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Neuer Ansatz der Alzheimer-Therapie: Hemmstoff per Anhalter in die Zelle bringen

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Dresdner Forscher konnten gezielt ein Enzym in Nervenzellen hemmen, das eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Alzheimer Krankheit spielt. Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden

25.04.2008  - 

Nervenzellen lösen sich auf, Patienten verlieren ihr Erinnerungs- und Orientierungsvermögen - die Alzheimersche Krankheit ist eine schleichende Erkrankung des Gehirns. Eine erfolgreiche Behandlung gibt es derzeit nicht. Forscher um Kai Simons am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden – Mitbegründer der Biotech-Firma Jado Technologies – haben nun womöglich einen wichtigen Schritt in Richtung Therapie getan. Wie das Team im Fachmagazin Science (2008, Vol. 320, S. 520-523) berichtet, ist es ihnen gelungen, einen der wichtigsten Auslöser der Alzheimer-Krankheit zu hemmen. Dazu haben die Wissenschaftler gezielt kleine Nanoflöße der Zelle genutzt, die den Hemmstoff direkt an den Ort des Geschehens bringen.

Verklumpte Proteinfragmente, so genannte Amyloid-Ablagerungen (Plaques), gelten als die auffälligste Veränderung in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten. Laut gängiger Lehrmeinung sammeln sie sich im Lauf der Zeit an und beginnen nach und nach, die Gehirnzellen zu schädigen, bis diese schließlich absterben. Diese Ablagerungen entstehen, wenn ein spezielles Eiweiß (APP, β-Amyloid-Precursor-Protein) von dem Enzym β-Sekretase zerschnitten wird.

Gebündelte Demenzforschung

Mitte März hat das Rheinland den Zuschlag für den Sitz des nationalen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen erhalten, wo die Forschung zu Krankheiten wie Alzheimer oder Parkison gebündelt werden. Dafür stellt das Bundesforschungsministerium rund 60 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Teil des Geldes fließt auch ans Max-Planck-Institut in Dresden, das künftig Partnerinstitut werden soll.    

Ziel: Enzym ß-Sekretase wirkungsvoll hemmen

An genau dieser β-Sekretase haben nun die Forscher um am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden arbeitenden Finnen Kai Simon angesetzt. Ihr Ziel war es, das Enzym wirkungsvoll zu hemmen, um die Alzheimer-Krankheit effektiv zu behandeln oder zumindest den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Doch zuvor mussten zwei wichtige Fragen geklärt werden: Wo genau in der Zelle spaltet die β-Sekretase das Eiweiß APP? Wie findet das kleine kurzkettige Eiweiß, das dabei entsteht, den Weg aus der Zelle, um schließlich die gefürchteten Ablagerungen zu bilden?

Die Antworten verblüfften die Forscher: Die APP-Spaltung kann nur dann stattfinden, wenn APP und die β-Sekretase vorher in die Zelle eingeschleust wurden. Dies geschieht über den gleichen Prozess, über den Zellen beispielsweise Nährstoffe aufnehmen und externe Signale ins Zellinnere vermitteln (Endozystose).

Im Gegensatz zum obrigen Bild sind hier unbehandelte Nervenzellen zu sehen, bei denen das APP-Fragment (grün) in Massen nachzuweisen ist. Die roten Punkte sind die Zellkerne der Zellen.  Lightbox-Link
Im Gegensatz zum obrigen Bild sind hier unbehandelte Nervenzellen zu sehen, bei denen das APP-Fragment (grün) in Massen nachzuweisen ist. Die roten Punkte sind die Zellkerne der Zellen. Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden

Danach werden APP und die β-Sekretase in eine spezielle Zellorganelle transportiert, die sich in der Zellperipherie befindet (frühes Endosom). Darin wird das APP durch die β-Sekretase gespalten.

Enzymhemmer mit Anker versehen

Auf der Basis dieser Erkenntnisse wurden bestehende β-Sekretase-Hemmer von dem Dresdner Forscherteam nun mit einem Membrananker versehen, um diese in frühe Endosomen transportieren zu können. Wie sie jetzt im Fachmagazin Science (2008, Vol. 320, S. 520-523) berichten, haben erste Experimente gezeigt, dass diese Endosom-spezifischen Hemmstoffe um ein Vielfaches effektiver sind als die löslichen, bisher auf dem Markt erhältlichen Präparate - und dies sowohl in Zellkulturen als auch in lebenden Organismen. In einem tierischen Modellorganismus, in dem Alzheimer simuliert wurde, konnte mit dem neuartigen Hemmer die Bildung von β-Amyloid in nur vier Stunden auf die Hälfte reduziert werden, während die bisher erhältlichen Hemmstoffe keinerlei Wirkung zeigten.

Tobias HartmannLightbox-Link
Tobias Hartmann

Tobias Hartmann: Vor einigen Jahren hat der Biologe aufgedeckt, wie die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit mit dem Fettstoffwechsel zusammenhängt. Nun will er darauf aufbauend eine Therapie entwickeln. Mehr




Neuer Ansatz: Mit Nanoflößen in die Zelle

Lawrence Rajendran, Mitarbeiter im Labor von Simons, erklärt: "Der Hemmstoff fährt quasi per Anhalter mit den kleinen Nanoflößen, den Rafts, in die Zelle: Wir nutzen damit einen Mechanismus der Zelle, um den Hemmer genau dorthin zu bringen, wo er wirken soll - das ist bedeutend effektiver". "Darin steckt ein riesiges Potential für die Entwicklung neuer und wirksamerer Medikamente gegen Alzheimer", sagt Kai Simons, der auch einer der Mitbegründer der Dresdner Biotech-Firma Jado Technologies ist, die nun den Raft-Ansatz für weitere Therapiemöglichkeiten durchtesten wird.

Rafts sind also der Schlüssel zu den vollkommen neuen Therapie-Ansätzen der Dresdner Forscher. "Man kann Hemmstoffe in der Zellmembran genau zu den entscheidenden Zielorten lenken - die Orte der wahren Krankheitsursache", so Rajendran. Kai Simons denkt schon weiter: "Wir glauben, dieses Prinzip bald auch für andere therapeutische Hemmstoffe in Verbindung mit anderen Krankheiten anwenden zu können". Denn auch bei Virus-Erkrankungen wie Ebola oder HIV nutzen die Viren Rafts, um von Zelle zu Zelle zu kommen. Genau diesen Weg gilt es zu unterbrechen.

 

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