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Zell-TÜV für Alzheimer-Arzneien

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Aus iPS-Zellen eines Alzheimer-Patienten gewonnene neurale Stammzellen, mit denen sich im Labor kontinuierlich Nervenzellen für Medikamenten-Tests herstellen lassen. Quelle: Jerome Mertens/Uni Bonn

06.12.2013  - 

Bei der Entwicklung neuer Alzheimer-Therapien haben Medikamentenforscher in den vergangenen Jahren immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen. Viele Substanzen, im Tierversuch erfolgreich erprobt, entpuppten sich in weiteren klinischen Studien als wirkungslos. Offenbar unterscheiden sich die Krankheitsverläufe im Tier zu sehr von den Vorgängen bei Menschen. Bonner Stammzellforschern um Oliver Brüstle ist es nun gelungen, Hautzellen von Alzheimer-Patienten zu reprogrammieren und in große Mengen von Nervenzellen umzuwandeln. Mithilfe dieser Zellen lassen sich neue Alzheimer-Medikamente im Labor testen, berichten die Wissenschaftler im Fachjournal Stem Cell Reports (2013, Online-Vorabveröffentlichung). Damit ließen sich wesentlich eindeutigere Schlüsse über ihre Wirksamkeit ziehen als am Mausmodell, so die Forscher.

Die Alzheimer-Erkrankung ist eine tückische Krankheit. Über Jahrzehnte hinweg entwickelt sie sich zunächst unbemerkt, führt schließlich aber zu immer stärkeren Störungen der kognitiven Leistungen. Diesen Symptome gehen typische Veränderungen der Zellen im Gehirn voraus. Vor allem Ablagerungen aus verklumptem Beta-Amyloid-Protein haben Forscher derzeit in Verdacht, eine wesentliche Rolle bei der Krankheitsentstehung zu spielen. In den vergangenen Jahren haben daher viele Pharmafirmen versucht, Alzheimer-Arzneien zu entwickeln, die ganz gezielt diese Proteinklümpchen angreifen. Bei Tierversuchen waren vor allem Wirkstoffe aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), eigentlich gegen Entzündungen gerichtete Arzneien, erfolgreich. Sie führten dazu, dass sich weniger der gefährlichen Beta-Amyloid-Varianten bildeten. In nachfolgenden klinischen Studien am Menschen blieben diese NSAR jedoch weitgehend wirkungslos. „Die Ursachen für diese negativen Ergebnisse waren lange Zeit unklar“, sagt Brüstle, Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn und Geschäftsführer des universitätsnahen Translationsunternehmens Life & Brain.

Induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) entstehen durch Reprogrammierung von somatischen Zellen.Quelle: biotechnologie.tv

Wissenschaftler wandeln Hautzellen in Nervenzellen um

Licht ins Dunkel bringen könnte eine neue Zelllinie, die Brüstles Team gemeinsam mit Kollegen von der Klinik für Neurologie des Bonner Universitätsklinikums und der Universität Leuven entwickelt hat. Dafür wurden zwei mit einer erblichen Form der Alzheimer-Erkrankung Hautzellen entnommen und in einen quasi embryonalen Zustand zurückversetzt. Diese induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) wandelten sie dann in einem nächsten Schritt in Nervenzellen um. Sie bildeten das Zellmaterial für die Wirkstofftests. Unter den Medikamenten im Test waren auch solche, die zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika zählen. Als Kontrolle zogen die Forscher auch Nervenzellen heran, die sie aus iPS-Zellen von nicht erkrankten Spendern gewonnen hatten. Sowohl bei den aus Alzheimer-Patienten gewonnenen Nervenzellen als auch bei den Kontrollzellen zeigten die zuvor im Tiermodell positiv getesteten NSAR praktisch keine Wirkung: Die Werte für die schädlichen Beta-Amyloide, die im Gehirn die gefürchteten Aggregate bilden, verringerten sich durch gängige Wirkstoffdosen in den menschlichen Nervenzellen nicht.

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Unterschiede im Stoffwechsel von Tier und Mensch

„Um zu belastbaren Vorhersagen über den Erfolg eines Alzheimer-Wirkstoffs zu kommen, müssen die Tests direkt an den betreffenden menschlichen Nervenzellen durchgeführt werden“, folgert Studienleiter Philipp Koch. Warum verringerten die NSAR in den Tierzellen die Gefahr von Ablagerungen im Gehirn, in menschlichen Nervenzellen aber nicht? Das erklären die Wissenschaftler damit, dass sich die Stoffwechselvorgänge etwa in nicht-neuronalen Zellen und Zellen tierischen Ursprungs von den Prozessen im menschlichen Hirn unterscheiden. „Es mangelt also schlicht an der Übertragbarkeit der Ergebnisse“, so Koch.

Die Wissenschaftler hoffen nun, dass in der Alzheimer-Forschung künftig mehr Wirkstofftests an patientenspezifischen Neuronen durchgeführt werden. So könnten Investitionen der Pharma-Unternehmen sinken und die langwierige Suche nach dringend benötigten Alzheimer-Medikamenten beschleunigt werden.

© biotechnologie.de/bk

 

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