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Die Amöbe mit dem Swing

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Diese Mikroskop-Aufnahme zeigt das Zytoskelett der Amöbe mit seinen Fasern und Röhren. Quelle: MPIDS

05.03.2013  - 

Mit einer inneren Schwingung im 20-Sekunden-Takt bleibt das Zellskelett von Amöben dynamisch und kann so rasch auf Reize aus der Umgebung reagieren. Das haben Biophysiker vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) in Göttingen bei dem Einzeller Dictyostelium discoideum nachgewiesen. Durch den inneren Rhythmus kann sich das Aktin-Skelett, das der Zelle ihre innere Stabilität verleiht, umorganisieren. Die Forscher berichten im Fachjournal PNAS (2013, Online-Vorabveröffentlichung) über ihre Entdeckung.

Der einzellige Schleimpilz Dictyostelium discoideum – von manchen Forschern liebevoll „Dicty“ genannt – ist ein äußerst sensibler Organismus und ein Meister der Kommunikation: Bereits kleinste Schwankungen in der chemischen Zusammensetzung seiner Umgebung kann der Einzeller wahrnehmen. Besonders in Notlagen zahlt sich diese Fähigkeit aus. Sobald die Amöbe nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird, sendet sie chemische Hilferufe an ihre Nachbarn aus: eine kleine Menge des Signalstoffs Cyclisches Adenosin-Monophosphat (cAMP). Die Artgenossen registrieren das Signal und leiten es ihrerseits weiter. Dadurch entstehen wie von selbst kreisförmige Spiralwellen von Hilferufen. Diesen Hilferufen folgen die Zellen, kriechen zum Wellenzentrum und ballen sich dort zusammen. Dann bilden die Zellen im Verbund einen Fruchtkörper mit Sporen aus, die so lange erhalten bleiben, bis die Umweltsituation wieder Nahrung bietet. In ihren neuen Experimenten und Rechnungen haben die Göttinger Forscher nun untersucht, was genau im Innern der einzelnen Zelle geschieht, wenn sie den Hilferuf empfängt und ihren inneren „Motor“ anschaltet.

Dicty in Bewegung

Ein Video der Göttinger Forscher zeigt die Schwingungen des Zellskeletts der Amöbe Dictyostelium discoideum.
Zum Video auf You Tube:
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Dynamischer Aktin-Aufbau 
Eine entscheidende Rolle spielt das Strukturprotein Aktin. Als Geflecht feiner Röhren und Fasern durchzieht es das Innere der Zellen, verstärkt ihre Membran und verleiht so der gesamten Zellstruktur Stabilität – wie eine Art Skelett. Wissenschaftler sprechen vom Zytoskelett. Durch äußere chemische Reize gerät dieses Netzwerk in Bewegung: Im Innern wird Aktin ab-, an der Innenseite der Zellmembran verstärkt aufgebaut. „In unseren Experimenten haben wir gezielt einzelne Zellen mit einer räumlich und zeitlich scharf begrenzten Konzentrationsänderung von cAMP konfrontiert“, sagt Christian Westendorf vom MPIDS. Schlüssel zu diesem Kunststück ist der Stoff DMNB-cAMP. „Ein kurzer Laserpuls kann diese Verbindung zerstören und so den Signalstoff cAMP freisetzen“, so Westendorf. Um unter dem Mikroskop die anschließende Reaktion der Zelle zu verfolgen, wurde ihr Aktin mit einem Fluoreszenz-Marker versehen. Erstaunlicherweise reagierten die Amöben in den Experimenten unterschiedlich. Während sich das Zytoskelett bei einigen nur einmal nach außen verlagerte und dann wieder den Ausgangszustand annahm, kam es bei anderen zu mehreren Schwingungen. „In einem kleinen Prozentsatz der Zellen schwingt die Aktinstruktur sogar völlig ohne äußeren Reiz“, so Westendorf.
Pendel mit eigener Frequenz
Um diesen Schwingungen nachzugehen, setzten die Forscher die Zellen in einem zweiten Schritt periodischen Stimulationen aus. Dabei zeigte sich bei einer Periode von etwa 20 Sekunden die stärkste Reaktion. „Dies beweist, dass der 20-Sekunden-Rhythmus eine intrinsische Eigenschaft jeder Dicty-Zelle ist“, sagt Carsten Beta, der am MPIDS und an der Universität Potsdam arbeitet. Die Situation ist vergleichbar mit der eines Pendels, das mit einer ihm eigenen Frequenz schwingt. Stößt man das Pendel mit einer ähnlichen Frequenz an, ist der Ausschlag am stärksten.

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Leben am Rande der Instabilität

„Die Amöben leben offenbar am Rande einer Instabilität“, folgert MPIDS-Direktor Eberhard Bodenschatz. Bereits kleinste, kaum messbare Veränderungen der äußeren Bedingungen können das Zytoskelett in Schwingung versetzen – oder auch nicht. Ein theoretisches Modell, mit dem die Forscher den Auf- und Abbau des Zytoskeletts beschreiben, kommt zu demselben Ergebnis. Ein ähnliches Verhalten ist etwa von den Haarzellen im Innenohr bekannt. „Jede der Zellen ist somit eine Art Verstärker für äußere Reize“, so Bodenschatz. Die Zellen können dadurch besonders sensibel auf solche Unterschiede reagieren. Warum der innere Takt bei den Amöben auf 20 Sekunden eingestellt ist, wissen die Forscher noch nicht. Sie vermuten, dass die Einzeller diese innere Uhr für die Fortbewegung nutzen.

© biotechnologie.de/pg
 

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