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Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs von STIKO offiziell empfohlen

Von der STIKO wurde jetzt ein Impfstoff empfohlen, der die Infektion mit Papillomaviren verhindert. Papillomaviren werden für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich gemacht. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Von der STIKO wurde jetzt ein Impfstoff empfohlen, der die Infektion mit Papillomaviren verhindert. Papillomaviren werden für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich gemacht. Quelle: Kurier online

03.04.2007  - 

Jedes Jahr erkranken rund 6500 Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs und über die Ursache dieser Erkrankung wurde lange gerätselt. Vor zwanzig Jahren hat der deutsche Virologe Harald zur Hausen als erster einen Zusammenhang zwischen bestimmten Warzenviren, den Humanen Papillomaviren (HPV), und Gebärmutterhalskrebs aufgestellt. Diese These wurde von Kollegen lange angezweifelt, inzwischen ist sie Allgemeingut und hat zur Entwicklung von zwei Impfstoffen geführt. Nachdem im  Oktober 2006 der erste europaweit zugelassen wurde, hat die Ständige Impfkommission (STIKO) mit Sitz am Robert-Koch-Institut in Berlin  nun im März eine Empfehlung für die generelle Impfung gegen HPV für Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren herausgegeben.

Krebs ist nach Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und kann durch krebserregende Stoffe, genetische Veranlagungen oder auch durch Infektionen mit Bakterien oder Viren hervorgerufen werden. Fachleute schätzen, dass 20 Prozent aller Krebserkrankungen durch Infektionen entstehen, die durch das Immunsystem nicht beseitigt werden können. Die Mikroben machen sich dabei die menschlichen Zellen gefügig, weil sie sich allein nicht vermehren können: Ihre Tricks sind so raffiniert, dass sie ins menschliche Erbgut eigene Wachstumsgene einbauen können und andere menschliche Gene in ihrer Aktivität ausschalten. Besonders gefürchtet sind das Magenkrebs auslösende Bakterium Helicobacter pylori oder die Leberkrebs verursachenden Hepatitisviren B und C. Besonders fatal für Frauen sind spezielle Warzenviren, die humane Papillomaviren (HPV). Sie werden zumeist durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen  und tragen zur Entstehung von Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) bei. Dank gynäkologischer Früherkennungsuntersuchungen („Pap-Test“) konnte zwar die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland deutlich gesenkt werden, dennoch erkranken jedes Jahr rund 6500 Frauen in Deutschland an Gebärmutterhalskrebs. Das Risiko, im Leben eine HPV-Infektion durchzumachen, ist sehr hoch: Etwa  70% der sexuell aktiven Frauen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV. Meistens bleibt diese Infektion unauffällig, und es kommt gar nicht erst zu einer Erkrankung. Weltweit sterben jedoch jedes Jahr rund 230.000 Frauen daran, in Deutschland lag die Zahl laut Bundesstatistik des Jahres 2004 bei insgesamt 1160 Patientinnen. Gebärmutterhalskrebs ist damit nach Brustkrebs die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen.

Deutscher Virologie entdeckt Warzenviren als Ursache für Gebärmutterhalskrebs

Von den mehr als 80 Mitgliedern umfassenden Familie der humanen Papillomaviren gelten 13 Typen als krebserregend: Hierbei werden insbesondere die Typen  HPV 16 und 18 als gefährlich eingestuft, sie sind für 70% aller diagnostizierten Fälle von Gebärmutterhalskrebs verantwortlich. Der langjährige Chef des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) Harald zur Hausen, heute 70 Jahre alt,  erkannte bereits in den 70er Jahren als erster den Zusammenhang zwischen einer Infektion mit HPV und Gebärmutterhalskrebs.

