Innovative Therapieverfahren: Gehirntumore vom Wuchern abbringen
11.12.2008 -
Das Glioblastom ist einer der häufigsten, aber auch aggressivsten Hirntumore und führt meist rasch zum Tod. Eine Idee war bisher, die Tumorzellen zum Suizid zu animieren. Ana Martin-Villalba vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg vermutet jedoch, dass das aktivierte Zelltodprogramm den Verlauf der Krankheit beschleunigt. Im Rahmen der Initiative „Innovative Therapieverfahren auf molekularer und zellulärer Basis“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung untersucht Martin-Villalba, ob der Wirkstoff APG101 des Biotechnologie-Unternehmens Apogenix bei Glioblastomen den Zelltod unterbinden und damit das Wachstum des Tumors verzögern kann.
Glioblastome haben sich bis jetzt jedes Therapieversuchs entzogen. Sie bestehen aus unterschiedlichen Zelltypen und deren Vorstufen, was eine erfolgreiche Behandlung erschwert. Das Glioblastom wächst korallenstockartig und bildet feinste Ausläufer in benachbartem, gesundem Gehirngewebe. Deshalb gelingt es Neurochirurgen selten, den Tumor restlos zu entfernen. Zu groß ist die Gefahr, auch gesundes Gewebe zu beschädigen. Auch gegen den in der Krebsforschung in den vergangenen Jahren als vielversprechenden Kandidaten gehandelten Ansatz, das Selbstmordprogramm der Tumorzellen zu aktivieren, ist das Glioblastom resistent.
Tumorzellen lassen sich nicht zum Selbstmord treiben
Der programmierte Zelltod, die Aptoptose, ist eigentlich ein lebensnotwendiger Prozess. Er spielt während der Entwicklung des Embryos, aber auch im erwachsenen Organismus eine wichtige Rolle. Zusammen mit seinem Partner CD95L sorgt der molekulare Schalter CD95 für die Beseitigung von entgleisten oder kranken Zellen. Einmal aktiviert, löst CD95 eine Kette von verschiedenen Signalen aus, die letztlich zum Tod einer geschädigten Zelle führt. Bisher hielten Wissenschaftler das für ein nützliches Werkzeug, um die wild ungehemmt wachsenden Tumorzellen los zu werden.
Ana Martin-Villalba vom DKFZ konnte aber zeigen, dass das womöglich genau der falsche Weg ist. Wie die Krebsforscherin im Fachmagazin Cancer Cell (2008, Vol. 13, S. 235-248) berichtete, löst die Aktivierung von CD95 im Tumor eben nicht das Selbstmordprogramm aus. Ganz im Gegenteil. "Stattdessen regt das Signal die Tumorzellen an, in benachbarte, gesunde Hirnregionen einzuwandern", erläutert Dr. Martin-Villalba. So aktiviert der Schalter CD95 das Eiweiß MMP, der dem Tumor ähnlich einem Bohrer den Weg in umliegendes Gewebe bahnt. Blockiert man dagegen das Apoptose-Programm, dann geht das Tumorwachstum stark zurück.
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Antikörper APG101 fängt den Befehl zum Selbstmord ab
In Versuchen an Mäusen konnten die Forscher bereits zeigen, dass der Tumor sehr viel weniger stark wuchert, wenn sie CD95L mit einem Antikörper blockieren und damit die Aktivierung des Zelltodprogramms verhindern. "Mit diesem veränderten Blickwinkel hoffen wir, in Zukunft neue Ideen für die Tumortherapie entwickeln zu können", sagt Martin-Villalba.
Eine vielversprechende Idee ist der Einsatz eines Antikörpers, der sich gegen CD95 richtet. Das Unternehmen Apogenix, das im Jahr 2005 vom DKFZ-Forscher und BioFuture-Preisträger Henning Walczak gegründet wurde (mehr...), hat mit dem Wirkstoffkandidaten APG101 einen derartigen Antikörper in der Pipeline. Mit APG101 will Apogenix eine Vielzahl von Krankheiten therapieren, bei denen viele Zellen absterben. Dazu zählen die akute „Graft-versus-Host Disease“ (aGvHD), Herzinfarkt, HIV-Infektion und Rückenmarksverletzungen. Im Herbst 2008 startete eine klinische Studie der Phase I, mit der derzeit die Verträglichkeit von APG101 getestet wird.
300.000 Euro gegen das Glioblastom
Ana Martin-Villalba untersucht im Rahmen der BMBF-Initiative „Innovative Therapieverfahren auf molekularer und zellulärer Basis“, ob sich der Selbstmord-Verhinderer APG101 auch bei Glioblastomen einsetzen lässt. Mit der Initiative sollen besonders inoovative Behandlungsansätze, die mit einem hohen Entwicklungsrisiko einhergehen, gefördert werden. Um die Tauglichkeit von APG101 als Tumorbekämpfer zu bestimmen, erhält Martin-Villalba, die Leiterin der DKFZ-Juniorgruppe „Molekulare Neurobiologie“ am DKFZ, insgesamt 300.000 Euro.