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Burgerfleisch aus dem Labor

Mit den Stammzellen einer einzigen Kuh kann man eines Tages Fleisch für 175 Millionen Hamburger heranzüchten. Das jedenfalls ist das ehrgeizige Vorhaben vom Niederländer Mark Post und seinem Team. <ic:message key='Bild vergrößern' />
Mit den Muskelstammzellen aus dem Nacken einer einzigen Kuh kann man eines Tages Fleisch für 175 Millionen Hamburger heranzüchten. Das jedenfalls ist das ehrgeizige Vorhaben vom Niederländer Mark Post und seinem Team von der Universität Maastricht. Quelle: culturedbeef.net

07.08.2013  - 

Niederländischen Forschern ist es gelungen, Rindfleisch in der Petrischale zu züchten. Der erste Meilenstein ist erreicht: In London wurde in einer TV-Livesendung die erste Biotech-Bulette gebraten und verkostet. Etwas fade soll das Kunsthack aus dem Stammzelllabor zwar schmecken, aber in der Konsistenz kommt der Fleischersatz seinem natürlichen Vorbild schon recht nahe. Was und wer hinter der Rezeptur steckt und inwieweit sie verfeinert werden muss, bis sie nach Angaben der Forscher in 10 bis 20 Jahren marktreif ist, fasst biotechnologie.de zusammen.

Man nehme eine paar Gramm Rindfleisch und isoliere daraus die Muskelstammzellen. In einem Nährmedium aus fetalem Kalbsserum reichere man diese an. Ruhen lassen. Nach einiger Zeit wandeln sich die Stammzellen in Muskelzellen um. So ähnlich funktioniert das Konzept, aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Muskelzellen in einer Menge zu produzieren, mit der man einen Hamburger belegen kann, ist ein schwieriger und sehr zeitintensiver Prozess.

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Die Laborköche

Das Protokoll zur Herstellung des Fleisches stammt vom Physiologenteam um Mark Post von der Universität Maastricht. „In vitro meat project“, heißt das Vorhaben, das eine Fortsetzung eines 2004 von Willem van Eelen initiierten Projektes ist. 2009 gelang es den Verbundpartnern, winzige Fleischstücke aus Mäusestammzellen zu kultivieren. Im Oktober 2011 startete Mark Post mit dem „In vitro meat project“ das Vorhaben, einen essbaren Hamburger aus Rinderstammzellen herzustellen. Nach dem Gelingen haben die Forscher nun vor, den Geschmack und die Herstellungsverfahren weiter zu verbessern. Finanziert wird das Projekt von Google-Mitgründer Sergey Brin, während die Ursprungsstudie durch die niederländische Regierung unterstützt wurde.

Das Rezept

Stammzellen sitzen im Muskelgewebe und warten darauf, den Muskel zu reparieren, sobald dieser beschädigt wird. Diese Muskelstammzellen sind multipotent, können sich also in bestimmte verschiedene Zellen spezialisieren und gehören damit zu den sogenannten adulten oder gewebsspezifischen Stammzellen. Diese haben die Forscher aus dem Nackenmuskel einer Kuh mittels Biopsie isoliert und anschließend in eine Brutboxen überführt, in denen ein spezielles Gel und Ankerpunkte für die Zellen platziert waren.

Noch sind mehrere tausend Fleisch-Kulturen nötig um eine Frikadelle herzustellen.Lightbox-Link
Noch sind mehrere tausend Fleisch-Kulturen nötig um eine Frikadelle herzustellen.Quelle: culturedbeef.net
Unter den entsprechenden physiologischen Bedingungen arbeiten die Zellen nun zunächst von alleine: Sie organisieren sich vollkommen selbstständig zu Minimuskeln in ihrem Gel-Medium zwischen den Ankern, die als Sehnen fungieren. Das Gel besteht aus fetalem Kälberserum, das aus Kuhblut gewonnen wird und die idealen Wachstumsfaktoren für die Zellen bietet. Damit der Muskel heranwachsen kann, muss er ins Trainingslager: Mit elektrischen Impulsen wird das Gewebe stimuliert und die kontraktilen Proteine im Muskel ziehen sich zusammen. Damit die Zellen optimal versorgt werden und der Energiebedarf gedeckt wird, muss der Komplex stetig mit frischen Nährstoffen versorgt werden. Um die Frikadelle herzustellen, die im Live-Fernsehen von einem Promi-Koch gebraten wurde, mussten die Forscher neun Wochen lang 20.000 Muskelfetzen, die jeweils sieben Milligramm wogen, in Petrischalen heranzüchten. Daher brauchte die Entwicklung auch 5 Jahre und den Zuschuss von 250.000 Euro von Sergey Brin.

Die Finessen

Von einer industriellen Produktion ist das Projekt allerdings noch weit entfernt. Bis man das Fleisch im Supermarktregal findet, könnten noch 10-20 Jahre vergehen, so Post in einer Mitteilung der Universität Maastricht. In nächster Zukunft müssen sich die Fleischmacher verschiedenen Problemen stellen:

  • Momentan tüftelt das niederländische Team daran, innerhalb des falschen Fleischs auch Fettgewebe wachsen zu lassen. Es würde für einen besseren Geschmack sorgen.
  • Auch an der Produktion von Myoglobin im Kunstfleisch arbeiten die Forscher in einem Folgeprojekt.
  • Die multipotenten Stammzellen, die die Forscher verwenden, können sich nicht unendlich teilen, sodass Nachschub direkt aus der Kuh notwendig ist. Embryonale Stammzellen wären eine Alternative.
  • Den Muskelzellen aus der Petri-Schale fehlen die versorgenden Blutgefäße. Ein möglicher Lösungsansatz: Die Herstellung von Gefäßstrukturen aus löslichen Zuckerpolymeren. Bislang können also nur kleine Fleischfetzen gezüchtet werden, die zu großen Stücken vermischt werden.
  • Welche Aromen in welchem Verhältnis für den leckeren Geschmack des Fleischs sorgen, ist längst noch nicht bekannt. Die Tv-Verkoster vermissten im Test-Burger den intensiven Geschmack.
Hintergrund

 Mehr Informationen zum "In vitro meat project" auf der Website www.culturedbeef.net

Das Potenzial

Nach eigenen Angaben sind die Ziele der Forscher idealistischer Natur. Sie wollen ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft leisten und listen auf ihren Websites zahlreiche Vorteile auf, die durch ihre Methode gegenüber der Viehzucht entstehen. Demzufolge soll der globale Fleischbedarf bis 2050 um 73 Prozent ansteigen. Sollte es dem Team gelingen das Fleisch im großen Stil zu produzieren, so könnten sie mit einer einzigen Kuh 175 Millionen Hamburger bestücken. Die Viehzucht muss dafür 440.000 Kühe hervorbringen, rechnen die Maastrichter Forscher aus. Selbst Vegetarier sollten an diesem Fleisch nichts zu bemängeln haben, zumindest sofern sie durch eine Verantwortung des Menschen für das Tiereswohl motiviert sind. Veganer müssten indes weiterhin verzichten; für das Kunstfleisch werden immer Spenderzellen aus lebenden Tieren nötig sein.

© biotechnologie.de/bs
 

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