln. Angesichts des in vielen Erdteilen wachsenden Wassermangels würde sich damit ein Traum vieler Landwirte erfüllen. 

 

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