Harald zur Hausen entdekcte als Erster den Zusammnenhang zwischen Papillomaviren und GebärmutterhalskrebsLightbox-Link
Harald zur Hausen entdekcte als Erster den Zusammnenhang zwischen Papillomaviren und GebärmutterhalskrebsQuelle: DKFZ Heidelberg

Harald zur Hausen entdeckte als Erster den Zusammenhang von Papillomaviren und Gebärmutterhalskrebs. Quelle: DKZF Heidelberg

Als Leiter des Lehrstuhls für Klinische Virologie an der Universität Erlangen, trug Harald zur Hausen damals zum ersten Mal seine These auf einer internationalen Konferenz in Florida vor. Die Kollegen wollten ihm nicht glauben, zu diesem Zeitpunkt galten Herpesviren als Verursacher. Anfang der 80er Jahre gelang es dem hartnäckigen Forscher jedoch, die krebserregenden Viren vom Typ 16 und 18 aus dem Tumorgewebe zu isolieren und anschließend nachzuweisen, dass bei Gebärmutterhalskrebs das Erbgut der Warzenviren ins Genom der Zellen eingebaut wird und zwei virale Gene, E6 und E7, in den Tumorzellen aktiv sind. Dennoch galt die These, HP-Viren könnten den Krebs verursachen, lange Zeit als nicht tragfähig.
Heute ist das Wissen um die Entstehung der Erkankung Allgemeingut und Gebärmutterhalskrebs wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als sexuell übertragbare Erkrankung gewertet. Bei etwa 500 000 Frauen in Deutschland finden Ärzte bei der jährlichen Früherkennung erst Wucherungen, die oft zu aufwendigen Nachuntersuchungen führen und durch operative Eingriffe entfernt werden müssen. Eine Impfung soll nun die virusbedingte Krebsentstehung verhindern, indem sie das Immunsystem vorwarnt und den HPV-Erreger eliminieren hilft. An der Entwicklung des Impfstoffes war ein weiterer Heidelberger maßgeblich daran beteiligt: Lutz Gissmann vom DKFZ. Für seine Verdienste wurde er  Anfang März diesen Jahres mit dem Deutschen Krebspreis geehrt.

Zellen des Gebärmutterhalses zeigen nach  Papillomainfektion deutliche Zellveränderungen: Die Zellkerngröße und Plasmarelation ist deutlich zu Gunsten des Kerns verschoben. Lightbox-Link
Zellen des Gebärmutterhalses zeigen nach Papillomainfektion deutliche Zellveränderungen: Die Zellkerngröße und Plasmarelation ist deutlich zu Gunsten des Kerns verschoben. Quelle: cytologyweb.ch

Die Zellen des Gebärmutterhalses zeigen nach  Papilloma-Infektion deutliche Zellveränderungen: Die Zellkerngröße und Plasmarelation ist deutlich zu Gunsten des Kerns verschoben. Quelle: cytologyweb.ch

Inzwischen wurden unter dem Namen Gardasil  und Cervarix zwei Impfstoffe zur Marktreife gebracht. Sie bestehen dabei aus so genannten virus-like particles (VLP), quasi leeren Virushüllen ohne (schädliche) Erbinformation. Im Fall des HPV-Impfstoffs Gardasil setzen sich diese VLPs aus den gentechnisch hergestellten Viruseiweissen, den L1-Proteinen, der Virsustypen HPV 16, 18, 6 und 11 zusammen. „VLPs sind in idealer Weise als Impfstoff geeignet, da sie aufgrund der identischen Struktur vom Immunsystem wie ein infektiöses Virus erkannt werden, sich aber wegen der fehlenden Erbinformation nicht vermehren, also keine Infektion und damit keine Erkrankung auslösen können“, erklärte Gissmann den Mechanismus.

