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Bakterien als Hoffnung für ölverseuchte Gewässer

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Dieses Meeresbakterium der Art Alcanivorax borkumensis besitzt erdölabbauende Fähigkeiten. Quelle: Helmholtzzentrum für Infektionsforschung (HZI, ehemals GBF) in Braunschweig

03.08.2006  - 

Wenn ein Tanker im Meer verunglückt und sich ein Ölteppich unaufhaltsam ausbreitet, ist das eine große Naturkatastrophe: Flora und Fauna sind darauf nicht vorbereitet, effiziente Methoden zur Reinigung gibt es bislang nicht. Das könnte sich jedoch bald ändern, wie Forscher aus Braunschweig und Bielefeld jetzt im Fachmagazin Nature Biotechnology (Vorab-Onlinepublikation, 30. Juli) berichten. Gemeinsam mit Kollegen aus Italien und Spanien haben sie erstmals das Genom eines wichtigen erdölabbauenden Meeresbakteriums entschlüsselt. Mit seinen biochemischen Tricks, so hoffen die Wissenschaftler, lassen sich womöglich neue Strategien zur Reinigung ölverseuchter Gewässer entwickeln.

Mikroorganismen, die energiereiche Brennstoffe auf ihrem Speiseplan haben, sind schon seit längerem bekannt – schließlich steigen zum Beispiel im Golf von Kalifornien ständig kleine Mengen Erdöl auf und einige Bakterien mit erdölabbauenden Fähigkeiten haben sich auf diese Nische als Nahrungsquelle spezialisiert. Da jedes Jahr Schätzungen zufolge mehrere Millionen Tonnen Öl die Gewässer der Erde verschmutzen, ohne dass bisher effiziente Reinigungsstrategien existieren, haben sich Forscher zur Aufgabe gesetzt, den biochemischen Tricks der natürlichen Erdölabbauer auf die Spur zu kommen. Wie die Wissenschaftler der Universität Bielefeld und des Helmholtzzentrums für Infektionsforschung (HZI, ehemals GBF) in Braunschweig jetzt gemeinsam mit italienischen und spanischen Kollegen im Fachmagazin Nature Biotechnology berichten, haben sie nun erstmals das Genom von Alcanivorax borkumensis entschlüsselt – eines der wichtigsten erdölabbauenden Bakterien im Meer. „Es kann sich ausschließlich von Kohlenwasserstoffen ernähren, aus denen Erdöl besteht und nach der Genomsequenzierung wissen wir auch, warum: Es produziert ein ganzes Arsenal von sehr wirkungsvollen Öl oxidierenden Enzymen“, erläutert Vitor Martins dos Santos vom HZI. Zudem besitzt das Bakterium offenbar viele Transportsysteme für Stickstoffe, Phosphate und Eisen, also für Substanzen, um die Kohlenstoffverbindungen im Erdöl abzubauen. Bei Alcanivorax borkumensis sind diese Mechanismen scheinbar so gut, dass das Wasser dadurch länger gefiltert wird als bei anderen Arten.

Biochemische Tricks der Bakterien für Umweltschutz nutzen

Für den Umweltschutz ist das Wissen um natürliche Erdölabbauer von besonderer Bedeutung: Ihre biochemischen Tricks könnten gezielt für die Reinigung ölverseuchter Gewässer eingesetzt werden. Eine Möglichkeit bestünde zum Beispiel darin, die von den Bakterien zum Ölabbau genutzten Enzyme aus den Mikroorganismen zu isolieren und dann gezielt im Ölteppich zu verteilen. Auch die direkte Anwendung von Bakterien in einem Ölteppich wäre denkbar, so die Forscher. Mithilfe der nun vorliegenden Genomsequenzierung können nun die biochemischen Vorgänge detailliert analysiert werden, um darauf aufbauend effiziente Reinigungsstrategien zu entwickeln.

Die entschlüsselte Genomsequenz von Alcanivorax borkumensis könnte aber auch für Mediziner von Vorteil sein. „Das Bakterium bildet an der Grenzschicht zwischen Öl und Wasser einen Biofilm, und diese spielen auch bei der Besiedlung des menschlichen Körpers durch Krankheitserreger eine wichtige Rolle“, erklärt Kenneth Timmis vom HZI. Ein tieferes Verständnis der grundlegenden Abläufe solcher Biofilme könnte deshalb auch hier eines Tages nützliche Erkenntnisse liefern.

Entschlüsselung Teil der Arbeit des Bielefelder Kompetenznetzwerkes

Die Entschlüsselung des Bakteriengenoms erfolgte im Rahmen des Kompetenznetzes "Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und die Biotechnologie". Es wurde im Jahr 2001 gegründet und ist eines von insgesamt drei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Netzwerken, die sich mit bakterieller Genomforschung beschäftigen. Die Koordinierung erfolgt von der Universität Bielefeld aus. Die mehr als 20 Forschungsgruppen des Kompetenznetzes stammen aus Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen, die deutschlandweit in mehreren Bundesländern angesiedelt sind. Inhaltlich untergliedert sich das Netzwerk in die drei Verbünde Landwirtschaft, Umweltschutz und Biotechnologie. Neben dem erdölabbauenden Bakterium wurden dabei auch die Genome des pflanzenwuchsfördernden Bakteriums Azoarcus sp. und des Pflanzenschädlings Xanthomona campestris pv. vesicatoira entschlüsselt.

Bei der Gründung wurde das Netzwerk vom BMBF und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen mit einer Förderung von 11 Millionen Euro ausgestattet. Jetzt sind dem Netzwerk für die kommenden drei Jahre nochmals sieben Millionen Euro vom BMBF zugesagt worden.

Mehr Informationen zur inhaltlichen Arbeit des Netzwerkes erfahren Sie hier.

 

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Downloads

Kompetenznetzwerk "Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und die Biotechnologie"

Eine Zusammenfassung der Forschungsarbeit Download PDF (71,5 KB)