Direktlink :
Inhalt; Accesskey: 2 | Hauptnavigation; Accesskey: 3 | Servicenavigation; Accesskey: 4

Bodenmikrobe produziert "scharfes" Antibiotikum

Produzent einer vielversprechenden Waffe gegen resistente Keime: das Bodenbakterium Elefhtheria terrae. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Produzent einer vielversprechenden Waffe gegen Antibiotika-resistente Problemkeime: das Bodenbakterium Elefhtheria terrae. Quelle: William Fowley/Northeastern University

08.01.2015  - 

Sie sind der Schrecken der modernen Medizin: Bakterielle Krankheitserreger, denen Antibiotika nichts mehr anhaben können. Immer mehr Mikroben entwickeln Resistenzen gegen die Medikamente, die Waffen werden zunehmend stumpf. Weltweit suchen Forscher deshalb nach neuartigen Antibiotika. Ein internationales Team mit Forschern aus den USA, Großbritannien, dem Universitätsklinikum Bonn und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) ist nun dem Bodenbakterium Elefhtheria terrae auf die Spur gekommen. Mit einem Trick im Labor produziert die Mikrobe den Wirkstoff Teixobactin. Wie die Forscher in Nature (2015, Online-Vorabveröffentlichung) berichten, wirkt er gegen ein breites Spektrum von Krankheitserregern und verursacht keine Resistenzen. Eine US-Biotech-Firma will den Wirkstoff nun klinisch testen.

„Wir könnten in eine Vor-Antibiotika-Ära zurückfallen, in der ohne neue Wirkstoffe bakterielle Infektionen nicht behandelbar sind. Die Resistenzen entwickeln sich deutlich schneller, als neue Antibiotika auf den Markt kommen“, sagt Tanja Schneider. Sie leitet eine Nachwuchsgruppe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Universitätsklinikum Bonn. Das DZIF ist eines von insgesamt sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung (mehr...), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert werden und erstmals eine vereinfachte Kooperation zwischen außeruniversitären und universitären Einrichtungen erlauben. Das DZIF kümmert sich um neue Strategien gegen Infektionskrankheiten, die Entwicklung neuer Antibiotika ist Teil dieser Arbeiten.

Pharma zeigt wieder Interesse an Antibiotika

Die Dringlichkeit dieser Aufgabe ist hoch: Allein an Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) sterben pro Jahr schätzungsweise rund 25.000 Menschen weltweit. Dieses Problem ist inzwischen auch in der Pharmaindustrie angekommen: Nach jahrelanger Abstinenz wenden sie sich wieder vermehrt der Antibiotika-Forschung zu. Gerade erst hat der Schweizer Pharmakonzern Roche eine millionenschwere Antibiotika-Allianz mit einem japanischen und einem kanadischen Unternehmen geschlossen. (Mehr Informationen: hier klicken) Die Bedeutung neuer Forschungsansätze wird auch durch eine im vergangenen Jahr geschlossene Allianz zwischen der Fraunhofer-Gesellschaft und dem französischen Konzern Sanofi belegt, die in Gießen ein neues Antibiotika-Zentrum aufbauen wollen (mehr...). Seit einigen Jahren werden zudem wieder vermehrt neue Antibiotika zugelassen, wie der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller berichtet. (Mehr Informationen: hier klicken) Und die wissenschaftliche Forschung macht zunehmend Fortschritte. Immer wieder berichten auch deutsche Forscher von interessanten Entdeckungen. So wurden kurz vor Weihnachten 2014 interessante Myxobakterien mit antibiotischen Wirkungen gefunden (mehr...). Denn inzwischen ist klar: Im Reich der Mikroorganismen befinden sich wirksame Waffen, denn Pilze und Bakterien produzieren Hemmstoffe, um mit anderen Mikroorganismen zu konkurrieren – darunter können neuartige Antibiotika sein. Auf der Suche nach solchen neuen, bisher unbekannten Antibiotika-produzierenden Organismen durchkämmen Wissenschaftler die verschiedensten Winkel der Erde, etwa Ozeansedimente, Böden und sogar Tierexkremente. „Die Suche ist mühsam, denn die Erfolgsquote einen wirklich neuen Wirkstoff zu finden, ist äußerst gering“, weiß Schneider aus Erfahrung.

Mehr auf biotechnologie.de

News: Schlagkräftiges Antibiotikum aus Myxobakterien isoliert
News: Antibiotika-Stoff aus Rhododendron
News: Wie Antibiotika aus Myxobakterien wirken