Attraktiver Markt für Impfstoffhersteller

Im Fall von Gardasil wirkt der Imfpstoff nicht nur gegen die krebsauslösenden HPV 16 und 18, sondern auch gegen die Genitalwarzen verursachenden HPV-Typen 6 und 11. Seit Oktober 2006 wird Gardasil in Europa von Sanofi Pasteur MSD – ein Joint Venture der amerikanischen Merck & Co und dem französischen Pharmahersteller Sanofi Aventis – vertrieben, für Cervarix vom britischen Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline wird die Zulassung noch für dieses Jahr erwartet. Für die Pharmafirmen ist der Markt attraktiv: Experten rechnen im Jahr 2010 mit einem Volumen von weltweit 8 Millarden Dollar. Nicht ganz ohne Bitterkeit sieht diese Entwicklung das DKFZ. „Deutschen Unternehmen hatten wir den Impfstoff jahrelang angeboten“, kritisiert der Chef des Forschungsinstitutes Otmar Wiestler.
Wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg solcher Impfstoffe, ist dabei die Frage, ob er von den Krankenkassen bezahlt wird. In einigen Ländern wie den USA wurde dies bereits mit einem offiziellen Ja beantwort und auch die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut in Berlin hat sich nun auf eine offizielle Empfehlung zur ersten flächendeckenden Impfung gegen eine Krebserkrankung geeinigt. Es wird angeraten, dass alle Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren noch möglichst vor dem ersten Geschlechtsverkehr geimpft werden und dabei alle drei Impfdosen des Impfstoffs innerhalb von sechs Monaten erhalten. Nach der zum 1. April in Kraft getretenden Gesundheitsreform müssen alle Impfungen, die von der STIKO empfohlen werden, als Pflichtleistung von den Krankenkassen übernommen werden. Welche Impfungen das konkret betrifft und in welchem Umfang die Kosten künftig übernommen werden, soll nun der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bis Ende Juni dieses Jahres regeln, ansonsten gelten die Empfehlungen der STIKO. Mehrere Krankenkassen hatten sich aber schon vorab dazu entschieden, die Kosten in Höhe von insgesamt 450 Euro zu übernehmen. Die Impfung wirkt allerdings nur für die anvisierten vier HPV-Typen und ist rein präventiv. Haben sich die Warzenviren nach dem ersten Sexualverkehr erst einmal in den Zellen der Frauen eingenistet, bietet auch der Impfstoff keinen Schutz mehr. 
Da es in Deutschland allerdings keine rechtlich bindenden Impfungen im Schulalter gibt, rechnet der Vorsitzende der STIKO, Heinz-Josef Schmitt, trotz Empfehlung nicht mit einer flächendeckenden Impfung aller Mädchen in Deutschland. „Niemand ist für die Umsetzung von Impfungen verantwortlich, ja es gibt nicht einmal Strukturen dafür, dass Jugendliche gezielt über empfohlene Impfungen beraten werden“, beklagt er gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Langzeitwirkung des Impfstoffes ist noch unklar

Inwieweit eine Impfung die Wahrscheinlichkeit senkt, dass sich im Laufe des ganzen Lebens kein Gebärmutterhalskrebs entwickelt, ist derzeit allerdings noch nicht gänzlich geklärt. Bislang wurden rund 20.000 Patientinnen mit dem Impfstoff getestet und die frühesten Studien sind erst vor sechs Jahren angelaufen. Ab wann also möglicherweise eine Auffrischung der Impfung erfolgen muss – wie dies bei anderen Impfstoffen auch der Fall ist – darüber wird erst in Zukunft vollständige Klarheit herrschen. Nachgewiesen werden konnte bisher insbesondere eine Wirksamkeit gegen Zellveränderungen (Dysplasien), die sich bei HPV-Infektionen innerhalb von zehn Jahren zu einer Vorstufe von Krebs entwickeln können. Ob die Impfung tatsächlich den Ausbruch der zumeist Jahre später auftretenden invasiven Krebserkrankung verhindern kann, bleibt dennoch unbeantwortet. In Australien wurde daher die Aufnahme der Impfung  in das nationale Impfprogramm wegen fehlender Langzeitdaten abgelehnt. Ungeklärt ist bislang ebenfalls die Frage, ob sich durch die Impfung gegen bestimmte HPV-Typen die Wahrscheinlichkeit erhöht, mit anderen womöglich krebserregenden Typen der HPV-Familie infiziert zu werden. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA gibt dazu in ihrer Zulassungserklärung für den Impfstoff Gardasil an, dass im Vergleich zur Placebo-Gruppe bei geimpften Frauen 5,5% mehr Erkrankungen auftraten, die durch HPV-Typen ausgelöst wurden, die nicht im Impfstoff enthalten sind.
Bislang ist noch unklar, ob es sich langfristig lohnt, nicht nur die Frauen, sondern auch Jungen und Männer durch eine Impfung zu schützen. Jungen sind  zwar als Überträger der Papillomaviren bekannt, erkranken aber selbst nur sehr selten an ihnen. Angesicht der unklaren Faktenlage und der immensen Kosten hat sich die STIKO zunächst gegen eine Impfempfehlung für Jungen entschieden. Kritiker geben jedoch zu bedenken, dass geschlechtspezifische Impfungen, wie bei den Röteln lange praktiziert, in der Vergangenheit nur eine mangelhafte Effektivität gezeigt haben und erst die parallele Impfung von Jungen und Mädchen zum Erfolg führte.

 

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