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Nervenzellen zwischen Leben und Tod

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Die Verbindungen von Nervenzellen ähneln einem Bahnnetz Quelle: Haut-Laser-Venen

15.03.2007  - 

Das Gehirn besteht aus einer unvorstellbar großen Anzahl von Nervenzellen, die über ein gigantisches Netzwerk miteinander verbunden sind. Informationen werden dabei in Form von elektrischen Signalen von einer Zelle zur anderen weitergeleitet. Nun haben Neurobiologen um Hilmar Bading von der Universität Heidelberg tiefere Einblicke in die komplexen Mechanismen des Gehirns gewonnen. Wie sie im Fachmagazin Neuron (15. Februar 2007, Vol. 53, S. 549-562) berichten, haben sie dabei einen zentralen molekularen Schalter im Gehirn untersucht, den sogenannten NMDA-Rezeptor. Dabei haben sie ein äußerst widersprüchliches Verhalten herausgefunden: Einerseits steuern diese Rezeptoren offenbar Lern- und Gedächtnisprozesse und stärken die Überlebensfähigkeit von Nervenzellen, anderseits können sie auch den Tod der Nervenzellen verursachen. Von der Entschlüsselung dieser Mechanismen erhoffen sich die Forscher neue Perspektiven für die Behandlung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems.

Schon lange ist bekannt, dass Informationen zwischen einzelnen Nervenzellen von einer zur nächsten weitergereicht werden - kodiert in Form von elektrischen Signalen. Gemeinsam mit Kollegen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Universität Graz hat Hilmar Bading von der Universität Heidelberg nun die Signalschienen identifiziert, die auch in die Kommandozentrale, also den Zellkern, im Innern einer einzelnen Nervenzelle führen und beispielsweise bei Lernvorgängen aktiviert werden. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin Neuron (15. Februar 2007, Vol. 53, S. 549-562) berichten, kommt es bei dieser Aktivierung zu Veränderungen im Erbgut der Zelle, die vermutlich die Grundlage für ein Langzeitgedächtnis bilden. Als zentralen Regulator dieser Signalwege hat Bading dabei das Metallion Kalzium entschlüsseln können, das über winzige Kanäle, die NMDA-Rezeptoren, in die Nervenzelle eintreten kann. Der Botenstoff Kalzium fungiert dabei als Überträger von unterschiedlichen Informationen und kann offenbar wie ein Schalter komplett gegensätzliche Zellschicksale auslösen. So konnten die Wissenschaftler bislang beispielsweise beobachten, wie Nervenzellen durch Kalzium-Signale entweder aktiviert werden oder absterben. Letzteres tritt unter anderem bei epileptischen Anfällen oder als Folge eines Schlaganfalls ein. Welches der beiden Schicksale die Nervenzelle erwartet, hängt dabei von der Art des Kalzium-Signals ab. Forscher haben bereits lange vermutet, dass ein Unterschied in der NMDA-Rezeptor-Stimulation verantwortlich für die unterschiedlichen Kalzium-Signale ist und die gegensätzlichen Zellschicksale auslösen kann. Diesen Kalzium-Code hat die Arbeitsgruppe um Hilmar Bading nun entschlüsselt.

Der Ort der Rezeptoren entscheidet über Leben oder Tod in den Nervenzellen

Mit Hilfe der Genchip-Technologie wurden mehr als 40.000 verschiedene Gene in Maus-Neuronen in Abhängigkeit von verschiedenen Stimulationssignalen untersucht. Die Forscher identifizierten hierdurch ein Set an Genen, darunter Btg2 und Bcl6, das spezifisch durch den Kalzium-Einstrom über die NMDA-Rezeptoren aktiviert wurde und die Überlebensfähigkeit der Nervenzelle unterstützte. Entscheidend, ob ein Aktivierungs- oder Todessignal in der Zelle ausgelöst wurde, war dabei aber die Lokalisation der Rezeptoren und damit der Ort der Kalzium-Initiation auf den Neuronen. Wurden NMDA-Rezeptoren direkt an der Synapse der Nervenzelle aktiviert, also an den Kontaktstellen zwischen zwei Neuronen, wurde ein genetisches Programm angeschaltet, das die Stoffwechselaktivität der Nervenzellen verstärkte. Wurden hingegen NMDA-Rezeptoren aktiviert, die sich außerhalb der Synapse befanden, führte dies zum Absterben der Neuronen.  

Die Identifizierung des NMDA-Rezeptor-gesteuerten genetischen Überlebensprogramms eröffnet neue Perspektiven für therapeutische Ansätze zur Behandlung degenerativer Erkrankungen des Nervensystems wie der Alzheimer- oder Parkinson-Krankheit und schließt auch neue Ansätze bei der Erforschung der Multiplen Sklerose nicht aus, trotzdem es sich hierbei um eine Krankheit mit noch vielen unbekannten Faktoren handelt.

Hilmar Bading erhielt 2001 den Wolfgang-Paul-Preis

Gefördert wurden die Forschungsarbeiten von Hilmar Bading unter anderem durch den höchstdotierten Preis der deutschen Wissenschaftsgeschichte, den Wolfgang-Paul-Preis, der mit bis zu 2,3 Millionen Euro pro Preisträger doppelt so hoch dotiert war wie der Nobelpreis. Dieser Preis wurde 2001 von der Alexander von Humboldt-Stiftung einmalig an eine internationale Auswahl von insgesamt 14 Wissenschaftlern verliehen. Ziel des Wolfgang Paul-Programmes ist es, den Preisträgern die bestmöglichen Arbeitsbedingungen an einer Forschungseinrichtung in Deutschland zu bieten. Der Namenspatron des Programms, Wolfgang Paul (1913 – 1993), erhielt 1989 den Nobelpreis für Physik und gilt als Pionier auf dem Gebiet der Teilchenphysik.

 

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