Mikroorganismen aus dem Boden
Was die Suche noch komplizierter macht: Nur etwa ein Prozent der als Kandidaten infrage kommenden Bakterien und Pilze gedeihen auf herkömmlichen Nährmedien im Labor und lassen sich für weitere Analysen kultivieren. Biotech-Firmen und Forscher arbeiten daher schon seit Jahren an neuen Verfahren, um diese Organismen im Labor verfügbar zu machen. Mit einem speziellen Kultivierungsverfahren ist es einem Team um Kim Lewis von der Northeastern University in Boston im Jahr 2002 gelungen, bislang unerforschte und unkultivierbare Bodenbakterien mit Hilfe ihres natürlichen Substrats im Labor zu isolieren. Diese Entdeckung berichteten sie im Jahr 2002 im Fachmagazin Science (Mai, 2002). Sie führte schließlich zur Gründung des in Cambridge ansässigen US-Biotech-Unternehmens NovoBiotic. Gemeinsam arbeiteten sie weiter und fanden mit dem von ihnen entwickelten 'ichip'  schließlich die gesuchte Nadel im Heuhaufen, wie sie nun in Nature berichten: Ein bislang unbekanntes Bakterium produziert offenbar eine Substanz, die sich gegen ein weites Spektrum häufiger Gram-positiver Erreger als sehr wirksam erwies. Die Wissenschaftler tauften das Bakterium auf den Namen Elefhtheria terrae und das von ihm produzierte Antibiotikum „Teixobactin“. Weitere Tests lassen vermuten, dass es absehbar keine Resistenzen verursacht. Schneider: "Es handelt sich um einen hochinteressanten Wirkstoff.“ Teixobactin soll nun seine Wirksamkeit in klinischen Tests belegen. Die Biotech-Firma NovoBiotic will möglichst bald mit entsprechenden Studien starten. Nach Aussagen von US-Forscher Lewis könnten sie in zwei Jahren beginnen. In dieser Folge der Kreidezeit erklären wir, wie Antibiotika funktionieren.Quelle: biotechnologie.tv

Angriff auf die Schwachstellen
Die Bonner Wissenschaftler entschlüsselten den Wirkmechanismus des neuen Bakterienhemmstoffs. „Teixobactin setzt an der Achillesferse vieler Krankheitserreger an: Es hemmt die Synthese der Bakterienzellwand“, erläutert Doktorandin Ina Engels, die ebenfalls an den Arbeiten beteiligt war. Auch andere Antibiotika, wie zum Beispiel Vancomycin, verhindern den Aufbau der Bakterienwand. Allerdings blockieren diese Wirkstoffe die Synthese der schützenden Umhüllung an einem Angriffspunkt – es trifft wie eine einzelne Gewehrkugel. Teixobactin wirkt dagegen wie ein Schrotschuss und attackiert die Bakterienhülle an vielen Punkten gleichzeitig. Das erklärt auch, weshalb das neuartige Antibiotikum vermutlich keine Resistenzen verursacht: „Teixobactin greift an vielen entscheidenden Stellen in den Aufbau der Zellwand an und macht bakterielle Anpassungsstrategien nahezu unmöglich“, sagt Schneider. Erste Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass Teixobactin ein vielversprechender Kandidat für ein äußerst schlagkräftiges Antibiotikum ist. Bei Vancomycin hat es fast 40 Jahre gedauert, bis Resistenzen entstanden sind. Bei Teixobactin könne es sogar noch länger dauern, schreibt Gerard Wright von der McMaster University im kanadischem Hamilton in einem Begleitkommentar in Nature. Es bleibe aber abzuwarten, ob Bakterien nicht auch noch andere Resistenzstrategien entwickeln könnten.

Gegen Gram-negative Bakterien wirkt Teixobactin nicht

Experten sind sich aber einig, dass sich mit der neuen Methode noch mehr Antibiotika-Kandidaten ausfindig machen lassen. Und vielleicht sind darunter dann auch Arten, die die resistenten Keime bekämpfen könnten, die typischerweise in Krankenhäusern entstehen. Gegen die meisten von ihnen könne Teixobactin wegen einer anderen Bakterienstruktur nämlich nichts ausrichten, heißt es. Denn inzwischen sind Gram-negative Bakterien ebenfalls ein großes Problem. Bei diesen befindet sich die Zellwand zwischen zwei Membranen, die meisten Antibiotika kommen daher nicht an das Innere heran. „Gegen Gram-negative Bakterien sind wirksame Antibiotika sehr schwer zu finden. Dabei stehen die Ärzte hier fast mit leeren Händen da“, erläutert Experte Peter Hammann auf der Webseite pharmafakten.de. Hammann ist bei Sanofi zuständig für Externe Innovationen der Geschäftseinheit Infektionskrankheiten. Der Konzern will sich in seiner Fraunhofer-Allianz daher auf die Suche nach antibiotischen Wirkstoffen gegen Gram-negative Bakterien konzentrieren. Gleiches gilt für ein von der Europäischen Kommission im Rahmen der Innovative Medicines Initiative gefördertes Konsortium mit dem Namen "New Drugs for Bad Bugs - ENABLE", in dem sich Industrie, Universitäten und Forschungsinstitute aus ganz Europa vernetzt haben. Neben Sanofi sind hier der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline sowie der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca maßgeblich beteligt. Aus Deutschland ist nur der Auftragsforschungsdienstleister MPS Hamburg GmbH mit dabei, die meisten Partner stammen aus Schweden, Großbritannien und Spanien.

© biotechnologie.de/pg+sw
 

Videos

Kurzfilme zur Biotechnologie in unserer Videorubrik

Ob Medizin, Landwirtschaft oder Industrie - in unserer Videorubrik finden Sie eine ganze Reihe von Kurzfilmen, die Sie leicht verständlich in die Welt der Biotechnologie einführen. 


Zur Rubrik Videos

TV-Glossar

Kreidezeit - Begriffe aus der Biotechnologie

Von A wie Antikörper bis Z wie Zellkultur - die Kreidezeit erklärt Begriffe aus der Biotechnologie kurz und knapp an der Tafel. Alle Videos finden Sie in unserem Filmarchiv.


Zur Rubrik Kreidezeit